Als  hätten sich Telltale Games und Quantic Dream abgesprochen, werden wir aktuell mit gleich zwei Videospielen konfrontiert, die a) für viel Aufsehen sorgen und b) dem Genre “interaktiver Film” angehören. Telltale sind letztes Jahr für viele überraschend bei den qualitativ fragwürdigen “Video Game Awards” (VGA) mit dem “Game of The Year”-Award für ihre Episoden-Reihe “The Walking Dead” ausgezeichnet worden. “The Walking Dead” funktioniert im heruntergebrochenen Sinne nämlich wie ein klassisches Point & Click-Adventure, welches durch Quick-Time-Events und Zeitdruck etwas dynamischer gestaltet werden soll. Jetzt kommem mit “Wolf Among Us” eine neue Reihe Telltales mit ähnlicher Mechanik und Quantic Dreams spielbarer Blockbuster “Beyond: Two Souls” als prominente Vertreter des berüchtigten Genres.

Das Point & Click-Genre hat allerdings inzwischen einen mehr als altbackenen Ruf. Telltale Games, sowie auch Quantic Dream haben über die Jahre allerdings beweisen können, dass das Einbringen von Entscheidungen mit mehr oder minder großen Konsequenzen am konsequentesten in diesem Genre verfolgt werden kann. Der Spieler wird komplett an die Hand genommen, doch dass plötzlich scheinbar große Entscheidungen am Spieler liegen, eröffnet neue Erzählperspektiven. Rettet ihr die sichere Schützin oder den einfallsreichen Nerd? Die Illusion eine individuelle Spielerfahrung zu schaffen, reizt ungemein viele Spieler.

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Samsung Motion Control

Nicht nur Bewegungssteuerung ist ein interaktives Erlebnis

Natürlich macht bei einem so simplen und oft auch passiven Gameplay eine übliche Frage die Runde. Besonders “Core”- und Arcade-Gamer fragen, ob man so eine Art von Spiel überhaupt Videospiel nennen darf. Zuallererst sollten diese kritischen Fragesteller vorsichtig sein, da es tatsächlich einen breiten, wissenschaftlichen Bereich gibt, der sich damit auseinandersetzt, was man nun tatsächlich ein Spiel nennt und welche Formen von Spiel es gibt. Auch Johannes hat sich schon in seiner “Warum Mensch spielt…”-Reihe mit dieser Frage auseinandergesetzt.

Für mich ist die Definition ziemlich simpel. Ein Spiel ist etwas an dem ich teilnehme. “Monopoly” und eine Pen & Paper-Runde sind beide eine Form von Spiel. Die interaktiven Filme wie “Beyond: Two Souls” und “Wolf Among Us” sind sehr gut mit Pen & Paper zu vergleichen. Der Spielleiter hat eine mehr oder minder feste Story für euch vorgesehen. Es ist seine Aufgabe euch durch diese Geschichte zu führen. Um dies möglichst effizient und Story gebunden zu tun, muss die Freiheit an den wirklich wichtigen Eckpunkten natürlich beschnitten werden. Diesen Weg gehen auch die hier besprochenen Spiele.

Wer “The Walking Dead” gespielt hat, der wird die emotionale Tiefe der Story kaum verneinen. Man muss schon ein Herz aus Stein haben oder Zombies todlangweilig finden (hahaha!), um nicht mit den Charakteren zu fühlen oder sie inbrünstig zu hassen. So etwas passiert, wenn man eine richtig gute Story und glaubwürdige Charaktere hat. Bisher sind es nur diese Spiele, die ich meiner Mutter geben möchte, damit auch sie etwas von meinem Hobby hat.

Auch Adam Sessler setzte sich vor kurzem mit der ewigen Spiel-Frage auseinander

Ich weiß, dass die meisten Spiele nichts für sie sind, da sie zu hektisch sind oder nichts erzählen. Doch meine Mutter mag Geschichten. Meine Mutter mag das Theater (und das Kino). Spiele wie “Heavy Rain”, “Beyond: Two Souls” und “The Walking Dead” sind Chancen an Geschichten teilzunehmen. Ich würde mir für Menschen wie meine Mutter sogar wünschen, dass das Spiel eine Spielstufe hat auf welcher die Steuerung nochmals vereinfacht wird. Das Adrenalin und die Anspannung gehen zwar verloren, doch Casual-Gamer können sich immer noch daran erfreuen, dass sie die Story mitentscheiden dürfen.

“Core”-Gamer gähnen wahrscheinlich bereits. Aber ein wirklich gut erzähltes Spiel kann wie ein interaktives Buch sein und nicht zuletzt der verstärkte Absatz von Audiobooks zeigt, dass Menschen Geschichten nicht nur über das Lesen von Büchern rezipieren. Wenn man jetzt noch die Möglichkeit bekommt an einer Story teilzunehmen, steigt die Chance, dass man noch mehr von sich selbst in die Geschichte investiert. Man muss der Story aufmerksam folgen, da man sie voran treibt und mit gutem Pacing in entscheidungen gedrängt wird, um nicht dauernd nebenbei aufs Smartphone zu schielen.

Trotz meines anfänglichen Zweifels an “Wolf Among Us” muss ich sagen, dass ich mich freue, dass dieses Genre wieder Aufwind erlebt. Besonders dass die Telltale-Spiele als Episoden und damit wie eine Serie präsentiert werden und für wenig Geld zu haben sind, zeigt dass dieses Genre eine tolle Option für Spieler sein kann, die zwischen all dem tollen, knalligen Gameplay auch gerne mal weniger Spielen und dafür mehr Story haben wollen. Solange man davon unterhalten wird und ein gewisses Maß an Spannung und Herausforderung spürt, ist das für jemanden wie mich Spiel genug.