Ein innerer Monolog hat mir kürzlich die Laune verdorben. Das ist zugegebenermaßen ein ziemliches Luxusproblem, aber wenn es denn Anstoß genug für einen Blogpost ist, dann umso besser. Während meiner Wut-Schreiberei über Ubisofts Unlust an weiblichen Charakteren mir mir ein weiteres Argument, welches den Rahmen jedoch gesprengt hätte. Außerdem möchte ich auch gar nicht, dass all die Kritik zu sehr mit Ubisoft verbunden wird. Nachher ist dies nur Ansporn für andere Entwickler sich außen vor zu sehen.
Square Enix, für die ich gerne Augen zudrücke, hat derzeit ähnliche Probleme. Es ist bestätigt worden, dass der spielbare Cast durchgehend männlich sein wird und schon explodiert das Internet mit Sexismus-Vorwürfen und das Wort „Bro“ wird mit dem möglichst herabwürdigenden Tonfall gebraucht. In einer Nussschale sind solche Urteile sicherlich nachvollziehbar, sodass selbst der derzeitige Game Director Hajime Tabata sagt, dass ein Gender-Bias in Spielen nicht gut ist. Dass er sich für die Entscheidung seines Vorgängers Nomura gewissermaßen entschuldigt, ist für die Kritiker dieser Konstellation natürlich gefundenes Fressen. Sie ist aber ohne Kenntnis der Story äußerst hanebüchen. Warum habe ich schon in meinem persönlichen Brief an Ubisoft deutlich gemacht. Wenn eine Charakterkonstellation für eine Story durchdacht wurde und es nicht bloß um Absatzzahlen geht, dann ist das kein Problem.
Nächstes Frühjahr dürfen wir uns von der Vielfalt der Charactere in Type-0 überzeugen
„Ja, aber…“, möchte vielleicht mancher entgegnen und auf das Übergewicht männlicher Charaktere hinweisen. Und damit hat man in seiner kleinen Nussschale auch recht. Es gibt kein Gleichgewicht an spielbaren Charakteren, nicht einmal ansatzweise. Bei Final Fantasy anzusetzen ist jedoch der wahrscheinlich größte Blödsinn, den engagierte Gamer aller Geschlechter machen können. Der Grund dafür ist, dass Square Enix, bei all ihren Fehlern, mit Final Fantasy fast im Alleingang für etwas zuständig ist, was der Gameslandschaft abgeht: ikonische, spielbare Charaktere des weiblichen Geschlechts.
„Ikonisch“ wird etwas schließlich nicht durch Aussagen der Macher, sondern durch die Beliebtheit bei Außenstehenden gefestigt. Der häufige Grund, ich korrigiere, die Ausrede, warum immer wieder auf die männlichen Charaktere zurückgegriffen werden kann ist schließlich, dass Entwickler und Produzenten immer sagen können: „Wir wollen den Spielern den ikonischen Charakter X geben, den sie so sehr lieben.“ Beispiele wären Mario, Batman, Kratos, Link, der Master Chief, Nathan Drake und viele Andere. Es ist eine verfluchte Flut an männlichen Protagonisten. Was sollen wir denn auch großartig machen, wenn es keine ikonischen weiblichen Charaktere in Spielen gibt? Nun, Überraschung, es müssen erst einmal Frauen als spielbare Charaktere erfunden werden, damit sie ikonisch werden können.
Und wie viele Namen fallen uns auf Anhieb ein, wenn nicht gerade Aeris/Aerith, Lightning, Rinoa, Tifa und Yuna, Rikku und Payne (allesamt Final Fantasy) aufgezählt werden. Tomb Raider… und vielleicht Jill Valentine. So sieht es aus. Saugt euch nicht irgendwelche Indie-Spiele aus den Fingern. Da sind zwar wunderbare Beispiele, aber ikonisch kann etwas erst sein, wenn es die Massen erfasst hat. Nariko (Heavenly Sword), Jade (Beyond Good & Evil… von UBISOFT… yay… die eine mögliche Fortsetzung eingestampft haben… buh!) und die kaum spielbare Jodie Holmes in „Beyond: Two Souls“ sind die einzigen Frauen, die mir direkt in den Sinn kommen und keiner dieser Charaktere wird eine Chance auf Etablierung durch Fortsetzungen erhalten.
Schaut man ins Netz, finden sich gerne noch die Namen Samus Aran oder Chell. Chell („Portal“) ist dabei ein austauschbarer stummer Protagonist, der nie mit Namen angesprochen wird und keinerlei eigenen Charakter hat. Wer solche Vorschläge macht, sollte nochmals seine Vorstellung eines Charakters überprüfen. Gleiches gilt für Samus Aran, die den Großteil ihrer Karriere als stummer Protagonist verbracht hat und der viele Charakterzüge einfach mal zugeschrieben wurden. Und selbst Lara Croft brauchte mehr als ein Jahrzehnt um von der Wichsvorlage zu der respektablen, wenn auch viel gescholtenen Abenteurerin zu werden, die sie jetzt im Reboot ist. Gleiches gilt für Tifa, die nach einem Jahrzehnt im Film „Final Fantasy VII: Advent Children“ eine Generalüberholung bekam und vom Busen-Monster zu einer bestimmten und fürsorglichen Frau gemacht wurde.
Lara Croft ist der spielbare AAA-Höhepunkt einer Konsolengeneration: das kann nicht genug sein
Der Höhepunkt dieser Konsolengenerationen waren mal wieder NPC. Elizabeth (Bioshock Infinite), Trip („Enslaved“) und Ellie („The Last of Us“) sind ebenfalls gut geschriebene Charaktere, dürfen jedoch nicht gespielt werden (nun, Ellie darf sich eine gute Stunde durch grauenhaftes Stealth-Gameplay schlagen). Und ein NPC hat es eben doch ein gutes Stück schwerer sich in die Erinnerung zu fräsen. Ein guter Beweis dafür ist eben Lara Croft, die immer noch die klare Nummer eins unter weiblichen Vorbildern ist. Ohne ihren Namen hätte Crystal Dynamics’ „Tomb Raider“ wohl kaum als eines der meistverkauften Spiele des Jahres 2013 abgeschnitten.
Skeptiker werden sich an „Heavenly Sword“ und „Beyond Good & Evil“ aufhängen. Es ist jedoch reine Spekulation zu behaupten, dass diese Spiele aufgrund ihrer Protagonisten mäßige Verkaufszahlen vorwiesen. Bei „Heavenly Sword“ war es die Kürze des Spiels und das spielerische Leichtgewicht im Vergleich zur „God of War“-Reihe und Ubisoft hat mit aller Macht Werbung für „Beyond Good & Evil“ ausgelassen. John Carter lässt mal wieder grüßen.
Denke ich an diese Konsolengeneration zurück, dann werde ich an daran erinnert wie ich als John Marston, Cole McGrath, Batman/Bruce Wayne, Kratos, Max Payne, Nico Bellic, Trevor Phillips oder Wei Sheng gespielt habe. Ich kann noch dutzende männliche Charaktere aufzählen und auf der weiblichen Seite bleiben mir nur optional gestaltete Charaktere aus Mass Effect, Skyrim und Fallout. Und natürlich Lightning und Lara Croft. Ich weiß nicht, wie es euch dabei geht, doch ich hätte zumindest kein Problem mit etwas Abwechslung.
17/10/2014 at 14:08
Guter Artikel! Ich möchte aber zumindest darauf hinweisen, dass es noch Bayonetta gibt.
Das Spiel hat einen starken weiblicheb Protagonisten und mit Teil 2 sogar ein Sequel. Kommt zwar bei weitem noch nicht an die ganz großen ran (noch) aber die sind auf dem richtigen Weg.
Bayonetta alleine bringt natürlich denoch nicht das gewünschte Gleichgewicht.
18/10/2014 at 13:15
Bayonetta ist ein gutes Beispiel, auch wenn, verständlicherweise, hier bei vielen engagierten Gamern Bedenken aufgrund der übersexualisierten Darstellung existieren. Gerade von weiblichen Gamern aus meinem Umfeld weiß ich, dass die Darstellung bei vielen sauer aufstößt. Trotzdem ist Bayonetta natürlich ein gutes Beispiel für die andere Seite. Nämlich jene, die behauptet, dass Spiele mit weiblichem Protagonist nicht gerne gespielt werden. Leider hat sich Bayonetta ja als nicht groß genug herausgestellt, sodass Nintendo… NINTENDO! die Reihe (vorerst) zum Vertrieb aufkaufen konnte.
Danke für dein Feedback und ich würde nie behaupten, dass sich nicht durchaus positive Züge in der Industrie ablesen lassen. Jetzt wünsche ich mir nur, dass auch große Developer und Publisher hier und da ein Zeichen setzen. Und dazu vielleicht noch mehr Transparenz bei der Entstehung von Narrativen entsteht.