Initiationsriten sind wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. In Stammeskulturen – von damals bis heute – dienen sie dazu Jugendlichen den Übergang vom Kindesdasein in das Erwachsenenalter zu verdeutlichen. Den Luxus der (vermeintlich) klaren Grenzen zwischen Kind und Erwachsenem haben wir in den Industrie- und Postindustrie-Ländern nicht mehr. Unsere Kindheit und Jugend sind lang gestreckt, durchziehen mindestens zwei Jahrzehnte und uns ist selbst nicht immer klar, wie “weit” wir jetzt in unserer Entwicklung eigentlich sind. Deshalb schaffen wir uns eigene Rituale.
Als ich das erste Mal mit meinem Auto zur Schule gefahren bin, hatte ich auch so ein Ritual. Ich bin in der Freistunde mit meinem neuen alten VW Golf zu McDonalds gefahren und habe einen BigMac gegessen. Gedacht war das ganze als Demonstration meiner neu gewonnenen Freiheit. Doof nur: ich war alleine, und eine der wichtigsten Sachen bei Ritualen ist, dass sie von anderen Menschen anerkannt werden müssen. So hockte ich da bei meinem BigMac und kam mir ziemlich blöde vor, denn was ist schon besonders daran, zu McDonalds zu gehen? Zumal meine Stufe irgendwann einen Holdienst für den Fast-Food-Laden im Ort eingerichtet hatte. Der exzessive Konsum von eher mittelmäßig mundenden Burgern und latent labbrigen Pommes Frites hat mich damals so angeekelt, dass ich beschloss, nie wieder “einfach so” beim großen M zu essen.
Via Flickr, by Jennifer
Es muss ja auch niemand zu McDonalds gehen. Schon gar nicht, wenn es so leckere, vegane Alternativen gibt! (Der Burger ist vegan. Wirklich.)
Und ganz ehrlich: Der Konzern macht es mir auch recht einfach. Denn wenn ich nun überall die Werbung für den neuesten Streich des Quickservice-Systemgastronomen sehe, wird mir ein bisschen schlecht. McDonalds verkauft jetzt einen Bürger mit Bio-Rindfleisch. Keinen Bio-Burger, wohlgemerkt, denn nur das Fleisch ist Bio, Brötchen, Salat, “Käse”, all das bleibt weiterhin, nun ja, schmutziger Standard. Aber welchen Sinn macht es bitte, dass eine riesige Fast-Food-Kette mit 1.477 Filialen in Deutschland (Stand 2013) überhaupt ein Gericht anbietet, das irgendwie “Bio” ist? McDonalds ist Teil der Gastronomie-Industrie, da herrschen Standardisierung und Kosteneffizienz vor, weswegen eben nach industriellen Standards gearbeitet und verkauft wird. “Bio” passt da nicht so wirklich rein, oder?
Doch, eigentlich schon. Wenn “Bio” eben nicht mehr so wirklich ernst genommen wird. Mittlerweile hat jeder Discounter eine eigene Bio-Marke: Netto hat das wunderbar holzerhammermäßig benannte BioBio (damit es jede*r versteht), Aldi verkauft GutBio (diese Namen!) und Lidl präsentiert das “Biotrend”-Sortiment. Von denen hat jeder mehr Fillialen als McDonalds, irgendwas zwischen 2.168 (Penny) und 4.246 (Aldi). Die “Bio-Verräter” finden sich also nicht am Bahnhof, sondern in der Discounterfilliale zwei Straßen weiter.
Via Flickr, by Walmart
Bio im Supermarkt, oder “organic” bei Walmart: Wieviel Sinn macht eine Bio-Industrie?
“Bio” ist nun zu dem geworden, für das es eigentlich als Gegenentwurf diente: Die Agrarindustrie. Das Ziel war es, weg von Pestiziden und Saatgutwahnsinn, hin zu Naturverbundenheit und gesunder Ernährung zu gelangen. Bei einem Vergleich der verschiedenen Bio-Siegel mit dem “Meta-Siegel” der Europäischen Union fällt aber auf: Die EU sieht Bio etwas lockerer als beispielsweise Demeter oder Naturland. Vor allem in der Viehzucht fallen die Stallgrößen auf: Schweinen reicht laut EU 0,8 – 1,5 m² Stallfläche, Kühe dürfen schon 6m ² haben, bei Hühner passen nach EU-Recht 16 Tiere auf einen Quadratmeter. Ich stelle mir das irgendwie eng vor. Und zudem bleibt auch das schöne Zitat vom veganen Koch Björn Moschinski: “Auch der Biobauer streichelt sein Vieh nicht zu Tode”.
Den blödsinnigen Höhepunkt aber erreicht ein Artikel von Meedia: Dort wird die Werbekampagne zum McB. gelobt, die kritischen Stimmen kleingeredet. Während Kritik an der Kritik generell wenig kritisch ist, lässt einem die gezwungen positive Schlussfolgerung des Autors leicht den Mund ungläubig offenstehen. Denn dort heißt es, dass es doch gut sei, wenn McDonalds für die zeitweise größte Nachfrage nach Bio-Rindfleisch gesorgt hätte, was ja auch dazu führen würde, Bio “aus der Nische in den Mainstream zu bringen”. Ja, wo kauft der Mann denn ein? Hat der keine Augen im Schädel? Bio ist sowas von Mainstream, dagegen ist Helene Fischer ja Underground!
Via Flickr by Zachary de Gorgue
Vielleicht hätte Helene Fischer als Punkerin mehr Pailletten?
Gerade weil massenhaft Bio-Produkte zur Auslage stehen, da Bio eben industriell produziert wird, taugt das Bio-Zertifikat nicht mehr wirklich. Das Bio-Siegel der EU mag zwar ein feiner erster Schritt sein, aber wirklich nachhaltig ist auch dieser Aufkleber nicht. Denn Bio-Paprika aus spanischen Gewächshäusern haben eine CO2-Bilanz, die so tief im Keller liegt, dass sie mit Helene Fischers Punk-Band in Untergrundklubs auftreten könnte. Viel sinnvoller ist es da, vor allem auf regionale Produkte zu setzen und nicht bei den großen Discountern mit ihren langen Vertriebsketten einzukaufen. Da lohnt es sich nach Frankreich zu schauen, dort werden nämlich verstärkt regionale Produkte in Supermärkten angeboten. Ausserdem sollten wir auf das Feigenblatt-Siegel der EU verzichten und stattdessen eher die “richtigen” Bio-Produkte von Demeter, Bioland oder Naturland zu kaufen.
Aber dabei fällt auf: Bio, also wirklich ökologisch nachhaltige, biologische Landwirtschaft ist teuer. Das sieht jede*r an den Preisen von “richtigen” Bioläden wie Alnatura, Denn’s und dergleichen. McDonalds-Bio, Discounter-Bio, das ist alles ein ausgelutschtes Ritual. Für, wie auch die Damen und Herren des großen M so treffend formulieren, ein paar “Spuren von gutem Gewissen”.
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