Diese Woche heißt es Koffer packen und andere Seiten besuchen. Ja, ganz richtig. Der neue Ton ist ausgelaugt. Nach den Veröffentlichungen der letzten Wochen gibt es keine Perlen mehr auf welche sich der ganz und gar nicht objektive Kritiker gefreut hat. Bah, da heißt es also wieder ans Reißbrett und die unbekannten Neuveröffentlichungen sichten.

Und – Tatsache! – es gibt auch in der ersten Oktoberwoche des Jahres 2012 wieder eine Menge für was es sich lohnt echte und virtuelle Plattenregale leerzuräumen. Und das Beste ist, dass wir auch diese Woche wieder eine kleine Geschichtsstunde unternehmen dürfen. Denn neben der ewigen Elektro-Institution Schiller kommt diese Woche auch ein Erinnerungsstück an einen ganz großen Sänger in die Läden. Nein, nicht die Van Morrison-Scheibe. Ich rede von Franz Josef Degenhardt!

Der unvergängliche Ton

Ob als Liedermacher der 68er-Bewegung oder als Anwalt der Baader-Meinhof-Gruppe 1972/73: der kurz vor seinem 80sten Geburtstag verstorbene Liedermacher hat Deutschland auf seine ganz eigene Weise geprägt. Nicht viel weniger aufrührerisch als Ton Steine Scherben, aber noch mehr auf die Geschichte des Krieges hinweisend, engagierte sich Degenhardt in seiner Arbeit, sowie in seinen Texten.
Für unsere Elterngeneration wohl unvergessen und für uns hingegen ein kaum wahrnehmbarer Schatten der Vergangenheit. Es hat die CD „Freunde Feiern Sein Werk“ wirklich nicht gebraucht. Allerdings ist die Scheibe eine gute Erinnerung an einen der ganz großen, politischen Liedermacher der 70er-Jahre. Mach’s gut und danke für den Fisch auch von uns.


Papa, warum rauscht der Mann so?

Der gute Ton: Why?

Die Auswahl ist groß, da diese Woche mit Beth Hart, Absynthe Minded, Anna Depenbusch und Susanne Sundfor von Blues und Rock bis Liedermacher und Songwriter-Musik alles vertreten ist, was das ruhiger besaitete Herz begehrt. Aber so richtig aus den Socken reißt das nicht. Also werden wir mal wieder richtig hip und schauen uns nach untypischen Dingen um, die einem nicht gleich den Innenohrraum wegätzen.
Auf der Suche nach dem gewissen Etwas offenbart sich Why? als die Antwort auf alle Fragen. Hip-Hop mit durchgehend organischer Instrumentalisierung ist das Programm. Die Instrumente sind unter anderem die sonst so gescholtenen Blockflöten und Akkordeons, die sonst nur Sufjan Stevens auspackt.
Mit viel Pop im Chorus und sensibler Emotionalität statt Beats und Bitches schafft sich Why? den Zugang zu Hörern, die sonst keinen Pfifferling auf das Rhythmusgefühl von Hip-Hop geben. Da werden Erinnerungen an One T Cool T mit „The Magic Key“ wach. Da wurde Hip-Hop so sacht und optimistisch präsentiert, dass die Masse nicht anders konnte, als energisch mitzuwippen. Das weitaus interessanter instrumentalisierte Stück aus der Feder von Why? ist allerdings kein One-Hit-Album, sondern ein angenehmes Gesamtwerk voller rhythmischer und instrumentaler Schönheit.


Bilder, die betroffen machen

Töne aus der zweiten Reihe

Ebenfalls nicht zu unterschätzen sind zwei andere Vertreter, falls euch der kindlich naive Mix aus Indie-Pop und Hip-Hop nicht gefällt. Wobei es zu viel versprochen wäre, wenn ich behaupte, dass ich mich diese Woche zu weit aus der Indie/Hipster-Ecke entferne. Taken By Trees ist mit Hauchgesang und exotischen Rhythmen mit Elektro-Gewand auch nicht gerade mitten im Strom der Masse auszumachen.
Mit hawaiianischen Ideen und Inspirationen klingt Taken By Trees diesmal weitaus optimistischer als noch auf „East Of Eden“. Anstatt Pakistan und nahem Osten gibt es diesmal Wohlfühlaroma für die Hörrezeptoren.


Die Vorab-Single “Dreams” klingt entsprechend verträumt und lieblich

Wirklich exotisch wird es doch aber erst, wenn man den Krachregler aufdreht. Genau das tun Moon Duo mit psychedelischen Gitarren, die an die frivolen Zeiten unserer Eltern erinnern. Was immer die euch auch erzählen… Sie haben ALLE Dreck am Stecken! „Circles“ ist ein robust voran rockendes Album, das im El Cid- und Don Quixote-Stil einfach alles ummäht. Araber, Mühlräder und jungfräuliche Ohren geben also besser acht vor diesen Ohr-Inquisitoren. Wenn die Dandy Warhols nicht inzwischen total neben der Spur wären, dann sollten sie genauso klingen, anstatt sich an den „Bohemian Like You“-Kult zu klammern!


Zu viel Psychedelic versprochen?

Der Ton der Widervereinigung

So viel also zu ein paar der wirklich gelungenen Silberlinge des letzten Freitags. Ich mss ehrlich gestehen, dass ich mich mit meiner angekommenen Import-Version des Asian Kung-Fu Generation-Albums verlustiere und Seeed und Muse ebenfalls weiter durch die Kanäle schleuse. Falls irgendetwas untergegangen ist, was auf jeden Fall Erwähnung hätte finden sollen, dann klatscht es in die Kommentare und lasst es uns und die anderen Leser da draußen wissen. Bis nächste Woche!