Es ist immer wieder wunderschön, sich mit Freunden an Orten zu treffen, zu schwatzen und dabei das ein- oder andere alkoholische Getränk zu verzehren. Und das alles ohne Zwang, sondern rein aus Nächstenliebe und ehrlichem Interesse am Gegenüber. Umso schwerer zu verdauen ist es dann, wenn der vertraute Saufpartner mit einem anderen vertrauten Gesprächspartner plötzlich in eine Diskussion um ein Thema gerät, welches einem selbst am Arsch vorbei geht. Zurecht ist mensch dann ein wenig beleidigt und entwirft eine Abneigung gegen das völlig sinnlos so derart arg diskutierte Motiv und nutzt die Gelegenheit für zwei Dinge: Erstens der tiefgehenden Reflexion über die eigene Abneigung gegen besagtes Thema und die Verwertungsmöglichkeiten für einen Aufreger der Woche. Und zweitens die fröhliche Ignoranz der Tatsache, dass man zehn Minuten zuvor dasselbe gemacht hat, nur statt um die Academy Awards ging es um Dark Souls, welches im übrigen ein fantastisches und tiefgründiges Spiel ist.


Besser als 90% der hier gezeigten Spiele jedenfalls! Via Zorin Denu

Die Oscars stehen also vor der Tür und alle Welt hat sich bereits das Maul über die Nominierungen zerrissen. Warum? Warum bloß ist für jede*n selbsternannte*n Filmkritiker*in diese Veranstaltung so wichtig, vor allem, da hauptsächlich us-amerikanische Filme ausgezeichnet werden? Dies liegt übrigens an den Nominierungsvorgaben, die nicht-us-amerikanische Filmen zwar nicht ausschließen, allerdings müssen diese in einem bestimmten Zeitraum in einem Kino in Los Angeles für einen mindestens sieben Tage gegen Entgelt gezeigt werden, was aufgrund der stark kommerzialisierten Kinostruktur in den USA den Zutritt für ausländische Filme zumindest stark erschwert. Hinzu kommt die Zusammensetzung der Akademie (als der Jury), welche mittlerweile aus etwa 6000 Mitgliedern besteht. Dort sind Filmschaffende und -wirtschaftler*innen vertreten sowie eine erkleckliche Anzahl an Oscar-Gewinner*innen, die größtenteils US-Staatsbürger*innen sind, da diese ja auch meist mit besagtem Filmpreis bedacht werden. Wie können so viele Leute über so viele Filme entscheiden? Und warum wird die Zusammensetzung der Jury geheimgehalten, wo doch alle anderen Filmpreise und Festivals so transparent sind und ihre Mitglieder*innen veröffentlichen? Ist die Nominierung eines Films bei so vielen Stimmen nicht viel eher ein kakophonisches Rudelbummsen bei dem sich letztlich wahrscheinlich „nur“ ein kommerziell-künstlerischer Kompromiss durchsetzt, und nicht die filmische Qualität und die Relevanz einer Geschichte?

Und wie sinnvoll waren die Entscheidung der Jury in der Vergangenheit? Welchen Aufschrei gab es 2010, als der Anti-Kriegsfilm The Hurt Locker nach einem Aufruf eines Filmproduzenten, doch für diesen kleinen Film zu stimmen anstatt für den Mega-Blockbuster Avatar, welcher die meisten Nominierungen dieses Jahres auf sich vereinte. Schließlich gewann (glücklicherweise) zwar der Film von Kathryn Bigelow (einer Frau! Die Actionfilme macht!), aber allein die Tatsache, dass ein Film mit einer solch klischeebefüllten Kackhandlung wie Avatar als „bester Film“ nominiert war, lässt mich ganz persönlich an dem künstlerischen Verständnis der Jury zweifeln. Und warum zur Hölle hat Shakespeare in Love 1999 den Oscar bekommen, obwohl der grandiose The Thin Red Line von Terence Malick nominiert war, ein Film, der den Zweiten Weltkrieg wesentlich eindringlicher darstellt als der zeitgleich erschienene Saving Private Ryan, welcher zwar durch die realistisch und „schonungslos“ gezeigte Gewalt beeindruckte, sich selbst aber immer wieder so mit Pathos zukleisterte, dass einem spätestens am Ende leicht das Erbrechen in der Speiseröhre juckte.

Alles in allem sind die Oscars wohl kaum der tatsächliche Meilenstein des zeitgenössischen Kinos, zu dem sie so hoch stilisiert werden, und eigentlich kein Grund, mit irgendjemandem in hitzige Diskussionen ob der Nominierungen zu verfallen. Werden die Preisträger*innen von Cannes so kontrovers diskutiert? Oder der Goldene Bär der Berlinale? Wohl kaum. Und warum? Wahrscheinlich liegt’s mal wieder am schnöden Mammon. Durch das ganze Brimborium um die Verleihung der Academy Awards haben die Oscars soviel Aufmerksamkeit, dass man mit dieser Auszeichnung wesentlich mehr Kohle machen kann als mit einer schnöden Goldenen Palme; oder der sogenannten „Lola“, dem deutschen Filmpreis (ja, den gibt’s wirklich).


Fuck it! Wenn’s keine gemeinfreien Bilder vom Deutschen Filmpreis gibt, dann zeig ich halt Katzen! Via hubs

Wenn Filme aber Kunst sind, so ist die Maßgabe der Qualität eines Films doch nicht die pseudo-autoritäre Entscheidung einer Jury, sondern vielmehr die Relevanz, welche ein Film (oder Kunstwerk im allgemeinen) in der eigenen Vita einnimmt. Denn wie jede gute Kunst kann ein herausragender Film das Publikum auch mit unangenehmen Themen konfrontieren und so als Auslöser für die eigene Auseinandersetzung mit diesen Themen bis hin zu Selbstreflexion dienen. Dies aber passt nicht zusammen mit dem Bild vom Film als Unterhaltungsmedium und somit kollidiert das ganze auch mit der Gewinnabsicht der Produzenten*innen. Ein Werk nämlich, dass auch unangenehme Dinge darstellt, ist nicht für jeden zugänglich, schon gar nicht für die viel zu große Masse an Menschen, die an irgendeinem Punkt ihres Lebens beschlossen haben, sich wunderbare Scheuklappen zuzulegen, sie nett von innen anzumalen und fortan derart unbeschwert und mit Blick nur auf den eigenen Weg durchs Leben zu schreiten. Weil also die Qualität eines Films vom subjektiven Standpunkt abhängt, können Filme aus unterschiedlichen Gründen besonders wertvoll sein. Während die einen beispielsweise mit dem Werk David Lynchs aufgrund seiner kryptischen Darstellungs- und Erzählweise nicht viel anfangen können (und da gehöre ich wahrscheinlich dazu), ist Lynch für die anderen ein genialer Regisseur und Autor, der sich traut, mit seinen Filmen hintergründige und hochkomplizierte Kunstwerke zu schaffen, die eben nicht beim ersten Schauen zu entschlüsseln sind.

Wie dem auch sei, um einen Film gut zu finden, braucht man keine Filmpreise. Viel eher ist dafür ein bisschen Selbstbewusstsein und auch -reflexion gefragt. Und nicht zuletzt auch ein bisschen Einfühlungsvermögen in andere Menschen und die Geschichten, die sie erlebt haben und nun mit uns teilen wollen. Diese Tugend braucht man übrigens auch in zwischenmenschlichen Beziehungen und zwischen Anni und mir gibt es mittlerweile ein Einverständnis: Sie regt sich nicht über die Oscars auf und ich rede nicht stundenlang über Dark Souls (welches immer noch ein total tolles und fesselndes Spiel ist).