Es gibt so viel zu berichten. So viel. Aber als geübte Medienwissenschaftler*innen und Historiker*innen wissen wir um unsere Gatekeeper-Allmacht und präsentieren euch heute unser Best-Of-Links der letzten Woche. Greifen wir nach den Sternen und setzen uns über die Regeln der Physik hinweg: Ja, wir nutzen die BILD zur Weltverbesserung!

Johannes

  • Max und ich versuchen noch immer “narrativ getriebene Erkundungsspiele” als Alternativbezeichnung für “Walking Simulators” durchzusetzten. Vielleicht hilft dabei die Abkürzung NGE? Probieren wir es doch einmal: Der Entwickler “The Chinese Room” hat vor allem mit dem Genre der NGE Erfolg gehabt. Erst “Dear Esther”, dann “Amnesia: A Machine for Pigs”, zuletzt “Everybody’s gone to the Rapture”: das Studio hat scheinbar ein Abo auf Erzählung und Erkundung. Dabei besteht das Team hauptsächlich aus zwei Menschen: Jessica Curry und Dan Pinchback. Und ein Mensch zog sich nun zurück – Jessica Curry, die viel Musik zum Beispiel für Dear Esther geschrieben hat, möchte keine Spiele mehr entwickeln. Neben ihrer Krankheit nennt sie zwei weitere Gründe: Das vergiftete Verhältnis zwischen Entwicklern und Publishern (hier speziell Sony) sowie der Sexismus in der Spieleindustrie – und auch im Games-Journalismus. Den ganzen Beitrag lest ihr auf der Seite von The Chinese Room, die Kurzfassung gibt’s auf Polygon.
  • In unseren Podcasts betone ich immer wieder, wie wichtig Indie-Spiele für die Innovation der Spieleindustrie sind. Aber “Indie” ist mittlerweile eine fast genauso inhaltsleere Bezeichnung geworden wie “Bio” im Lebensmittelbereich (mehr dazu später in der Woche). Wie es dazu gekommen ist und welche Auswirkungen das hat, schildert Rainer Sigl in einem kurzen, aber vielsagenden Essay.
  • Und weil ich mich hin und wieder und dabei viel zu oft in den verschlungenen Straßen von Cities: Skylines verliere, hatte ich sehr viel Spaß bei dieser Geschichte der Städtebausimulationen von Ars Technica.
  • Die Riesendemo gegen TTIP habe ich in Berlin hautnah miterlebt und war ziemlich baff, dass sich die Menschenmenge auf unglaubliche 2 Stunden zog. So lang war die Demo! Ein bisschen ist bei diesem Protesttaumel fast untergegangen, dass WikiLeaks den Passus zu Urheberrechten des Transpazifischen Partnerschaftsvertrags (TPP, sowas wie TTIP für Pazifikstaaten) veröffentlicht hat. Laut Electronic Frontier Foundation hat das ganze mal analysiert und befindet, dass aus Nutzersicht keinerlei positiven Regelungen getroffen werden. Es ist zu erwarten, dass die vorgeschlagenen Regelungen bei TTIP ähnlich aussehen werden.

Max

  • Erst zum Erheiternden: Ben “Yahtzee” Croshaw hat nach langer Zeit eine neue Rubrik namens “Judging By The Cover.” Es handelt sich um einen eher harmlosen Spaß, der unter manchen Gamern bestimmt mal aufkommt. Warum sehen die Cover der Verpackung eigentlich so aus? Was wollen sie uns damit sagen? Wer sich gerade sein Feierabendbier gegönnt hat, sollte genau in der richtigen Stimmung für solch erheiternden Schwachsinn sein. Für alle anderen Menschen gibt es Politik, um den Blutdruck oben und die Laune unten zu behalten.
  • Ich kann nicht automatisch davon ausgehen, dass sich genug Menschen mit Außenpolitik befassen. Ich bin auch vorbelastet, dass ich mich mit der amerikanischen Politik auseinandersetze. Und derzeit muss sich niemand schlecht fühlen, wenn man erstmal vor der eigenen Haustür kehrt. Auch wenn “wir” Deutschen unlängst bei Last Week Tonight gelobt wurden, begegnen uns tagein tagaus Vorurteile und Fehleinschätzungen von selbst erklärten “Erste Welt”-Bürgern. Normalerweise sind die Bürger-Aussagen GEGEN Flüchtlinge oder das Vermögen der Flüchtlingsaufnahme in der BILD zu verorten. Selbst wenn FAZ und Co. sich auf negative Aussagen gegenüber Union und Flüchtlingen beziehen, beziehen sie sich auf Ergebnisse von BILD-Umfragen. Selbst wenn ich meine und die Vorurteile vieler anderer Mitbürger gegenüber der BILD und vielen ihrer Lesern abstelle, möchte ich die Mathematik bemühen, um so manchem Schreihals etwas vor Augen zu führen: Ca. 225.000 Menschen haben an der BILD-Umfrage Merkel vs. Seehofer teilgenommen. Das klingt viel, wenn man die Murmel im Kopf auch sonst nur fürs Runden drehen gebraucht. Deutschland hat gut 81 Mio. Einwohner und davon haben 225.000 (wenn da nicht ein paar Mallorca-Deutsche und Co. dabei waren) an der Umfrage teilgenommen. Und bevor wir den Taschenrechner bemühen, müssen wir noch etwas abziehen. Von 225.000 sind 14% auf der “Pro Asyl”-Seite. Die 81 Mio. verrechnen sich demnach mit 193.500 Negativstimmen. Diese machen 0,238% der Gesamtbevölkerung aus. Doch sein wir noch ein wenig entgegenkommender. Beziehen wir uns nur auf die vermeintliche BILDleserschaft. Bei 10.35 Mio. Lesern haben sich demnach 1,869% gegen die Flüchtlingsaufnahme ausgesprochen. Das sind noch weniger Menschen als der Ausländeranteil in Sachsen. Diese Zahlenspielerei soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir einige fragwürdige Menschen deutsche Bürger schimpfen. Doch wisst ihr was? Zum Wochenauftakt nehme ich mir solche Zahlen aus der BILD, um mir zu verdeutlichen, dass ziemlich viele Menschen um mich herum dufte sind. Natürlich muss weiter gegen extremistische Gedanken vorgegangen werden. Dieser Post soll nicht zum Zurücklehnen verführen. Im Gegenteil: Wenn ihr euch das nächste Mal unsicher seid, denkt daran, dass der Großteil Deutschlands auf eurer Seite sein sollte.

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