„Find a cause, fall in love, write a book.“ – John Carter

Manchmal ist die Wahrheit so simpel, dass man es kaum glauben mag. Die Worte von John Carter treffen den Punkt des gleichnamigen Films genau ins Mark. Und um ein Haar hätte ich diesen Film gar nicht wahrgenommen. Es war einer dieser zahllosen, scheinbar ziellosen Ausflüge ins Internet. Ich suchte ein paar neue Informationen und Neuigkeiten über meinen Lieblings-Autor Michael Chabon (u.a. „The amazing Adventures of Kavalier & Clay“ und „The Yiddish Policemen’s Union“) in Erfahrung zu bringen. Als ich in diesem Augenblick die Entertaste betätigte, stieß ich das erste Mal in meinem Leben auf den Namen „John Carter“.

Ein Jahr später ist besagter Film als größter Finanz-Flop Disney’s in die Geschichte eingegangen. Eine 250 Millionen-Dollar-Produktion, die mit weiteren 100 Millionen, die in Werbung investiert wurden, bei weitem nicht die Kosten wieder einspielen konnte. Es gab Rücktritte bei Disney, da der Film – wie ihr vielleicht (nicht) mitbekommen habt – schlecht beworben wurde. Wer ist dieser „John Carter vom Mars“? Im Gegensatz zu einem aktuellen Hype, wie „The Hunger Games“ konnte die inzwischen 100 Jahre alte Vorlage „A Princess of Mars“ von Edgar Rice Burroughs nicht von einem solchen Zuschauer/Leser-Interesse profitieren.

E-R-Burroughs
Die meisten kennen Burroughs wohl nur indirekt. Er ist der Schöpfer der umstrittenen Kultfigur „Tarzan“ (Via Wikimedia)

Ich – in meinem blinden Fantum zum (aus meiner Sicht) nahezu unantastbaren Herrn Chabon – war begeistert von der Idee der Bücher und des Films. „John Carter“ (der Protagonist von Burroughs „A Princess of Mars“ und den folgenden Büchern der Mars-Reihe) spielt zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs. Wir erleben wie John Carter eher zufällig auf den Mars gelangt und dort allerlei Abenteuer erlebt. Ja, natürlich dreht es sich um eine Prinzessin und um Liebe. Es geht aber auch, was schon in der 1912 erschienen Vorlage ein Thema war, um Gleichberechtigung von Rassen. Eine Nuance, die keinem Zuschauer entgehen sollte, da der Film sonst wirklich als gehaltlose Action-Nummer abgeschrieben werden kann. So darf sich die Reise von John Carter auf dem roten Planeten ein waschechtes Märchen schimpfen. Mit Moral und allem drum und dran.

Die Reise auf Barsoom, wie die Marsianer ihren Planeten nennen, hat mir das erste Mal seit vielen Jahren dieses Kribbeln in der Magengrube gegeben, das ich als Kind gespürt habe, als ich das erste Mal „Star Wars“, „Stargate“ und „Dune“ (die BBC-Produktion) gesehen habe. Diese fremden Welten und Galaxien als Leser kennenzulernen und sich überraschen zu lassen, wie die Gesetze des Neulandes funktionieren. Neben der Geschichte selbst ist auch die Reise in die Filmlandschaft Teil des Abenteuers. Filme wie „Lawrence von Arabien“ werden explizit für die bildliche Reise, die sie den Zuschauern bieten gelobt. Genau solch eine Reise macht auch „John Carter“ möglich. Dabei ist es mir egal, dass es bewiesen sein soll, dass auf dem Mars kein solches Leben existiert. Für gute zwei Stunden kann ich dieses Wissen abschalten. Ich erfreue mich auch weiterhin an Menschen in Tierkostümen, die für die Gerechtigkeit kämpfen und hinterfrage das nicht!

Mars Hubble
Mars wird von seinen Bewohnern „Barsoom“ genannt. Fun Fact: Die Erde heißt „Jarsoom“ (Via Wikimedia)

Eine Reise auf einen fremden Planeten ist schön und gut. Aber ist sie genug, um sich diesen Film anzusehen? Wenn ihr Lust auf ein Abenteuer habt, wie es das letzte Mal (für mich) „Stargate“ war, dann seid ihr jetzt schon gekauft. Das Mysterium um die Erforschung fremder Planeten und derer Kulturen (und wie immer religiöser Fanatik!) ist mit Konflikten unter den Rassen des Mars, einer gemeinsamen Religion und Endzeit-Ressourcen-Probleme vollends vorhanden.

Dazu kommt eine Abenteuer-Geschichte, die ihr in ihren Einzelteilen schon kennt. Auseinandergenommen ist Burroughs Geschichte von John Carter alles, was Liebhaber von Sci-Fi und Comics in den letzten Jahrzehnten verschlungen haben. Die vielen, verschiedenen Wesen und die Prinzessin-Thematik aus George Lucas’ „Star Wars“ sind nur der Anfang. John Carter, der aufgrund der Gegebenheiten Mars’ bis zu hunderte von Metern springen kann und übermenschlich stark ist, erscheint als klare Vorlage DES amerikanischen Helden (sorry, Captain America): Superman. Die interstellaren Reisen aus „Stargate“ und der Held in einer fremden Welt, der den Bewohnern Frieden und Einheit bringen soll (ein weiteres, dickes Sorry an Pocahontas), hat die Menschen in James Camerons „Avatar“ begeistert. Huch! Ja, auch dieser Storystrang ist ziemlich genau der Barsoom-Saga entnommen worden.

Ihr seht, dass ihr wenig Neues bekommt, aber dafür auch alles auf einmal. So wirkt die Geschichte für weniger Eingeweihte auch manchmal verwirrend und man versteht (noch) nicht, warum wer gegen wen kämpft. Warum Charaktere jetzt zueinander stehen, wie sie es tun, lässt Regisseur Andrew Stanton (u.a. „Findet Nemo“ und „Wall-E“) meist zwischen den Zeilen, um über zwei Stunden langen Film, nicht weiter unnötig aufzublähen.


Der erste, nicht zu viel verratende Trailer zu John Carter

Wenn ihr die Trailer seht, mag das alles ziemlich nach Pulp und schlechtem Sandalen-Kino („Zorn der Titanen“ lässt grüßen!?) klingen und „John Carter“ ist auch bestimmt keine tiefgründige Kost. Aber es ist ein Abenteuer, das schon vor 100 Jahren kleine Jungs und Mädchen fasziniert hat und auch heute noch die Kraft hat, Leser und Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Seid ihr wirklich schon so erwachsen, dass ihr keine großen Geschichten um Liebe, Verständnis und Motivation mehr sehen wollt? Wenn ihr endlich mal wieder in ein unschuldiges, naives Märchen genießen wollt, dass euch auf eine unterhaltsame, wunderschön anzusehende Reise einlädt, dann ist „John Carter“ im Reich der Live-Action-Filme fast schon eine Ausnahmeerscheinung.

Wem der Film auch nur annähernd so gut wie mir gefällt, der sei aber schon einmal vorgewarnt. Aufgrund der angesprochenen Verluste des Films wird es mit 99,9%er Wahrscheinlichkeit (ich gebe die Hoffnung nicht auf!) keine Fortsetzung geben. Der Film endet trotzdem für sich geschlossen, lädt aber geradezu zu einer Weiterführung ein. Und Mann (und Frau)! Ihr habt ja keine Ahnung, was John Carter passiert, nachdem der Abspann rollt. Lest die (etwas altbackenen) Bücher, wenn ihr es herausfinden wollt. Spätestens dann weint auch ihr einem (Nicht-)Sequel hinterher, welches uns noch zwei weitere Filme hätte unterhalten können.

Frank frazetta savagegirl
Frank Frazetta hat die Vorstellung vieler Burroughs-Leser wirklich gemacht (Via Wikimedia)

 

John Carter – Zwischen zwei Welten

Länge: 140 Minuten

Verleiher: Disney

Release: Bereits gelaufen (März 2012)

Im Handel: Erhältlich als DVD und Blu-Ray