Johannes bemerkte ja bereits, dass wir uns mitten in der Award-Season befinden. Und wie Leser*innen des Aufregers der Woche letzte Woche lesen durften, ist die Oscarverleihung zwar kein Thema das unseren lieben Kollegen anspricht, aber zumindest bei Max und mir für Diskussionen sorgt. Daher haben wir uns auch entscheiden in den folgenden Wochen hier die Filme in den Blick zu nehmen, die dieses Jahr eine Nominierung erfahren haben, auch wenn mensch sich darüber streiten kann, wie wichtig, bedeutend oder überflüssig die Acadamy Awards sind. Doch bei aller Kontroverse kann nicht abgestritten werden, dass der Oscar mehr als nur ein Preis ist, gerade weil er medial so gepusht wird. Denn immerhin hat die Vergangenheit bewiesen, dass nicht nur die Verleihung und Annahme der Trophäe politisch werden kann, sondern auch die (Nicht-)Nominierung selbst kann, zumindest in den USA, ordentlich für Diskussionsstoff sorgen. Jede*r der*die sich Filmfan schimpft spricht in dieser Zeit über die Preise und sie treten mindestens eine, wenn nicht sogar mehrere politische Debatten los.

An dieser Stelle muss ich sagen: ich liebe die Oscars. Seit dem ich 16 bin mache ich im Februar eine Nacht durch um mir das ganze live anzusehen und mit steigendem Alter verfolge ich auch die anderen Preisverleihungen soweit es meine Zeit zulässt. Warum? Weil ich einen großen Platz in meinem Herzen für witzige, herzzerreißende und/oder pathetische Reden habe und mich außerdem freue, wenn Filme die exzellent waren einen wohlverdienten Preis bekommen. Natürlich hat die Sache einen Haken. Denn das Alles ist nur dann schön und gut, wenn ein Werk, das es verdient hat, überhäuft wird, wenn aber Filme nicht einmal nominiert werden, obwohl sie episch gut waren (Schnitt und Soundtrack in Cloud Atlas!), dann kann das einem*r schon mal den Abend vermiesen. Neben dieser Sache ist es aber dieses Jahr ein anderen Punkt, der mir tierisch auf den Geist geht. Ich meine, ich finde Christoph Walz ganz großartig und seit Inglourious Basterds hat er mehrfach bewiesen, dass er gerade den Typus des humorvollen Intellektuellen mit einem Hang zum Wahnsinn sowohl in ‚gut‘ als auch in ‚böse‘ sehr schön verkörpern kann. Genau deshalb war der Oscar für SS-Standartenführer Hans Landa (meiner Meinung nach) wohlverdient. Aber warum verdammt noch mal wird ihm dieses Jahr schon wieder der rote Teppich zum Siegertreppchen ausgerollt – für genau die gleiche Rolle, geschrieben vom gleichen Autor, gedreht vom gleichen Regisseur?!

Versteht mich nicht falsch. Ich bin die letzte, die sagt, dass bestimmte Schauspieler*innen nicht mehrere Preis verdient hätten (meiner Meinung nach sollten Meryl Streep und Kate Winslet, einfach aufgrund ihrer Großartigkeit, automatisch jedes Jahr einen Preis bekommen am Besten einen, der nach ihnen benannt ist), aber wie kann die Jury einem Schauspieler fast aufeinanderfolgend eine Nominierung für – ja, nennen wir das Kind doch beim Namen – genau die gleiche fucking schauspielerische Leistung geben wie zuvor? (Wobei ja die ganze Kategorie Bester Nebendarsteller dieses Jahr vor allem dadurch glänzt, dass Leute nominiert sind die schon Oscars haben… zum Teil mehrfach). Aber ich schweife ab… immens. Eigentlich soll es hier ja um den ersten Film in der Kategorie Best Picture gehen.

Daher langer Rede, kurzer Sinn: Django Unchained, der Neue von Tarantino. Der Film kam nicht überraschend, immerhin hat Tarantino schon mehrmals seine Liebe für Italowestern formuliert. Spätestens seit Inglourious Basterds weiß man auch, dass er Fan von Ennio Morricone ist. Im gleichen Film tobte er sich auch schon in seiner üblichen zitierenden Manier in Westerneinstellungen aus. Hier ist er also, Tarantino‘s Western und was soll ich sagen, er kommt filmerisch ganz gut daher… aber!

Zum Film selbst (und an dieser Stelle ein kleiner Spoiler-Alert für die letzten Abschnitte):

Dr. Schulz (Walz), ehemaliger Zahnarzt und Kopfgeldjäger, schließt in den Südstaaten zwei Jahre vorm Amerikanischen Bürgerkrieg einen Pakt mit dem Sklaven Django (Jamie Foxx) um drei miese Halunken zur Strecke zu bringen. Die beiden bilden schließlich ein Team und jagen zusammen Verbrecher, bis sie sich zusammen auf den Weg machen um Djangos Frau aus den Fängen des Sklavenhalters Calvin Candie (Leonardo DiCaprio) zu befreien. Gerade in der ersten Hälfte wird sich viel Mühe gegeben die Charaktere Schulz und Django zu etablieren und Djangos Transformation zum Kopfgeldjäger zu verdeutlichen. Das gelingt auch ganz gut, mit den klassischen Tarantino-Elementen – lange intelligente Dialoge, die sich in roher Gewalt entladen und starke musikalische Untermalung. Außerdem wurde so ziemlich jeder bekannte Südstaaten-(Serien)-Schauspieler gecastet, den die USA zu bieten hat. Das Ganze macht Freude, Django ist Badass, Schulz glänzt mit exzellenten Monologen und Don Johnson als weißer Sklavenhalter ist so unsympathisch, dass mensch nur darauf wartet, bis Django ihm eins in Fresse haut oder in unserem Fall schießt. Bis hierhin reißt der Film mit, danach tun sich aber Längen auf. Es ist nicht so, dass mensch sich langweilt, aber irgendwie lässt sich der Eindruck nicht verwehren, dass dieser erste Teil mehr additiv als fließend mit dem zweiten Teil, in dessen Zentrum die Suche/Rettung nach/von Brunhilde (oder auf Englisch: Broomhilda) steht, verbunden wurde. Es ist der erste Moment wo mensch sich fragt: Ach kommt da jetzt noch was? Und sich gleich darauf erinnert: Stimmt, da war ja was im Trailer. Relativ schnell ist dann aber DiCaprio im Bild und die Story rollt wieder, was eine*n diese Gedanken zunächst vergessen lässt. Sobald der gute Leo aber wieder aus dem Bild verschwindet nehmen solche Gedanken wieder zu und sorgen dafür, dass alles in allem der Film einfach nicht so rund wie frühere Produktionen daher kommt.

Apropos Dicaprio, er hat einen eigenen Absatz verdient, weil: meine Fresse, war der gut! Und egal ob mensch ihn als Schauspieler mag oder nicht – In diesem Film: He nailed it! Candy ist so böse, so unglaublich verachtungswürdig böse, dass es weh tut. Fasziniert starrt mensch auf den Bildschirm und will gleichzeitig wegsehen, kann es aber nicht. So viele Emotionen löst ansonsten nur Samuel L. Jacksons Stephenson aus, der als Hausdiener die eigentlichen Fäden zieht und Candy von hinten bis vorne manipuliert. Er ist der Opportunist, der die Macht die er so hat zu nutzen weiß und somit das darstellt, was Django als the lowest im Film beschreibt, als er dazu gezwungen ist einen schwarzen Sklavenhalter zu spielen und in diesem Zusammenhang die Parallelen zum am höchsten gestellten schwarzen Hausdiener zieht. Die Schauspielerische Leistung beider Darsteller ist so gut, dass mein erster Gedanken war: Warum sind gerade diese beiden nicht nominiert?!

Ansonsten ist Django das, was mensch von einem Tarantino zu erwarten hat. Voll mit Verweisen auf andere Filme, ein Mashup verschiedener Genres, gewaltvoll und mit einem sorgfältig ausgewählten Soundtrack unterlegt (auch wenn dieser nicht so gut funktioniert wie in seinen anderen Filmen, wie Max bereits ausgeführt hat). Letztendlich lässt sich nur sagen, mochte mensch Tarantino bisher, mag mensch diesen Film auch. Wenn jemand keine Gewalt mag, sollte er*sie die Finger davon lassen, die ist genauso schlimm/explizit/übertrieben wie immer.

Trotzdem möchte ich abschließend noch auf einen anderen Punkt eingehen. Denn schließlich kann mensch nicht über Django schreiben ohne die politische Diskussion darum zu erwähnen. Mit Lincoln zusammen gehört er zu den zwei erfolgreichsten Filmen des letzten Jahres, die sich mit der Zeit der Sklaverei, einem der dunkelsten Kapitel der us-amerikanischen Geschichte, auseinandersetzen. Während Lincoln den Blick auf die ‚großen weißen Männer der Geschichte‘ wirft, wird, wie bereits erwähnt, hier der Film aus der Perspektive eines Sklaven erzählt.

Wo fang ich an? Vielleicht bei meinem Grundproblem mit Tarantinos Filmen. Tarantino hat kein Interesse an einem politischen Film; Er macht keine politischen Filme. Das zeigen die Genres, mit denen er arbeitet und sein Umgang mit historischen Kontexten. Versteht mich nicht falsch, ich sage nicht, dass er nicht trotzdem bestimmte Aspekte des entsprechenden historischen Kontextes kritisiert. Django ist ein gutes Beispiel dafür, dass mensch fassungslos dasitzt, weil es unvorstellbar ist wie dort mit Menschen umgegangen wird. Genauso grässlich ist es gefühlte tausendmal das N-wort zu hören, weil – obwohl man sich aus guten Gründen darüber streiten kann, ob das jetzt angebracht war oder nicht – es einem einen wirklich schrecklichen Eindruck dieser Zeit vermittelt. Doch gerade diese Aspekte der Kritik verlieren an Bedeutung und verschwinden wieder aus dem Empfinden des*der Zuschauer*in, wenn der Rest des Films als trashiger und/oder humorvoller Actionfilm daher kommt. Genau wie bei Inglourious Basterds nimmt sich Tarantino einen bestimmten Aspekt der Menschheitsgeschichte und nutzt dies als Folie um darauf eine Geschichte zu erzählen. Having fun ist die Zauberformel beim Besuchen seiner Filme. Z.B. der Umgang mit dem Nationalsozialismus bei den Basterds. Die Bösen dort sind Nazis und diese sind böse per Definition, genau genommen sind sie das ultimative Böse und dementsprechend haben sie es, verdient, dass man sie skalpiert und tötet. Dann kommt hier ein Gag, da ein Gag und am Ende wird alles gut, weil die Gewalt das Problem löst. Problematisch ist aber, dass mensch nicht einfach einen Film über das Dritte Reich drehen kann ohne automatisch in einem politischen Kontext zu sein. Und wenn so mit dem Nationalsozialismus umgegangen wird, wo bleibt der Respekt für die Opfer? Was ist mit der historischen Realität die dort zur Popkultur wird? Es ist nicht nur das Endresultat, was zum Fakt Nazis = Böse führt. Es sind die Taten, die dort hingeführt haben und diese waren brutale Wirklichkeit und letztendlich marginalisiert der Film diese.

So ist es nun mal auch bei Sklaverei. Klar wollte Tarantino einem anderen von ihm geliebten Genre Tribut zollen und wählt daher diese Zeit und bestimmte Stilmittel, aber das heißt trotzdem nicht, dass das politische Implikationen und vor allem die Diskussion um die Darstellung von race ausschließt. Und auch wenn er immer wieder betont, dass für ihn die Hautfarbe keine Rolle spielt, so sehen wir in Django trotzdem diese Zeit durch seine Augen und somit auch seine Vorstellung von ‚Schwarz‘ und ‚Weiß sein‘ (mehr dazu hier). Und es ist problematisch, dass die Sklaven neben Django, Stephenson und Brunhilde von Shaft sprachlos sind. Genauso ist es schwierig, dass der einzige Charakter, der Empathie für das Leben der Sklaven zeigt ein Weißer ist, weil der Hauptcharakter gezwungen ist eine Rolle (als Figur im Film) zu spielen, die das nicht erlaubt. Und auch wenn Django der Protagonist ist, der letztendlich Candyland von weißen Unterdrückern befreit, so ist es doch Schulz, der die Sache ins Rollen bringt. Das hat mich sehr stark an The Help erinnert und hinterlässt bei allem (filmerischen) Spaß einen schalen Beigeschmack beim Schauen des Films. Und letztendlich lässt sich hier die Parallele zu den Basterds ziehen. Auch wenn wir hier einen Film haben, der die Grausamkeit der Zeit aufzeigt, so ist es doch letztendlich ein popkultureller Actionspaß, der uns geboten wird und daher ist es verständlich wenn Menschen formulieren: Wo bleibt der Respekt für die Opfer der Sklaverei, für die brutale Realität dieses institutionalisierten Rassismus?

Abschließend: Hat Django Unchained einen Oscar verdient? Nein. Der Film ist in sich nicht 100 % stimmig und kann nur durch herausragende Schauspieler über Probleme im Skript hinweg täuschen. Zusätzlich ist die Adaption des Stoffes schwierig und schließlich, auch wenn Christoph Walz hier einen guten Job macht, er zeigt uns nichts, was wir nicht schon in anderen Filmen von ihm gesehen haben.