Ach Marvel. Vielleicht bin ich wirklich ein Hater. Nicht im ironischen Sinne, um vor meinen Nerd-Freunden cool zu wirken, sondern einfach nur aus purer Boshaftigkeit heraus. Das sollte man immer wieder annehmen dürfen, wenn eine Debatte über die Marvel-Produktionen mit mir entspringt. Warum das so ist, ist gar nicht so schnell zu beantworten, wenn ich mich nicht selbst durch den Morast an persönlichen Problemen gearbeitet hätte. Doch ein langer und unterhaltsamer Abend, der mit Daredevil begann und bei der seit Jahren anhaltenden Marvel-Superhelden-Fatigue (MSF) endete, und die Veröffentlichung einer Comic-Reihe haben mir die Augen geöffnet.
Aber was heißt hier eigentlich MSF? Den Marvel-Produktionen muss man lassen, dass sie sich vom typischen Action/Spionage-Film (die Iron-Man-Filme, Captain America 1) auch an anderen Genres wie dem Acition-Spionage-Krimi (Captain America 2) und natürlich Fantasy-Action versucht haben (die Thor-Filme). Action muss schon immer sein, doch die Filme versuchen sich von Reihe zu Reihe langsam auseinanderhalten zu lassen. Und was ist eigentlich mit „Guardians of the Galaxy“ und der medial aufgebauschten „Daredevil“-Serie?
Nun, die letzteren beiden Produkte sind bisher noch nicht in der Marvel-Falle. Übrigens eine Falle, in welche auch DC ganz schnell hinein stolpern kann. Zwar ist der im Hintergrund desinteressierte Bösewicht Thanos für die Avengers gedacht, doch die Narrative der „Guardians of the Galaxy“ ist bisher zumindest noch in keiner Weise mit der der Avengers verstrickt. Die bunte und für viele Menschen belustigende Marvel-Weltraumtruppe konnte weitestgehend autark ein Abenteuer erleben.
Bei den Avengers ist dies gar nicht mehr möglich. Inzwischen ist es sogar ziemlich hilfreich die in Deutschland und vielen anderen Ländern nicht so einfach zugängliche Serie „Agents of Shield“ zu gucken. Der gesamte Einstieg von „Age of Ultron“ ergibt für Zuschauer der Serie sofort Sinn, wohingegen der Normalo-Kinogänger die plötzliche Action-Szene als typischen Einstieg in einen Action-Film versteht. Ach stimmt ja, da war was mit Loki und den Nazis… auf einer mittelalterlichen Burg.
Spider-Gwen bekommt hoffentlich auch einen Film. Isoliert und in sich geschlossen.
Seht ihr, da sind wir schon wieder bei all der negativen Energie. Entgegen dieser Zeilen fand ich „Age of Ultron“ nämlich recht unterhaltsam. Der Film hat zwar viele Schwächen und Fehler, doch diese sind für mich dieselben, die auch zur MSF geführt haben. „Age of Ultron“ ist ein unterhaltsamer Film, der unter einem erzählerisch Gewicht sondergleichen „verschütt ‘gang is’“. Insgesamt 9(!!!!!!!!!) Filme zwingt sich der Film zu erarbeiten und legt letztlich noch Schienen für die nächsten Abenteuer der Helden, was den Film als alleinstehendes unnötig offen zurücklässt.
Und dann bürdet sich der Film noch einen Bösewicht auf, der in „Abyss“-Manier noch kurz eine Origins-Motivationsspritze braucht, da er in keinem der vorigen 9(!!!!!!!!!) Filme eine Rolle gespielt hat. Wo „Avengers 1“ trotz inhaltlicher Mängel dank einem bekannten und beliebten Bösewicht auf Anhieb unterhaltsam war, musste „Age of Ultron“ als Schneider herhalten, der all den Abenteuern wieder ein gemeinsames Gefüge geben sollte.
All die bisher erzählten Geschichten müssen schließlich einen Sinn ergeben. Die sogenannte „Phase 2“ ist großteils um die „Wo sind eigentlich die anderen?“-Problematik herumgefischt, sodass wir bei „Iron Man 3“ und „Thor 2“ nie gefragt haben was eigentlich gerade Phase ist. Hätte Thor nicht wenigstens Bescheid geben können, dass die Erde potenziell in Gefahr ist und seine Wissenschaftler-Freunde Schutz brauchen? Hat es die Avengers einen Scheiß interessiert, was und wer der Mandarin ist und warum plötzlich Menschen mit Überkräften durch Großstädte laufen? Die Erklärungen müssen Fans sich selbst zurecht legen und klingen dabei mehr und mehr wie Tolkien-Professoren, die auf das Silmarillion verweisen. Ich Dummerchen… das hätte ICH doch wissen müssen.
Und inzwischen landet man bei Diskussionen auch an dem Punkt, dass die großen Fans alles irgendwie mit kleinen Details aus Filmen und Serien erklären können. Das ist zwar schön für sie, macht es für Leute, die einfach immer mal wieder einen großen Action-Film im Kino sehen wollen unglaublich schwer. Doch nicht nur für die weniger eingefleischten Fans wird das Gewirr an Storyfäden zum Problem, sondern auch für die Kreativität der Erzählungen selbst.
Denn endlich bekommen Fans den besseren Captain America. Spider-Man wird Teil der Avengers-Saga. Nur gibt es ein Problem. Spider-Man MUSS erneut sehr jung sein. Er darf, nein, er kann kein etablierter Superheld sein. Ansonsten müsste erklärt werden, warum er nie in New York war, wenn Loki, die Chitauri und Hydra mal wieder den Asphalt aufgerissen haben. Wenn Spider-Man Teil dieser Avengers sein soll, dann darf es ihn noch nicht gegeben haben. Was er also nicht sein kann, ist ein gestandener Mann, im besten Falle glücklich mit Mary-Jane verheiratet und mit Kind, denn Gott bewahre: ein Superheld kann doch kein funktionierendes Leben führen.
Heil Hydrant! Watch “Agents of Shield” to learn the full story (no timely dubbed version planned).
Genau diesen Spider-Man bekommen Comic-Fans jetzt… auf Papier. Zwar ist sich keiner mehr sicher in welcher Realität „Spider-Man: Renew Your Vows“ spielen soll, doch es erinnert daran, was Spider-Man (in den Comics und der Serie) oftmals sein konnte: Der einzige Held, der nicht im typischen Superhelden-Romantik-Drama verstrickt ist. Die alten Spider-Man-Filme haben die Herzschmerz-Romanze im dritten Teil unnötig aufleben lassen und „Amazing Spider-Man“ hat gar nicht erst versucht Peter Parker zum nimmermüden Optimisten reifen zu lassen.
In „Renew Your Vows“ ist der Spider-Man zu sehen, der schon in Sam Raimis „Spider-Man 3“ hätte vorgestellt werden müssen. Der umsorgende, aber auch in seiner Familie Kraft findende Superheld, der auf die laut Stan Lee größte Macht im Universum zurückgreifen kann: Liebe. Streng genommen ist die komplette Hawkeye-Storyline in „Age of Ultron“ die notwendige Menschlichkeit, die Spider-Man für die Avengers widerspiegeln sollte. Denn dieser muss keinen Meta-Monolog darüber halten, dass er an und für sich komplett unnütz ist.
Hawkeyes Ehefrau sagt ihm, dass er das Herz der Gruppe sei. Das ist ein schöner Gedanke, der aber über diese 9(!!!!!!!!!) Filme überhaupt nicht funktioniert. Die Szene in „Age of Ultron“ ist notwendige Menschlichkeit inmitten der Materialschlacht, doch am Ende ruft der innere Kinokritiker laut und provokativ wie Chang aus Community: „BUUUUUUUULLSHIIIIIT!“ Denn Hawkeye muss am Ende von einem anderen Helden gerettet werden. Es ist nun einmal unnütz. Und inmitten dieser Supertruppe muss das Herz mehr tun können als wie Agent Coulson und Hawkeye sagen zu können: „Packen ‘mer’s an, Suppperfreunde!“
“Gib’ mir Tiernamen!” “Spinne?” “Gib’ mir böse Tiernamen!” “…böse Spinne?”
Nun wurde gleich wieder die Marvel-hat-Recht-Maschinerie angeworfen, weil das Label bei den meisten Comic-Fans einen schlichtweg unverschämt guten Ruf hat. Natürlich macht das absolut Sinn, dass Spider-Man ein Teenager/Tween sein muss. Schließlich braucht die Gruppe jemand positiven (Hawkeye!), der noch nicht von all den Schicksalsschlägen innerlich zerfressen ist (Hawkeye!!) und mehr als den unpersönlichen Kampf für die Menschheit (Asgard-Menschen inklusive) als Lebensinhalt kennt (HAWKEYE!!!).
Mit dieser Logik zwingen sich die Marvel-Filme die „Dark Knight“-Logik auf. Du kannst nicht immer ein Held bleiben, weil du irgendwann selbst zum Bösewicht wirst. Iron Man hat das mit seiner Schutzschild-Idee in „Age of Ultron“ bereits breit getreten. Klar haben wir Captain America, der allerdings aus einer anderen Zeit und ohne jede Bindung einfach nur als Gutmensch herhalten muss. Ein erwachsener Peter Parker hätte die verzweifelt gesuchte Rolle des Lichts im drohenden Dunkeln einnehmen können. Aber dann müssten wir die ganze, tolle Marvel-Kontinuität aufgeben… und wer will das denn schon?
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