Gamer, die sich dieses Jahr als “chic” oder “en mode” verstehen, schmeißen ziellos mit dem Begriff “ludonarrative Dissonanz” um sich. Hierbei geht es um die Dissonanz zwischen Erzählung einer Story und eurem Vorgehen durch das Gameplay. Wenn sich Charaktere wie Nathan Drake aus der “Uncharted”-Reihe diverse Ideale und Menschlichkeit auf die Fahnen schreibt, in Zwischensequenzen selbst die abscheulichsten Bösewichte verschont und dann im Durchschnitt mit einem Bodycount jenseits der Tausend das Abenteuer beendet, dann ist im oft zitierten Staate Dänemark und dem Rest der Welt irgendetwas faul. Die zwei wichtigsten Spiele des diesigen Jahres in dieser ganz eigenen Sparte sind deswegen das „Tomb Raider“-Reboot und „Saints Row IV“.
„Tomb Raider“ hat die Diskussion um Dissonanz zwischen Story und Spiel in den Vordergrund gerückt. Als Lara Croft schlachtet man sich mit Pfeil und Bogen, Messern diverser Art, Schusswaffen und Slo-Mo-Action-Kills durch ein Heer von Menschen, während uns in den Zwischensequenzen eine junge, unschuldige Frau mit Pragmatismus und Gerechtigkeitssinn verkauft wird. Die Story für sich gesehen ist den Machern gut gelungen und das Gameplay macht ebenso Freude. Die Kombination dieser Beiden ergibt allerdings nicht wirklich Sinn.
Scheinbar ist der Effekt sogar so haarsträubend, dass der Gamesjournalismus sich endlich diesem Punkt angenommen hat, nachdem eigentlich nahezu jedes zweite Spiel unter dieser „ludonarrativen Dissonanz“ leidet. Und wer ist meistens Schuld? Die Spieler! Indem sie die Chance erhalten eigenständig zu handeln, kommen eben oft Situationen heraus, die so nicht wirklich zur Atmosphäre passen. Da sind optionale Sidequests nur der Anfang, die zugänglich sind nachdem das Spiel einem eben noch deutlich gemacht hat, dass man jetzt sofort umgehend etwas tun sollte (der Gruß richtet sich hier an so ziemlich jedes RPG dieser Welt).
Nathan und Lara. Sympathische Sprücheklopper, Archäologen und Massenmörder.
Ein Genre das noch härter von solchen Kritikern in den Mittelpunkt gerückt wird, ist die Abteilung Sandbox/Open-World. Der Spieler bekommt außerhalb von Storymissionen die Möglichkeit mit der Welt zu interagieren. Wenn das Sandbox-Prinzip gut umgesetzt ist, dann kann man so ziemlich alles machen, was die Gameplaymechanik zulässt. Man kann stundenlang auf der Stelle stehen, die gesamte Innenstadt in Schutt und Asche legen oder der freundlichste Mitbürger aller Zeiten sein. Um es auf den Punkt zu bringen: ein Sandbox-Spiel ist nicht in der Lage den ludonarrativen Nörglern standzuhalten. Es darf diesem Standpunkt auch gar nicht gerecht werden, da jeder die Freiheit haben sollte, zwischen den Missionen den größten Irrsinn zu fabrizieren.
Deswegen geht der Preis der Unmöglichkeit an „Saints Row IV“, die schlichtweg abermals so viel Blödsinn in die Story gepackt haben, dass selbst das wahnsinnigste Verhalten eurerseits zwischen Missionen wie in die Spielewelt eingebettet wirkt. Auch wenn ich selbst kein großer Fan der Reihe bin, muss ich anerkennen, dass es ganz gut tut, wenn ein Open-World-Spiel sich schlichtweg und gekonnt(!) nicht ernst nimmt. Selbst dem hanebüchenen „Just Cause 2“ ist dies nicht derartig gelungen.
Eine Erwähnung ist zudem noch „GTA V“ wert. Auch wenn viele Spieler die Story um Niko Bellic schlüssiger und besser als die Geschichten von Franklin, Michael und Trevor finden, tut das Trio der Natur eines Sandbox-Spiels gut. Auf Twitter kann man sehr gut verfolgen, wie viele Spieler feststellen, dass sie sich entweder schwertun mit dem Psychopathen Trevor zu spielen oder direkt mit ihm zwischen den Missionen Chaos anrichten, was sie mit den anderen beiden Charakteren nicht in diesem Ausmaß tun würden. „GTA V“ schafft es uns zumindest den Hauch von Natürlichkeit in den Aktionen unserer Charaktere zu geben, wenn wir nur mitspielen. Autos klauen und Rennen fahren bietet sich mit Franklin an, Michael ist für Überfälle und Schusswechsel der richtige Mann und Trevor… ja, Trevor eben.
Gesuchter Geisterkiller: The Pac(-Man)!
Man kann nur hoffen, dass ernstzunehmende Spieler und Kritiker die Diskussion um das ludonarrative Gewäsch endlich kanalisieren und es nicht jedem zweiten Spiel um die Ohren hauen. Im Medium Videospiel geht es den Entwicklern auch oft um den Spielspaß und die Story ist mehr eine Dreingabe, die auf ihre Art den Spielspaß unterstützen soll (Hallo, „Metal Gear Rising“) und sich einen Dreck um konstante und/oder nachvollziehbare Verhältnisse zwischen Gameplay und Story kümmert.
Falls ihr diese Probleme nicht am eigenen Leib erfahren habt, dann macht ihr nichts damit falsch mit „Tomb Raider“ eines der besseren Spiele dieses Jahr zu spielen und euch trotzdem über die Dissonanz zu wundern und wer Extrembeispiele braucht, dass Gameplay und Story zusammenpassen sollen, der sollte „Saints Row IV“ anpacken und schauen, ob man sich diese Art von Kongruenz für wirklich jedes Spiel wünscht. Wenn Spieler weiterhin auf Freiheit im Gameplay bestehen, dann wird nicht immer alles passen oder wir bringen und in erzählerische Sackgassen, denn der Gutmenschen-Shooter mit vierstelligem Bodycount klingt auch weiterhin alles Andere als glaubwürdig.
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