Baby Steps, Menschen, Baby Steps. Und doch sind kleine Schritte meistens das einzige Anzeichen für Veränderung. So wie Rom nicht über Nacht erbaut und seitdem auch nicht allzu oft italienischer Fußballmeister wurde, haben sich die wenigsten Dinge über Nacht geändert. Wenn es so einfach wäre, dann würde die katholische Kirche im Jahr 2015 nicht ohne merkliches Kopfschütteln den Niedergang des Abendlandes durch die Legalisierung der Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare äußern. Viele möchten nach diesem Statement noch ein paar Schritte weitergehen und das ist auch der Sinn dieser Aussage. Dem selbst gewählten Feld der Videospiele zuliebe möchte ich heute jedoch auf etwas Anderes eingehen.
Wenn mir am Silvesterabend 2014 gesagt hätte, dass die eingespielte FIFA-Reihe aus dem Hause EA mal die für mich wichtigsten Nachrichten der Woche stellt, hätte ich nur laut gelacht. Dabei war ich es selber, der gegenüber meiner Freundin im Laufe der letzten zwei Jahre immer wieder davon träumte, dass zumindest einige Nationalmannschaften der Frauen in die Reihe eingefügt werden. Aber bei diesen Aussagen habe ich nie daran geglaubt, dass dies tatsächlich passiert.
Gänsehaut, wenn Abby Wambach bei 0:39 sagt: I’m in the Game
Die üblichen Annahmen entgegen dieser Hoffnung sind allseits bekannt. Gibt es überhaupt mehr als ein paar tausend Menschen, die bei FIFA auf diese Mannschaften zurückgreifen würden? Lohnt sich der Aufwand überhaupt für AAA-Publisher, die immer nur den dicken Zaster haben wollen? Und versteht mich nicht falsch: EA macht dieser Schritt keinesfalls zu Heiligen. Wie bei Politikern ist es allerdings immer schön ein paar lichte Momente bestaunen zu können.
Gerade hier in Deutschland sollte die Einführung dieser Mannschaften positive Resonanzen hervorrufen. Schließlich haben die Frauen in ein paar Jahren mehr Titel gesammelt, als die Deutsche Herrennationalmannschaft seit dem zweiten Weltkrieg. Trotzdem verdienen die Frauen substantiell weniger Geld als ihre männlichen Konterparts und genau deswegen empfinde ich die Einbindung der Frauen als etwas Gutes. Es stärkt die Marke Frauenfußball potenziell. Nicht-Gamer werden diesen Fakt wahrscheinlich abtun, aber wenn nur jeder FIFA-Spieler im Monat eine Stunde mit den Mannschaften der Frauen spielt und man diese Spielzeit addiert, ergeben sich unzählige Stunden (umgerechnet Jahre), die sich Menschen mit Fußballspielerinnen auseinandersetzen, die sie sonst nicht kennen würden.
Jetzt zu unken, dass es sich NUR um ein Videospiel handelt, verkennt den Wert von Marketing in der Unterhaltungsbranche. Kein Mensch von Verstand käme auf die Idee, dass der Fußball nicht von groß aufgezogenen Werbekampagnen von Sportherstellern, aber auch Konsumriesen wie McDonalds, Coca Cola und Pepsi (bah!) profitiert hätte. Das innovative Verkaufsargument für Frauenfußball aus dem Munde des allseits beliebten Sepp Blatter waren lediglich kürzere Höschen (ein häßliches Wort, nicht wahr?).
Richtig so, Mariah: Hau weg die Scheiße!
Die FIFA, also der Verband, hat über die Jahre nie großen Druck gemacht, dass die Frauen in die erfolgreiche Spielreihe eingebunden werden. Das lässt sich an David Rutters (EA) freundlichen Ausflüchten ablesen, die dieser verlauten ließ. Technik zur Unterscheidung von männlicher und weiblicher Physis, Scan-Vorgänge und Motion-Capturing benötigen so viel Zeit… das übliche PR-Blahblah. Dass die FIFA groß genug ist und als exklusiver Partner auf einen solchen Modus hätte im Gegenzug für etwaige Vergünstigungen bestehen können, ist wohl außer Zweifel.
Um überhaupt bei Spekulationen zu bleiben, musste wohl auch EA erst als schlechtestes Unternehmen 2013 „ausgezeichnet“ werden, damit dieser Modus als Teil einer positiven Image-Kampagne ins Rollen kam. Denn in einer Zeit, in welcher ein Spiel wie „Bioshock Infinite“ aus PR-Gründen nur einen Mann mit Schrotflinte auf die Verpackung klatscht, obwohl eine Frau eine tragende Rolle spielt, stampft ein AAA-Unternehmen nicht einfach so aus Spaß und gutem Naturell heraus einen zu Beginn wahrscheinlich wenig gespielten Modus aus.
© By Waldemar Witt
Wie einst Mr. Crabs bei Spongebob: “Geld! Geld! Geld!”
Herumzuheulen, dass die Damen und Herren bei EA hätten mehr und schnellere Eigeninitiative zeigen können, ist meiner Meinung jedoch kein guter Weg. Wir sollten diese Änderung als solche aufnehmen, wie sie auf den ersten Blick auch scheint: begrüßenswert. In der Pflicht sind nun Videospiel-„Journalisten“, dass sie diesen neuen Teil des Spiels nicht unter den Tisch fallen lassen. Egal wie wenig sich in diesem Modus ändert, muss darüber berichtet werden. Stille und bewegte Bilder müssen ans Tageslicht geschaufelt werden, wenn wir in diesem Punkt als Gamer unseren Schritt zur Gleichberechtigung tun wollen.
Und das sollte auch in EAs Interesse sein. Nicht nur, weil FIFA als Spiel eine ganz neue Zielgruppe erfassen könnte, sondern auch weil die Firma aus Kanada kommt. Und im Gegensatz zu Crack rauchenden Bürgermeistern ist die Frauenfußballnationalmannschaft Kanadas neben Ahornsirup eine der Sachen auf die dieses Land tatsächlich stolz sein kann.
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