Es kann nicht oft genug gesagt werden: Crowdfunding ist eine tolle Sache und gleichzeitig eine wichtige Entwicklung, auch gesellschaftlich, insbesondere aber für Videospiele. Denn in einer Zeit, die geprägt war (und noch immer ist) von Fortsetzungen und sich immer mehr gleichendend “Open World Action Adventure”-Spielen (ein mittlerweile sehr generisch benutzter Terminus), haben Spiele wie Wasteland 2, Pillars of Eternity oder FTL bewiesen, dass auch ein Leben jenseits der drei As möglich ist. Leider hat Crowdfunding aber auch ein Problem: Fairness.

Dazu müssen wir uns nochmal das Prinzip Crowdfunding für Videospiele aus der Nähe ansehen: Der Deal ist, dass ich jetzt Geld ausgebe, um später (vielleicht) ein Spiel billiger zu bekommen (und eventuell noch irgendwie in’s Spiel integriert werde, wenn ich eine unsinnige Summe Geld dafür ausgebe).
Jede*r Unterstützer*in geht dabei aber eine Art unternehmerisches Risiko ein. Denn welche Sicherheit habe ich, dass die Entwickler ihre Versprechen halten und die angekündigten Features ins Spiel einbauen? Wer garantiert mir, dass ich am Ende überhaupt ein Spiel erhalte?

Zwo – eins – Risiko!

Nun könnte mensch argumentieren: Das Risiko ist dadurch abgegolten, das ich ja gegenüber dem Ladenpreis spare. Aber was ist mit den Leuten, die mehr als zwanzig oder dreißig Euro ausgeben? Die sparen ja nicht und haben dabei trotzdem das Endprodukt ermöglicht. Speziell bei einem großen Erfolg nach der Fertigstellung ergibt sich die Frage: Wenn das Spiel soviel Geld macht, dann liegt das ja auch an meiner Unterstützung; sollte ich daher nicht auch “ein Stück vom Kuchen” abbekommen, obwohl ich nur ein paar Gramm Mehl in den Teig gemischt habe?

Und dann gibt es da noch den Fall “Investor”. Bekanntestes Beispiel ist Oculus Rift und Facebook: Nachdem Oculus mit vielen Millionen Dollar einen Erfolg auf Kickstarter feiern konnte, stieg bald Facebook als Investor ein. Deren Geld wurde durch den Kauf von Facebook fast entwertet, auch wenn weiterhin behauptet wurde, dass die Unterstützerinnen ihre Gegenleistung erhalten werden. Nur ändert solch eine Investition das Ziel eines Crowdfunding-Projektes grundlegend: Geht es vorher in erster Linie um die Umsetzung (und dann den Profit), steht nach einer Investition der Profit im Fokus. Das ändert zwar nichts am Ziel der Umsetzung, aber diese könnte durch Anpassungen an einen Massenmarkt (Mehr Profit!) herausgezögert oder noch schlimmer: Das Produkt könnte in einigen Bereichen grundlegend geändert werden.

Via Flickr, by Victoriafee

cat prank glasses_victoriafeeSo könnte sich Facebook entscheiden, dass Oculus mehr Katzencontent braucht.

Dieses Fairness-Problem zwischen großen und kleinem Kapital versucht nun eine neue Crowdfunding-Plattform zu adressieren. Bei “Fig” handelt es sich um ein Projekt des ehemaligen Geschäftsleiters von Double Fine, Justin Bailey. Der hat auch gleiche einige andere bekannte Namen in’s Boot geholt: Tim Schafer, Feargus Urquhart und Brian Fargo bringen die Erfahrungen aus ihren jeweiligen, sehr erfolgreichen Kickstarter-Kampagnen mit. Bei Fig geht es einerseits darum, eine Plattform speziell zum Crowdfunding für Videospiele zu erstellen, andererseits soll aber jede*r Ünterstützer*in die Möglichkeit haben, eine “Investition” zu leisten. Dadurch soll jede*r Backer*in auch am späteren finanziellen Erfolg des Spiels teilhaben können. Bisher geht das nur für zertifizierte Investoren mit jeder Menge Kohle in der Hinterhand, man arbeite aber daran, so Bailey, dass jede*r Mensch eine Investition leisten und später ausbezahlt werden könne.

Somit könnte Fig also zu mehr Innovation durch besseres und gezielteres Crowdfunding von Videospielen führen – die Projekte werden vor ihrer Freischaltung streng kuratiert -, gleichzeitig aber auch das inhärente Fairnessproblem im Crowdfunding mildern. Vor allem dann, wenn wie bei Ritual of the Night oder Shenmue III, die Kampagnen weniger als Realisierungsprojekt, sondern vielmehr als Machbarkeitsstudie seitens der AAA-Publisher verstanden werden. Denn damit kommen wir wieder zum Investoren-Problem, das ich oben beschrieben habe. Kickstarter ist somit zu einem weiteren Spielball der Industrie-Magnaten (EA, Sony, Mircosoft, Ubisoft etc.) verkommen.

Fokusgruppe Kickstarter

(Kurzer Exkurs am Rande: Die Tatsache, dass große AAA-Firmen Kickstarter-Projekte unterstützen, um ihre Investitionen abzusichern, lässt in mir die Frage aufkommen, wozu die AAA-Publisher dann noch diese verdammten Fokusgruppen-Tests machen? So könnte Sony beispielsweise genauso gut einen Fokusgruppentest durchführen lassen, bei dem bestimmt herauskommen würde, dass Shenmue unbedingt einen amerikanischen, weißen, heterosexuellen Helden mit tiefer Stimme und Militärvergangenheit braucht, um Erfolg zu haben. Anders gesagt: Wenn von Fokusgruppen auf Kickstarer umgeschwenkt wird, was sagt das über die Effektivität von Fokusgruppen-Test? Und vor allem: Was sagt das über die Entscheidungsfindungsstrukturen bei Sony?)

Ist Fig also die Lösung der Fairness-Probleme? Nein, sicher nicht. Aber es ist ein wichtiger Versuch, dieses Ungleichgewicht zu adressieren und in eine konkrete Plattform umzuwandeln. Egal ob Fig Erfolg hat oder nicht, es zeigt, welche massiven Schwierigkeiten beim Crowdfunding gerade herrschen. Und deshalb ist die Entstehung dieser Plattform wichtig.

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