Der erste Teil der Mad-Max-Reihe hatte 1979 außerhalb Australiens einigermaßen Erfolg. In den USA hat das Werk von George Miller und Byron Kennedy allerdings nur vereinzelt Verbreitung erfahren, im Kino lief es so gut wie gar nicht. Da aber Teil 2 ein höheres Budget haben sollte (was angesichts der circa 350.000 Dollar des ersten Teils nun wirklich keine Schwierigkeit war), musste er mehr Menschen erreichen. Um nun die Zuschauer*innen ausserhalb des fünften Kontinents nicht zu überfordern, erhielt Mad Max 2 – vor allem in den USA – den Titel “The Road Warrior”.
Für dieses unvorbereitete Publikum gibt Mad Max 2 ironischerweise genau das zuhauf, worauf sein Vorgänger verzichtete: Exposition. Der Film beginnt mit einem Voice-Over-Erzähler, der einen kurzen Abriss der Geschichte gibt: Die Welt benötigt Öl, doch als dieses immer knapper wird, kommt es zu sozialen und politischen Spannungen, die erst in Gewalt und schließlich im Krieg “zweier mächtiger Kriegerstämme” münden. Dieser Krieg verwüstet die Welt. Der Rückblick stellt dem Publikum auch Max kurz vor, warum er wurde was er nun ist und eröffnet: Die folgende Geschichte würde sein Leben verändern.
Dem Filmemacher*innen-Credo “Show, don’t tell” folgend ist eine solche Exposition nicht unbedingt die eleganteste. Aber sie gibt einen dringend benötigten Kontext sowohl in Bezug auf die Welt des Films als auch auf dessen Hauptfigur und lässt die Zuschauer*innen nicht, wie beim ersten Teil, im Regen stehen. Gleichzeitig sparen sich die Macher*innen damit auch die Mühe, eine tiefgehende Charakterisierung schreiben zu müssen, denn Max ist als fast monolithische Figur bereits eingeführt. Konsequenterweise verzichtet der Film deshalb auch auf charakterliche Tiefe bei allen anderen Figuren. Aber niemand schaut sich diesen Film an, weil sie/er eine Milieustudie erwartet, oder?
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Es geht euch doch um Autowracks, gebt es ruhig zu!
Deswegen beginnt Mad Max 2 – Der Vollstrecker (so der deutsche Titel) auch traditionell, nämlich mit einer Verfolgungsfahrt, an deren Ende viel Altmetall und etwas Benzin für Max stehen. Alle Figuren dieser Welt sind konstant auf der Suche nach Treibstoff für ihre Fahrzeuge, seien es Autos, umgebaute Hotrods, Motorräder oder krude zusammengeschraubte fahrbare Untersätze. Deshalb gerät Max auch an eine Gruppe von Öl-Nomaden, die mit einer mobilen Raffinerie den begehrten Treibstoff im Überfluss haben. Im Tausch gegen Diesel und Benzin hilft er ihnen gegen eine Banditengruppe, mit der er bereits zu Beginn des Films Bekanntschaft geschlossen hat.
Die Banditen und Öl-Nomaden verkörpern dabei zwei Gegensätze, auch optisch: Die Nomaden, gekleidet in Weiß-, Beige- und Türkis-Töne, stehen für Hoffnung, Ordnung und Vernunft, während die Banditen mit ihrem schwarzen SM-Bondage-Chique die wilde Seite der Endzeit-Menschheit darstellen. Der Banditenanführer, Lord Humungus, ist ein Muskelberg unter einer Gesichtsmaske, die sein entstelltes Antlitz verbirgt. Sein Gefolgsmann Wez kommuniziert vielfach in Rufen, Glutturallauten und hat mehr von einem wilden Tier als von einem Menschen. Dazwischen steht Max, farblich eher zu den Banditen gehörend, aber schließlich auf der Seite der “guten” Öl-Nomaden.
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Wobei “gut” dann trotzdem in riesigen Fabriken endet.
Während die Farbsymbolik relativ offensichtlich ist, muss der Film auch aus seinem historischen Kontext heraus gesehen werden. Wurde Mad Max bereits unter dem Eindruck der Ölpreiskrise von 1973 geschrieben, sitzt dem zweiten Teil auch noch die Öl-Krise von 1979/1980 im Zelluloid. Bezeichnend ist schließlich, dass die Menschen im Ödland (ein Begriff übrigens der in der Filmreihe nun erstmals auftaucht) noch immer auf der Suche nach den letzten Resten Treibstoff sind und auch schon vorher – so erzählt ja der Prolog – unfähig waren, sich vom Benzin zu lösen. Die Ironie des Films ist es dann, uns eine Menschheit zu präsentieren, die scheinbar nicht aus ihren gigantischen Fehlern gelernt hat und sich noch immer wegen Öl und Benzin gegenseitig dahinmetzelt. Zwar lässt der Film am Ende hoffen, dass das “Gute” in Form der Öl-Nomaden siegt, aber letztlich konnte sich auch diese Menschengruppe nicht den Gegebenheiten anpassen und eine neue Welt, ohne das knappe Gut Öl, aufbauen.
Damit findet sich auch der Schlüssel nach der Frage, warum Mad Max 2 tatsächlich ein “Kultfilm” geworden ist. Denn die Ölpreisschocks haben sich Menschen in den wohlhabenden Industrieländer der 1980er Jahre ins Gedächtnis gebrannt, genau wie die ständig herrschende Gefahr einer gegenseitigen nuklearen Auslöschung durch die USA und die UdSSR. In den 80ern wurde der Kalte Krieg bisweilen ziemlich heiß, als beispielsweise die Sowjetunion in Afghanistan einfiel (und die USA – es kann nicht oft genug geschrieben werden – als Antwort die Taliban quasi mitaufbauten) oder die Iran-Contra-Affäre der Vereinigten Staaten. Für das Publikum von Mad Max waren Endzeit-Szenarios also durchaus eine mögliche Realität, was deren Popularität in den 1980ern erklärt. Vor allem mit der drohenden atomaren Auslöschung setzten sich viele Künstler*innen auseinander, speziell nach dem Unglück von Tschernobyl 1986. In den USA wurde “The Day After” gezeigt, die BBC produzierte ähnliches mit “Threads“, “The Handmaiden’s Tale” handelt von religiösen Fundamentalismus nach einem Atomkrieg, in Deutschland waren Bücher wie “Die Wolke” oder “Die letzten Kinder von Schewenborn” ein Erfolg.
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Symbolbild für den Wohnort der “Die Wolke”-Autorin Gudrun Pausewang. Osthessen ist auch ohne Atomkrieg ein Ödland.
In diese rückblickend fast tragikomisch erfolgreiche Kerbe des zivilisatorischen Endes schlug Mad Max 2 mit der vollen Wucht eines V8-Motors. In publikumsgefällige Bilder verpackt zeichnet der Film ein genreprägendes Bild der Postapokalypse: Staub, Felsen, Blut und Gewalt. In Form von Max’ langsamer Annäherung an die Öl-Nomaden wird ebenfalls gezeigt, wie schwer es ist, zu Menschen Vertrauen zu finden, wenn alle verbindenden Fäden einer Gesellschaft gerissen sind. Nur zu seinem Hund und dem “Feral Kid”, das bei den Öl-Nomaden lebt, empfindet Max letztlich so etwas wie Zuneigung.
Ein Meisterwerk ist dieser Mittelteil der Trilogie bei Weitem nicht. Dafür fehlt es ihm zu sehr an Tiefe, sowohl in der Handlung als auch bei den Charakteren. Viele Sprechrollen haben noch nicht einmal ordentliche Namen, Figuren werden zum Teil als “Warrior Woman” oder “Captain’s Girl” bezeichnet. Wieder sind es die Actionszenen, die Verfolgungsjagden und Stunts, die dafür sorgen, dass Mad Max 2 seinen Zuschauer*innen im Gedächtnis bleibt. Auch die Ikonographie des Ödlands war stilprägend, genau wie der Grad an Gewalt. Das Ende der Zeit kann nur erbarmungslos sein, scheint es.
Kein Erbarmen kannte auch das reale Schicksal: Nach dem weltweiten Erfolg von Mad Max 2 verunglückte George Millers enger Freund Byron Kennedy bei einem Hubschrauberabsturz tödlich. Auf Mad Max 3 hatte George Miller deswegen keine Lust, weshalb er sich nur um die Action-Szenen kümmerte und den Rest George Ogilvie überließ. Auch der dritte Teil sollte sich popkulturell verewigen – allerdings wohl anders als gewünscht.
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