“Castlevania: Lords of Shadow” gehört zu den kleinen Überraschungen der ausklingenden Konsolengeneration (PS3/XBox360). Das “Reboot” – der Ausdruck Neuinterpretation erscheint weitaus angebrachter – der japanischen Videospielreihe hat die letzten Jahre in keiner großen Weise wie “Metal Gear Solid 4”, “Dark Souls” und “Fallout 3” geprägt. Allerdings hat “Lords of Shadow” eine ähnlich schwere Aufgabe wie Crystal Dynamics’ letztjähriges “Tomb Raider”-Reboot geschafft. Das Spiel hat eine einst große Serie zurück in die Erfolgsspur gebracht.

Ähnlich wie “Tomb Raider”, welches sich viel stärker als Vorgänger auf beliebte 3rd-Person-Shooter-Mechaniken konzentriert, hat Mercury Steams “Castlevania”-Reboot der eingestaubten Reihe neues Leben eingehaucht. Für viele Spieler war “Symphony of the Night” der letzte starke Konsolentitel. Allein Handheld-Versionen konnten danach noch breite Massen begeistern, bis “Lords of Shadow” auf ein mit “God of War” vergleichbares Kampfsystem setzte.

Während der folgenden Zeilen werden nur solche Details verraten, die auch über Trailer inzwischen zu sehen waren (welche für Nicht-Spieler des ersten Teils allerdings massive Spoiler darstellen werden).

Der erste Trailer offenbarte Dracula als Protagonisten und führte die reduzierte Farbpalette ein

Schöne gotische Welt

Als ich 2009 das erste Mal über den E3-Trailer auf das Reboot aufmerksam wurde, hatte das an an den wütenden Griechen erinnernde Gameplay allerdings nichts mit meiner Begeisterung für den Titel zu tun. Vielmehr offenbarte sich das Kreativteam Mercury Steams als ein Füllhorn an visuellen Ideen, die vom kleinen Chupacabra bis hin zum riesigen Titan jeder Einzelheit Charakter zu verleihen schienen. Saftig grüne Wälder, vermoderte Sümpfe und gotische Schlösser gepaart mit einem Hauch Steampunk rundeten die bis dato wohl am schönsten designte Welt in Videospielen ab.

Zur sehr ansprechenden, weil sehr individuell und abwechslungsreich gestalteten Welt gesellte sich ein wunderbarer Voicecast mit renommierten Schauspielern wie Robert Carlyle (u.a. 28 Weeks Later, Once Upon A Time) und Sir Patrick Stewart (X-Men, Star Trek: The Next Generation). Doch auch die weniger bekannten Schauspieler und Sprecher verkörpern interessante Charaktere wie das Vampirmädchen Laura und Satan höchstselbst. Dass sich auch das Gameplay erstaunlich gut gemacht hat und nicht bloß “God of War” zitierte, war ein zusätzliches Plus.

Der Fall des Erzengels

Gabriel Belmont ist DIE entscheidende Schachfigur Gottes in “Lords of Shadow”, doch statt einem glücklichen Happy End scheint für Gabriel alles verloren. Über eine letzte, unschönerweise nur über DLCs veröffentlichte letzte Aufgabe muss der Held sogar seine Menschlichkeit aufgeben, um ein schreckliches Monster vorm Eindringen in die Welt der Menschen zu verhindern. In Folge dieses Abenteuers stibitzt Gabriel die Macht des zu vernichtenden Dämons (ein bisschen so wie bei “Highlander” – nur in untot) und wird zum allseits gefürchteten Prinz der Dunkelheit: Dracula.

Als gefallen erscheinender Ritter Gottes ist die Ausgangslage von “Castlevania: Lords of Shadow 2” von Beginn an noch düsterer als schon im Vorgänger. Dies offenbart auch die (von bisher gesehenem) reduzierte Farbpalette. Schwarz, viele Grautöne und Rot bestimmen die Szenerien der gesehenen Szenen. Das mag auf den ersten Blick ernüchternd wirken, doch anstatt der Weitläufigkeit der Story des ersten Spiels, kann diese Reduktion durchaus auch einen enger gestrickten Plot versprechen.

Via Flickr by RodrixAP

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Auch die dunkle Seite der Macht kann sehr schön sein

“Castlevania: Lords of Shadow” war ursprünglich gar nicht als Teil der “Castlevania”-Reihe geplant. Das merkt man dem Spiel nicht nur wegen völlig umgekrempeltem Gameplay im Vergleich zu Vorgängern, sondern auch dem bombastischen, aber frei von typischen Castlevania-Sounds seienden Soundtrack an. Das Spiel strotzt vor Easter Eggs, die an vergangene Teile der Reihe erinnern und bekannte Namen werden komplett neu interpretiert.

Die Geschichte um Dracula ist nun ein von vornherein geplantes Konzept der Macher von Mercury Steam. Feedback und Kritik zum ersten Teil konnten angegangen werden, sodass die lineare Spielstruktur durch einen offeneren Ansatz – viele hoffen auf “Symphony of the Night”-Leveldesign – ersetzt werden soll, QTEs seltener und dem Element des Platformings die Ungenauigkeit genommen werden sollen. Ob das Spiel die spielerischen Mängel tatsächlich ausmerzen kann und die vermeintlich “offene” Spielwelt funktioniert, kann man nach Eindrücken der Demo leider noch nicht sagen.

Wenn man schon Nitzsche sinnvoll zitieren kann, kann nichts mehr schief gehen 

Demonstrative Kraft

Die “Lords of Shadow 2”-Demo ist mit 20-30 Minuten weder sonderlich kurz, noch besonders lang. In erster Linie wird das Kampfsystem um die Schild brechenden Chaos-Klauen, das Lebensenergie wieder herstellende Leere-Schwert und die Blutpeitsche (höhö!) – als Ersatz für Gabriels Combat Cross aus dem Vorgänger – vorgeführt. Kämpfe mit frei beweglicher Kamera, Möglichkeiten zu kontern oder auszuweichen und drei verschiedenen Waffen (noch ohne diverse Kombos) gestalten sich anfangs recht kompliziert, sodass man oft nicht der Gegner wegen, sondern aufgrund von eigener Unfähigkeit getroffen wird.

Hinzu kommt die Idee des “Meisterns”, welches vorsieht dass man Attacken häufig einsetzen muss um stärkere Kombos und Attacken freizuschalten. Dementsprechend soll man gezwungen werden Draculas volles Potenzial kennenzulernen. Es bleibt zu hoffen, dass die Nötigung zum Erlernen aller Attacken nicht im Weg effizienter Taktiken gegen bestimmte Gegner im Weg steht. Wenn dieses “Meistern” sich allerdings flüssig einfügt und man mehr als nur eine halbe Stunde mit dem Kampfsystem verbringt, sollten Unklarheiten allerdings schnell beseitigt werden. An und für sich ist es lobenswert, dass es teils unmöglich ist Gegner mit bestimmten Waffen zu schlagen und man das richtige Werkzeug für die bevorstehenden Aufgaben finden und nutzen muss.


Was der Demo auch ohne weiteres Rätseln fraglos gut gelingt, ist der Einsatz oben genannter Stilmittel. Draculas Schloss ist kalt und düster. Zum Zeitpunkt des Spiels in der Demo ist das Schloss selbst weitestgehend von Draculas geliebtem Blutrot befreit. Aufmerksamen Spielern wird so schnell die Einsamkeit des Fürsten der Finsternis bewusst.

Vom grandios Ehrfurcht gebietenden Design des Vampirs über die Steampunk-Elemente des Titanen gibt der Trailer bekannte Stilmittel aus dem Vorgänger zum Besten, wobei alles etwas bodenständiger und kerniger wirkt. Manch einer wird – zumindest während der Demo – die verschnörkelten Extravaganzen des Vorgängers vermissen, was anhand des Trailermaterials allerdings nicht auf sich warten lassen wird. Allein die alten “Castlevania”-Zitate wie “What is a man…” klingen während der Demo arg gezwungen und werden hoffentlich nicht in erdrückender Mehrzahl vorzufinden sein (der goldene Bogenschütze droht euch zudem: “Du… kommst nicht… vorbei!”).

“I am and will be forever a thorne in his side… THAT IS MY VENGEANCE”… suck it, Kratos

Here Comes a New Challenger!

Ob Bossfights abermals an den Kampf mit Werwolf Cornell aus dem ersten Spiel herankommen, kann zwar nur erhofft werden. Allein die Aussicht auf einen Kampf Mano-a-Mano zwischen Dracula und Alucard lässt vielen Fans jedoch bereits das Wasser im Mund zusammen laufen. Zusammen mit dem abermals episch anmutenden Soundtrack scheinen ein paar unvergessliche Kämpfe wie schon im Vorgänger garantiert. Wenn dabei der Wechsel zwischen den gegebenen Waffen und Fähigkeiten mit ins Spiel gerät und nicht bloß eine empfehlenswerte Alternative ist, könnten selbst von “Dark Souls” verwöhnte Games-Masochisten befriedigt werden.

Auch dieses Mal wird es zu “God of War”-Vergleichen kommen, doch dieses Mal könnte der Vergleich sogar zum Vorteil des Spiels sein. Komischerweise haben Gamer trotz aller Retro-Liebe dieser Tage ein Kurzzeitgedächtnis und so wird eine im besten Falle gelungene, noch frische Fortsetzung mit dem aufgebrachten “God of War: Ascension” verglichen. Wenn das Spiel jedoch tatsächlich dem Ansatz eines “Symphony of the Night” in der dritten Dimension gerecht wird, dann muss “Lords of Shadow 2” weit mehr Lob gebühren.

Die Bedenken kommen aus Richtung des schön erzählten, jedoch spielerisch umstrittenen 3DS-Ablegers “Mirror of Fate”, der den scheinbar “offenen” Ansatz als eine umstrittene Form des Backtrackings offerierte. Das Problem an dieser Kritik: “Symphony Of The Night” lebte ebenfalls von Backtracking. Es liegt also weniger daran, dass dieses Element genutzt wird, als vielmehr dem richtigen Einsatz dieser Technik.

Wenn dies und das Kampfsystem allerdings funktionieren und wir nicht durch leeres Reisen durch öde Welten (das geht an dich, “Darksiders 2”!) und eine überforderte und überfordernde Kameraführung in hektischen Kämpfen sämtlichen Spaßes beraubt werden, dann könnte das jetzt schon audiovisuelle Schmankerl zum Abschluss der PS3/XBox360-Ära auch ein Gameplay-Schwergewicht sein, welches neben “God of War 3” und “Bayonetta” als nicht ein Metzel-Spiel unter vielen, sondern etwas wirklich Besonderes herausstechen kann.

Wird es eine riesige Seifenoper oder ein episches Märchen?