Früher war alles besser. Früher hatten wir noch Disziplin und waren nicht so zugeknöpft. Jetzt regen wir uns über Impfungen, unsachlichen Journalismus und meistens über Videospiele und Filme auf. Wir sind das Establishment, wir sind die Glasses, die euer Leben vollgooglen und nicht mehr der anarchische Schrecken, der die Nacht durchflattert. Und trotzdem erinnere ich mich gern daran zurück, wenn ich doppelte Arbeit in Musik gesteckt habe, die ich bereits an anderer Stelle unter die Lupe genommen habe. Irgendwann hat sich der Neue Ton wie ein leicht verändertes Amazon-User-Review angefühlt und nur das Sterne-System hat noch auf sich warten lassen.

Damit ist jetzt Schluss. Wenn Musik da draußen rumschwirrt und mich anmacht, dann mach ich euch damit folgerichtig wieder dumm von der Seite an. Ich will das geschriebene “Na, öfter hier” der deutschen Musikunterhaltungsjournalismusszene sein. Ich meine, guckt euch dieses Wort einfach an. Das muss man doch lieben. Allein dass der Journalismus darin so schön untergeht, ist eine Rechtfertigung dieses Worts. Mit dem Internet ist der Netz-Journalismus gekommen und der besteht aus Kuriositätenjägern und Meinungsmachern. Und ratet mal, was jetzt auf euch zukommt.

Alles alt macht der Max

Wenn innerhalb von einer Woche gleich zwei neue Lieder von eingeimpften Lieblingsbands erscheinen, dann überkommt es einen einfach. Zumindest wenn ich dieser Eine bin. Es handelt sich dabei natürlich um den gerade aufgekommenen Muse-Track “Psycho” sowie die in Japan offiziell am 18.03.2015 erscheinende Single “Easter” der Asian Kung-Fu Generation. Wer mich kennt, weiß dass ich mich da einfach freuen muss. Ja, wahrscheinlich sogar zum Freuen zwingen muss. Denn ob wir diese Bands tatsächlich noch brauchen ist immer so die Frage.

Man sehe sich die Landau-Crazy-Deutschland-Kann-Es-Noch-Kombo Sizarr an. Nach ihrem gefeierten “Psycho Boy Happy”, wie passend, haben sie unlängst “Nurture” auf den Markt gebracht und… meh. Die Scheibe ist gut, doch es wird gleich wieder gejammert, dass es nichts Neues mehr ist. Sizarr kannte man schließlich schon vom Debüt, also ist es scheinbar nicht mehr hip genug, dass eine deutsche Band tatsächlich ihr Niveau einigermaßen halten kann.

Via Flickr by coolibrimagazin

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Über die Musik können wir streiten, das Shirt nicht. Cool.

Wenn schon nach dem zweiten Album gejammert wird, dann kann man sich ja vorstellen, was bei Muse los ist. Inzwischen lässt sich eine regelrechte Chronik ablesen, die vom langsamen Verfall der Band gekennzeichnet ist. Ich selbst bin treudoof genug und habe die Band nie großartig hinterfragt. Ich denke selbst, dass sie nach “Black Holes & Revelations” den Fokus verloren haben. Aber seien wir einfach mal fair zu ihnen und kritisch zu uns selbst. Es gibt die Band jetzt seit über 20 Jahren. Dass sich irgendwann Verbrauchserscheinungen zeigen, war doch klar.

Es ist ein wenig das Coldplay-Syndrom, welches bei Muse vorherrscht. Ein Album erscheint, es wird gefeiert und nach einem knappen Jahr erinnere ich mich nicht mehr daran. Ich habe ungelogen seit Jahren nicht mehr in “The Resistance” reingehört. Warum auch? Das Album bot keine einzige Nummer, die die Band vorher nicht schon besser gemacht hat. Stattdessen haben Muse sich spätestens auf “The Resistance” völlig übernommen und auf “The 2nd Law” dann Stilen hinterher gejagt, die für sie recht überflüssig waren. Der DubStep lässt grüßen.

Da weiß man, was man hat

Und doch ist Muse immer erfolgreich gewesen und genauer genommen immer erfolgreicher geworden. Und das liegt in meinen Augen daran, dass sich hinter ihrer Musik immer ihr ursprünglicher Stil wiederfinden ließ. Sie sind keine Entdecker neuer Rockrichtungen. Diese Chance haben sie nach “Origins of Symmetry” aus dem metaphorischen Fenster geschmissen. Sie wollten eine Rockband sein und sie wollten groß sein. Und deswegen ist es auch okay, wenn sie sich darauf konzentrieren. Das jüngst erschienene “Psycho” ist ein erster Anhaltspunkt für diese Reise zurück in die Zukunft.

“Psycho” ist genaugenommen “Uprising” ohne Doctor-Who-Gedächtnis-Synthies. Es klingt immer noch bombastisch und nach vollen Stadien, doch es geht tatsächlich mal wieder um die vier Instrumente der Band, Matthew Bellamys Stimme ist dabei selbstredend Instrument Numero 4. Und in gewisser Weise ist dieser lange, stringente Track eine kleine Offenbarung oder zumindest ein Hoffnungsschimmer auf eine solche. Der Wille sich zu reduzieren fehlt dieser Tage vielen Bands. Wenn ich Verrücktes und Neues erleben will, dann haue ich mich an Mogwai und Spaceman Spiff oder dergleichen ran.

Via Flickr by Christian c

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Kleiner Schock für Fans der Cover. Die neue Single kommt ohne Zeichnung aus.

Das Gleiche gilt übrigens für die Asian Kung-Fu Generation Single. Und an dieser habe ich genau diese merkwürdigen Ansprüche von Fan-Seite her erlebt. Ich mag diese Band, weil sie einfach immer ein bisschen anders klingt. Spätestens seit “After Dark” waren immer diverse Spielereien in Sachen Rhythmus und Melodie vorzufinden, die der Musik, in meinen Ohren, einen gewissen Schliff gaben. Jetzt hat die Band sich scheinbar noch ein bisschen mehr amerikanisiert und im Studio der Foo Fighters den wahrscheinlich geradlinigsten Track ihrer Karriere aufgenommen. Ich war fast schon entsetzt nachdem ich “Easter” das erste mal vernommen habe.

“Das ist einfach nur ein dreiminütiger Wachmacher im Rockgewand”, lautete mein enttäuschter innerer Kommentar nach dem ersten Hören. Ich war dermaßen in diesem Mindset gefangen von einer Band immer wieder einen Schritt in die Gleiche Richtung zu erwarten, dass es ein paar Tage und Hördurchgänge dauerte bis ich realisierte: “Das ist einfach nur ein dreiminütiger Wachmacher im Rockgewand.” Dabei ist nicht wichtig, dass ich immer noch das Gleiche über den Song denke, sondern wie ich über das Lied denke. So wie “Psycho” gibt “Easter” in erster Linie einen Stil, eine Richtung vor. Und die muss nicht immer neu, sondern manchmal einfach nur konsequent sein.

Apropos Konsequenz

Zum Abschluss möchten wir natürlich völlig befangen noch auf ein wunderbares Release der jüngeren Vergangenheit hinweisen. Gleich vorneweg, ja, das ist Werbung. Aber wir haben davon nichts, außer dass wir ein paar Freunden und Bekannten unter die Arme greifen wollen. Ich bin auch gerne ganz ehrlich und stehe dazu, dass die Mucke von We Changed Our Name nicht meine Tasse Tee ist. Da bin ich einfach zu zart besaitet für. Trotzdem eine dicke, fette Gratulation aus dem Zugrunde-Hause an die Band, dass ihr Album vor popkulturellen Anspielungen strotzendes “November” den Weg in die Öffentlichkeit geschafft hat.

Die Demo der Band könnt ihr übrigens kostenlos herunterladen und falls ihr euch mit dem Album nicht sicher seid, bietet Spotify die Gelegenheit sich ein Hör-Bild von den Jungs zu machen. Zwingen kann ich euch nicht, doch um es mit den weisen Worten unseres ehemaligen Mitglieds Anne zu sagen, strotzt Trier nicht immer vor künstlerischem Output. Das hat sich dank We Changed Our Name spätestens, Achtung Befangenheit, mit der Schöpfung der Kunstfigur Mickey Toledo getan, der erst kürzlich den Job als neuer “Wetten dass…?”-Moderator ablehnte. Er war nach “Das Spiel beginnt” schlichtweg zu verstört und außerdem bekommt den Job wahrscheinlich sowieso Emma Schweiger.

In memoriam:

Featured Image via Flickr by mayeesherr.