Die Gamer-Community ist unglaublich emotional. Nein, das wird kein #GamerGate-Ausflug. So weit müssen wir (diesmal) überhaupt nicht gehen. Wir Gamer regen uns gerne über jeden Scheiß auf. Erinnern wir uns an die Watch-Dogs-E3-Affäre. Natürlich ist es nicht die feine Art den Konsumenten anzulügen, doch die anschließende Berichterstattung und Rezeption dieses Faux Pas hatte nichts mehr mit Journalismus zu tun. Ubisoft wurde nicht sachlich kritisiert, sondern wie die Sau durchs Dorf getrieben. Sicher waren sie selbst daran Schuld, dass es überhaupt dazu kam, doch gleichzeitig spiegelt die Reaktion der lauteren Stimmen eine gewisse… sagen wir “pubertäre Weltanschauung” wider.

“Watch Dogs”, der Ubisoft-Bastard (mehr dazu später), ist trotzdem das beste Beispiel, um die derzeitig negative öffentliche Wahrnehmung Ubisofts zu erklären. Natürlich ist “Assassin’s Creed” die Spitze der Phalanx der vorgeworfenen Einfallslosigkeit und wird das Schlussargument dieses Textes untermalen. Doch anhand von Aussagen zu “Watch Dogs” lässt sich all das öffentlich erkennen, was wir “AC” und vielen anderen Videospielreihen dieser Tage vorwerfen. Die zwei Kritikpunkte, die wir uns in erster Linie anschauen möchten sind Franchising und vermeintliche Qualitätskontrolle.

Via Flickr By Wally Gobetz

RevolutionDa hilft auch die Revolution als Thematik nicht viel. AC ist spätestens seit “Brotherhood” kein auf  spielerische Innovation ausgerichtetes Produkt mehr.

Fortsetzung folgt…

Während der vielen, vielen Ankündigungen zu “Watch Dogs” ließ sich Tony Key (Senior Vice President of Sales and Marketing) zu einer Aussage hinreißen, die bei jedem guten PR-Manager zu spontanem Schluchzen führt. “Keine Fortsetzung? Keine Entwicklung!”, war die zusammengefasste Kernaussage Keys. Nun muss aus wirtschaftlicher Sicht festgehalten werden, dass solcherlei Aussagen für Shareholder einer solchen Firma natürlich äußerst schmackhaft sind. Anhand Zahlen wie jenen der AC-Reihe kann ein gewisser Cashflow prognostiziert werden, der dank einer Pre-Order-Kultur und Preis treibenden Limited Editions weiterhin maximiert werden kann. Aus wirtschaftlicher Sicht ist ein Videospielentwickler genauer gesagt ein Idiot, wenn er nicht so arbeitet wie Key es beschreibt.

Nun gibt es jedoch ein Problem mit dem Konzept von Fortsetzungen, wenn man dem geläufigen Prinzip von Fortsetzungen folgt. Dieses besagt in der Regel, dass es mehr vom Gleichen gibt: eine bei manchen Reviewern wie Ben “Yahtzee” Croshaw schon dogmatische Ausmaße annehmende Kritik. Ich bin in der Regel ein Freund von Fortsetzungen. Doch um hochnäsig zu klingen, bevorzuge ich das aristotelische Prinzip des Mittelwegs (hier Link?), welches wir isoliert von seiner eigentlichen Bedeutung heutzutage für die Aussage “nicht zu viel und nicht zu wenig” benutzen. Ein unfertiges System (und das bezeichnet ausnahmslos jedes Spiel für jetzt und für immer) in Spielen kann durch Fortsetzungen sinnvoll erweitert werden. “Starcraft”-Fans und mit Abstrichen Fans von Ken Levines “-shock”-Games und GTA wissen was gemeint ist.

Wenn ein System jedoch im wahrsten Sinne des Wortes nicht viel mehr als gepatched wird, dann findet schnell eine Übersättigung statt. Das ist aus finanzieller Sicht im Angesicht von Angebot und Nachfrage kein Problem, da viele Menschen wöchentlich mindestens ein mal bei McDonalds essen können. Und genau so können viele Menschen immer wieder auf das gleiche Spielprinzip zurückgreifen und brauchen keine großartige Entwicklung des Spieldesigns Und es ist kein Verbrechen das immer gleiche Prinzip in marginal veränderter Form zu wollen. Niemand  bestraft oder verurteilt solche Menschen. Unangenehm und nervtötend wird es für Außenstehende allerdings, wenn sie von Fans und Entwicklern gleichermaßen mit unglaublichen Erwartungshaltungen bombardiert werden. Nein, ein Spiel welches seinen Vorgänger bis auf einige Politur kopiert ist nun mal nichts Besonderes. Bitte hört auf von einer imaginären Revolution zu sprechen…

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Damit kämen wir zum zweiten Aspekt der Dissonanz zwischen dem, was  Ubisoft der Öffentlichkeit verkaufen möchte und was sie in Wirklichkeit tun. Ursprünglich sollte “Watch Dogs” die neue Konsolengeneration qualitativ hochwertig einläuten. Spätestens als klar war, dass es auch Versionen für die “Last Gen” geben wird, war allen, die ihr Hirn anstrengten klar, dass es sich um ein Cross-Projekt handelt, welches notwendigerweise nicht das volle Potenzial der neuen Rechenkraft ausschöpfen kann. Dann wurde der Titel jedoch auch noch verschoben und die Erklärung dazu war das nötige Feilen an der Qualität.

Abgesehen von dem Problem, dass viele Menschen längst ihre Konsole samt “Watch Dogs” vorbestellt hatten, war die Extra-Politur des Titels auch nicht der Rede wert. Hübscher oder flüssiger als die PS4-Version des vierten “AC”-Teils war der Titel nicht und schlimmer noch, ließ sich der Titel schnell als das oben besagte Frankenstein-Monster enttarnen. Spielmechaniken aus “Splinter Cell”, “Far Cry 3” und “Assassin’s Creed” wurden etwas uninspiriert, aber handwerklich solide eingesetzt. Solide. Da liegt die Betonung, denn “Watch Dogs” hat sich nach etwas Grafik-Hurerei schnell als gutes Mittelmaß offenbart. Gameplay? Okay. Story? Nicht der Rede wert. Innovationen? Fehl am Platz.

Dieses Spiel hat nicht ein mal in Ansätzen probiert etwas Besonderes zu sein. Im Gegensatz zu “Assassin’s Creed” und “Far Cry”, die wenigstens noch einige eigene Elemente ins Games-Geschehen brachten, ist “Watch Dogs” nichts weiter als eine schlicht berechnete Formel dessen, was alle Leute geil finden sollten. Das wurde jedoch nicht aufgrund einer eigenen Vision, sondern rein aus Fokusgruppenforschung ermittelt.

By Waldemar Witt aka Invisible Kid

sequels2Na, wer erinnert sich noch daran? Übrigens gibt es je nach Ansicht bereits über 10 Titel seit 2007. Do the math!

Die unendliche Geschichte

Und inmitten dieses finanzorientierten Gewirrs befindet sich auch “Assassin’s Creed”, welches zusammen mit den EA-Sports-Titeln und den nahezu jährlichen Shootern gar nicht dafür auf den Markt geworfen wird, um sich weiterzuentwickeln. Es gibt nichts Langweiligeres als ein neues “Fifa” unter die Lupe zu nehmen. Man weiß grob was man als Spieler bekommt. Ehrliche Gamer wissen, dass sie sich nicht viel mehr als ein Update kaufen. Hier und da ein Kniff ist nach heutigen Maßstäben nun einmal kein neues Spielerlebnis mehr.

Genau wie z.B. “Fifa” und “Call of Duty” ist “Assassin’s Creed” längst (unserer Meinung nach spätestens mit “Revelations”) längst zu solch einer Art Titel geworden. Eine Art von Titel, die intern und unter Kennern längst als Teil der Maschinerie und Industrie verstanden wird. Diese Titel sind die sichere Einnahmequelle, die das Bedürfnis vieler Spieler zufriedenstellen, das Gleiche noch mal tun zu können, ohne dass es sich wie eine komplette Wiederholung anfühlt.

Dabei ist das wichtigste an diesem Argument (aus der Perspektive dieses Artikels), dass “Call of Duty” und “Fifa” im Normalfall ein Qualitätssiegel sind. Es handelt sich stets um technisch recht hochwertige Spiele, die in ihrem Genre nichts Besonderes, dafür aber einen gewissen Standard darstellen. Nicht umsonst ist die Grafik so oft das entscheidende Thema bei den Präsentationen der genannten Spielereihen. Es geht um die Show und die Illusion, die uns Spielern dabei hilft, den Kauf des neuen Teils vor uns zu rechtfertigen. Zumindest in so kurzen Abständen. Und das System scheint zu funktionieren. Nur bitte rede sich niemand ein, dass eine Routine über eine solche Dauer ohne großartige Entwicklung noch eine außergewöhnliche Hochachtung verdient.