Oh, wie sie mir auf die Nerven gehen. Diese ganzen Leute, die damit beschäftigt sind an der Diskussions-Glut herumzupusten, damit sie das nächste Feuer entfachen können. Und letzten Endes wollen sie als Held hervorgehen, dass sie etwas gegen das selbst gelegte Problem getan haben oder zumindest nur darauf aufmerksam gemacht haben. Denn, Überraschung, nur selten gibt es Antworten für künstliche Probleme. Vielleicht sollten einige dieser falschen und falsch informierten “Helden” den Film Backdraft gucken. Viel Spaß dabei sich darin wiederzufinden.

Ich lasse gleich zu Beginn gelten, dass ich zumeist offener Verteidiger der “Final Fantasy”-Reihe bin. Ich bin jedoch der Meinung, dass ich durchaus Grund dazu haben kann, wenn es um die Behandlung weiblicher Charaktere in dieser Serie geht. Final Fantasy hat, wie ich bereits erwähnte, mehr starke und interessante weibliche Charaktere hervorgebracht, die reihenweise als Vorbilder dienen können. Besonders, dass mit dem “Princess”-Trope immer wieder klug gespielt wird, muss der Serie seit Jahren angerechnet werden.

Spätestens mit Terra aus Final Fantasy VI (1994!) hat Square eine 20jährige Tradition des weiblichen Protagonisten gestartet. Fälschlicherweise wurde lange Zeit Locke als Protagonist des Spiels gehalten, doch ähnlich wie Vaan in “Final Fantasy XII” ist er mehr Knotenpunkt für das Zusammenkommen der Gruppe. Folgt mir auf eine kleine, mit Spoilern gespickte Reise. Eine Reise, die zentral, wie auch am Rande mit interessanten Charakteren gespickt ist.

Via Flickr by Kate0

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Ist das Oettinger im Hintergrund? Immer dieses böse “Product Placement”. Ein Thema für sich…

Final Fantasy VI: Terra und Celes

Terra und Celes sind nicht nur zwei der stärksten Party-Mitglieder im Spiel, sondern auch die wichtigsten und interessantesten Figuren des Spiels. Beide beginnen das Spiel unter Kontrolle des Imperiums und sind ganz klar in eine Opferrolle gesteckt. Diese muss jedoch reflektiert betrachtet werden. Denkt an “Gladiator”, wenn Maximus als Sklave in der Arena kämpfen muss. Genau wie Maximus können die beiden Damen dem Imperium entkommen. Nur dass sie beide Hilfe von der Gruppe benötigen. Warum das in einem Rollenspiel so ist, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Zur Verdeutlichung beobachte man bitte “Mass Effect 2”, wo wirklich jedes einzelne Gruppenmitglied bei Gott Shepard zu Kreuze kriecht, weil sie es alleine nicht schaffen können. Das hat nichts damit zu tun, dass die Charaktere im Kern schwach sind, sondern dass das Spiel einen Grund für das Bestehen der Party haben muss.

Terra entpuppt sich als Überwesen aus einer anderen Welt mit so viel Kraft, die ihr Geist kaum zu kontrollieren vermag und ist ergo das mächtigste Wesen im ganzen Spiel. Es liegt letztendlich allein an ihr die Welt der Menschen und die Welt der Magie in Frieden zu einen. Dass sie dabei moralische Unterstützung braucht, mögen ihr jetzt manche (merkwürdige) Menschen als Schwäche unterstellen, doch da sind wir schon beim elendigen Auslassen des Kontexts. Die männlichen Helden funktionieren in Final Fantasy-Spielen nach genau dem gleichen Schema.

Fick den unantastbaren Helden

Cloud aus “Final Fantasy VII” sitzt irgendwann nur noch sabbernd im Rollstuhl (echt, jetzt!), während seine Party ihn umsorgt. Squall ist der Prototyp des Emos, der ein ganzes Spiel lang seine Versagensängste und soziale Inkompetenz überwinden muss und dabei regelmäßig emotional zugrunde geht. Und selbst Strahlemann Zidane aus “Final Fantasy IX” muss von seiner Gruppe aus einer Identitätskrise gerissen werden, nachdem er all die selbst gepredigten Tugenden von Freundschaft und Zusammenhalt über Bord geworfen hat.

Final Fantasy war noch nie eine Reihe die unverletzliche Helden zeigen wollte. Das ist aus dem einfach Grund so, dass solche Charaktere sich letztlich immer ein wenig hohl anfühlen (looking at you, “Good Guy Shepard”). Nicht umsonst ist der “angsty character” ein typisch japanisches Phänomen. Celes ist am Wendepunkt von “Final Fantasy VI” derart am Boden zerstört, dass sie den Freitod wählen möchte. Sie scheitert zum Glück und nach der Herz zerreißenden Szene findet sie in der Unterstützung und Freundschaft ihrer alten Kameraden den Antrieb weiterzumachen. Sie macht sich ganz allein auf den Weg durch eine völlig verwüstete Welt und trommelt die Gang wieder zusammen. Ohne Celes’ Charakterentwicklung von der unsicheren Gefangenen zur entschlossenen und auf ihre Freunde vertrauenden Frau, hätte die Truppe nie die Welt vor dem besten Hofnarr aller Zeiten retten können. Sorry, Son und Zon. Es tut mir auch wirklich leid, zag’ ich!

Via Flickr by Giuliano Garau

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Ha! Die Dose mit Kefka drauf hatte ich selbst! Viel wichtiger: TERRA IST BLOND?

Royales und heiliges Blut

Oftmals sind die zentralen Figuren der Spiele Märtyrer (Lightning, Serah, Aerith/Aeris, Yuna), die trotz des Wissens um ihr zukünftiges Verderben zum Wohl der Gruppe ihr Opfer riskieren. Gerade bei Aerith, Yuna und Lightning, in “Lightning Returns”, lässt sich sehr leicht eine Jesus-Symbolik ausmachen, da für die Sünden anderer der Tod in Kauf genommen wird, um alle retten zu können. Diese Narrative muss niemand mehr mögen als Tifas und Cindys Charakterdesign, doch es ändert nichts daran, dass wir es mit selbstbestimmten Frauen zu tun haben.

Doch auch die Prinzessinnen haben es stets in sich. Zwar bin ich kein großer Freund von “Final Fantasy XII”, doch Ashe nimmt nach dem Tod ihres Vaters und ihres Ehemanns alle Mühen auf sich, um ihr Land zurückzuerobern. Eine ähnliche Geschichte findet sich bei Prinzessin Garnet wieder, die allerdings im Laufe der Geschichte sogar zur Königin wird und immer wieder lernt, dass es aus den scheinbar vorgeschriebenen Bahnen köngilicher Abstammung auszubrechen gilt, wenn das Leben etwas wert sein soll.

Beste Nebendarstellerinnen

Yuffie aus “Final Fantasy VII” trägt die Last mit sich ein ganzes Reich wieder zu Blüte zu verhelfen und macht dabei nicht einmal vor der eigenen Party halt. Rikku (“Final Fantasy X”) macht sich bewusst zu einer offenen Gegnerin der vorherrschenden Kirche, um Menschenleben zu retten. Lulu (ebenfalls “X”) und Quistis (“VIII”) sind oftmals das Hirn der Truppe und wenn gar nichts mehr geht, bekommt die Party noch eine eiskalte Kampfamazone (Fang aus “XIII” und Fran aus “XII”). Wer sich nach Vorbildern oder positiven Beispielen sehnt, kommt hier nicht zu kurz.

Und der Clou am Rollenspielgenre ist, dass die Spielbarkeit dieser Charaktere nur Nebensächlich ist. Oft sind sie nur Avatar für eure Position auf der Karte. Die Kämpfe haben keinen Charakter und gerade bei Final Fantasy sind die Zwischensequenzen oftmals bezeichnender als die Fähigkeiten in Zufallskämpfen. Außerdem handelt es sich bei Final Fantasy-Geschichten um streng lineare Erzählungen. Zwar gibt es manchmal verschiedene Reihenfolgen von Quests, aber ihr habt nie eine Wahl, die das Verhalten eurer Charaktere verändert. Wenn sich nun jemand beschwert, dass in “Final Fantasy XV” keine Frau dadurch, dass man sie steuern kann, frei gestaltet werden kann, hat man entweder noch nie Final Fantasy gespielt oder hat keine Ahnung wovon man redet.

Die Charaktere in Final Fantasy werden ganz allein von der Story entwickelt. Natürlich macht es zusätzlich Spaß seine Lieblingscharaktere ebenfalls nutzen zu können, doch gerade das hohe Ansehen der Bösewichte in dieser Reihe zeigt, dass die Spielbarkeit höchstens an zweiter Stelle steht.

Via Flickr by Jonathan Smith

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An einem Fakt lässt sich bei aller Kritik nicht rütteln. Lightning ist der in Japan beliebteste weibliche Charakter

Freiheit und Kontext

Und jetzt ist das Geschrei groß. Ein “Final Fantasy” nur mit männlichen spielbaren Charakteren. Allein dieser Satz ist schon falsch, da ihr nur einen Charakter steuert. Abgesehen davon stimmt es natürlich, dass eure regelmäßigen Begleiter alles Männer sind. Die Macher stehen offen dazu, dass sie einmal eine Story nur mit Männern ausprobieren wollten. Und plötzlich wird eine Kontroverse geschaffen. Eine Kontroverse, die die vorangegangenen Zeilen einfach zur Seite wischt. Es gibt keinen guten Grund eine Story allein mit Männern per se anzugreifen sowie eine Story nur mit weiblichen “Protagonisten” (wie “Final Fantasy X-2”) nicht von sich aus schlecht ist.

Es kann eine andere Dynamik erzeugt werden. Niemand kann behaupten, dass Männer wie Frauen sich nicht auch durchaus anders verhalten, wenn sie unter sich sind. Ob dieser Ansatz einen jetzt interessiert, ist erstmal völlig außen vor. Tatsache ist, dass es ein nachvollziehbares Argument ist. Und natürlich sollte nicht das Argument “künstlerische Freiheit” für “tradierten Sexismus” missbraucht werden. Aber es gibt bei der Marke “Final Fantasy” wirklich kaum Anhaltspunkte, warum die Story um vier Männer gelebte Ablehnung von Frauen ist.

Seit den ersten Trailern ist klar, dass es wieder für die Story zentrale Charaktere geben wird. Zudem ist es das erste Mal, dass wir einen Prinzen als Protagonist haben und ich lehne mich ein wenig aus dem Fenster und behaupte, dass er während der Story auch ein paar Mal gerettet und aufgemuntert werden muss. So funktioniert eine gute Gruppendynamik in RPGs. Ansonsten braucht es keine Gruppe. Und wenn diese Gruppe einmal alle 30 Jahre nur aus Männern (“XV”) oder aus Frauen (“X-2”) besteht, dann ist mir das eine im Grunde willkommene Abwechslung. Über die Ausführung lässt sich gerne streiten, nicht aber über das Prinzip.

Featured Image via Flickr by Charlie