Wir leben im Zeitalter der Euphemismen. Hausmeister*innen sind heutzutage “Facility Manager”, Putzkräfte sind “Hygienefachangestellte” und Fast-Food-Restaurants fallen unter die Bezeichnung „Systemgastronomie“ “Quick-Service”. Häuser werden nicht mehr abgerissen sondern „rückgebaut“ und der Mensch, der euch am Flughafen eincheckt ist ein*e „Boarding Agent“. Natürlich ist das alles mehr oder weniger Augenwischerei und solle ein Aufwertung von Dingen vorgaukeln, die im Grunde nicht so toll sind. Besonders die Wirtschaft hat sich in diesem Bereich durch tolle Wortschöpfungen und deren beständige Wiederholung hervorgetan. Arbeitsplätze werden „restrukturiert“ statt gestrichen, Preise werden „angepasst“ statt erhöht und Sachen wie Kopierschutz nennen sich Digitale Rechteverwaltung.

flipping the bird_robbedAufgrund unklarer Rechtslage kann ich das eigentliche Bild (ähnlich), hier nicht zeigen. Mehr Creative Commons! By robbed,via Flickr.com

Also, eigentlich nicht ganz. Denn Digitale Rechteverwaltung (Digital Rights Management, DRM) ist eigentlich eine besondere Form von Kopierschutz, hat sich aber in den USA und UK und somit in den meisten Medien, die sich mit Videospielen beschäftigen, als generelle Bezeichnung für Kopierschutz durchgesetzt. Ist ja auch ein bisschen einfacher als ständig Copy Protection oder etwas ähnliches vor sich hinzumurmeln. Wie dem auch sei, Kopierschutz (DRM) ist spätestens seit dem SimCity-Desaster wieder in aller Munde, nicht zuletzt weil vielfach befürchtet wird, die nächste Konsolengeneration könnte Always-On werden. Die Meinungen zum Kopierschutz sind dabei geteilt. „Unser legitimer Schutz gegen Softwarepiraterie!“ rufen die Publisher und Developer von der einen Seite, „Verletzung von Verbraucher*innenrechten!“ schallt es den Verteidiger*innen entgegen. Ich befinde mich in dieser Diskussion auf einer recht hügeligen Insel auf dem Wasser zwischen den beiden Ufern und möchte eigentlich nur in Ruhe mein Spiel spielen.

Die Argumente der Befürworter sind natürlich verständlich. Raubkopien sorgen für Umsatzeinbuße bei den Entwickler- und Vertreiberfirmen und verhindern somit die Schaffung neuer, toller Spiele für uns Konsument*inn*en. Gleichzeitig sind Raubkopien potenziell durch Malware gefährlich und die jeweilige Firma möchte natürlich nicht mit derartigen Gefährdungen in Verbindung gebracht werden. Zudem ist es ja nur fair, wenn die Menschen, die ein Produkt zur Verfügung stellen, für die Inanspruchnahme des Produktes eine angemessene Entlohnung bekommen. Schließlich treffen Raubkopien auch oft die Entwickler*inn*en, deren Spiel eventuell nicht die angeforderten Verkaufszahlen erreichen und deshalb von den Publisher*inn*en geschlossen oder „umstrukturiert“ werden. Kurzum: Es ist an und für sich das gute Recht der Produzent*inn*en, ihr Werk gegen unberechtigte Verwendung zu schützen.

Dann wiederum gibt es die berechtigte Kritik der Verbraucher*innen, die ihre für ihr eigenes Geld gekauften Produkte auch als solche benutzen möchten und nicht, wie heutzutage bei Spielen, Filmen oder Musik der Fall, durch den Kauf eine Nutzungslizenz erwerben, die im Prinzip auch widerrufen werden kann. Das ist genauso wenig fair, wie ein Produkt zu nutzen, dass mensch nicht gekauft hat. Ausserdem möchten Kund*inn*en wissen, was sie da so kaufen und möchten deshalb ein Recht darauf haben, ein Produkt kennenzulernen. Die Rückgabemöglichkeiten für Software sind heutzutage aber schwer bis unmöglich, was natürlich im Interesse der Produzent*inn*en ist. Und da Demos ja angeblich den Absätzen von Spielen schaden, gibt es davon kaum noch welche. Haben da Kund*inn*en, die sich nicht unter die Knute der großen Firmen begeben wollen, da noch eine andere Möglichkeit als Raubkopien? Vor allem, wenn manche Publisher wie EA oder Activision/Blizzard unverschämt hohe Preise für ihre Produkte verlangen, einfach weil sie es können? So geschehen mit diversen Call of Duty-Teilen oder StarCraft II, welche beide bei Erscheinen sechzig Euro in der PC-Version gekostet haben. Wie anders kann man protestieren, ausser durch die Nutzung des anonymen und unbeschränkten Datenverkehrs im Internet?

bush internet_vince_lambIn die Zeit von G. W. Bush fällt übrigens auch der Digital Millenium Copyright Act (DMCA), dem wir diese ganze DRM-Diskussion zu verdanken haben. By Vince_Lamb, via Flickr.com

Machen wir uns nichts vor: Jeder Kopierschutz im digitalen Zeitalter ist eine Zeitlösung. Denn dank der unglaublich begabten Hirne vieler Cracker sind die meisten Kopierschutz-Mechanismen schon kurz nach dem Erscheinen ausgehebelt. Es liegt nur noch am Nutzer oder der Nutzerin herauszufinden, wo man diese Versionen herunterladen kann und wie einfach sich diese zum Laufen bringen lässt. Es wäre also eigentlich das beste, wenn die Hersteller*innen und Vertreiber*innen von Videospielen ihren Kund*inn*en weiter trauen würden als bis zum Ladenausgang bzw. dem „Jetzt überweisen“-Knopf und den Kopierschutz über Bord schmissen. Aber da sich die Damen und Herren in den Chefetagen davon verständlicherweise nicht überzeugen lassen werden, müssten andere Lösungen gefunden werden, welche für Kund*inn*en und Vertreiber*innen gleichermaßen akzeptabel sind.

Ein guter Kopierschutz stellt der Spielerin oder dem Spieler keine Hürden in den Weg. Es muss keine zusätzliche Software installiert, es müssen keine doofen Registrierungscodes eingegeben und keine Online-Registrierungen vorgenommen werden. So wie dereinst bei Monkey Island 2, bei dem ein Code-Rad beilag. Bei Programmstart wurde eine bestimmte Sicherheitsfrage gestellt, welche mithilfe des Rades beantwortet werden konnte. Hier wurde der Kopierschutz quasi gamifiziert, also mehr oder weniger ein Spiel daraus gemacht. Zudem war das Code-Rad stimmig gestaltet und passte sich somit in das Spiel ein (und sah so aus). In Zeiten von Minimal-Handbüchern und digitaler Distribution wird sich diese Variante aber höchstwahrscheinlich nicht mehr durchsetzen. Stattdessen sollte ein Kopierschutz, wenn er schon nicht Spaß macht, immerhin einen Mehrwert haben. So wie Steam.

mesoamerican temple_xopherlanceValves Hauptquartier (Symbolbild). By xopherlance, via Flickr.com

Wer sich erinnert: Steam wurde als Multiplayerplattform für Counterstrike und Team Fortress Classic entworfen. Half-Life 2 war das erste Spiel, welches den Steam-Client zwingend voraussetzte, womit Valve übrigens ziemlich viel negative Presse auf sich zog (heute würde man sagen: es einen Shitstorm hagelte). Mittlerweile gilt Valve aber nicht ohne Grund als der „Good Guy of the Internet“, denn die Damen und Herren aus Bellevue (Washington, USA) haben es geschafft, ihren Kopierschutz zur Speerspitze der digitalen Spieledistribution zu schärfen. Dank eines großen Angebotes an Spielen, den regelmäßigen Sales sowie einem guten Service (Updates, SteamWorks, stabile Server) wird Steam von vielen Spielerinnen und Spieler, die ja auch allesamt Kundinnen und Kunden sind, weniger als Kopierschutz, sondern als Bereicherung wahrgenommen. Ähnliches versuchen ja auch Microsoft, Nintendo und Sony mit ihren jeweiligen Konsolennetzwerken, sowie EA zuletzt mit Origin. Während aber Origin einziger Mehrwert darin liegt, dass ich Mass Effect 3 spielen kann (bzw. Battlefield 3, besäße ich das), opfere ich mein Geld zwar (mittlerweile) widerwillig, aber doch regelmäßigen auf dem vom Opferblut von warmen und dampfenden Altar von Steam.

Also: statt ausfallender Server, Spyware durch Drittsoftware oder nerviger Online-Registrierungen (von Online-Pässen usw. ganz zu schweigen) würde ich mir mehr Service von den Vertreiber*inn*en und den Entwickler*inn*en wünschen. Und mehr Ehrlichkeit von Seiten der jeweiligen PR-Abteilungen, nicht ein derartiges Rumgeiere wie bei SimCity.
Übrigens: Dass es auch ganz ohne DRM geht, beweisen die Leute von GOG.com. Dort findet mensch alte Spieleklassiker gegen wenig Geld, mit digitalen Handbüchern und teilweise anderen Boni. Alles ohne Kopierschutz. Es gibt dort auch immer mehr neue Spiele, wie beispielsweise die Witcher-Serie. Die hat es übrigens auch ohne Kopierschutz zu so ordentlichen Verkaufszahlen geschafft, dass die Entwickler*inn*en vom polnischen CD Projekt einen dritten Teil programmieren.