Ich bin kein Wes-Anderson-Jünger. Dies ist weder eine Entschuldigung, noch als Warnung gedacht. Nur leider ist es eine Wahrheit, dass Regisseure viel zu wenig für eine feste Feder gewürdigt werden. Wes Anderson ist wie Steven Spielberg, David Fincher oder auch mein Liebling Paul Thomas Anderson von der Sorte Regisseur, die genau weiß, wie sie ihre Filme machen wollen. Natürlich müssen diese Ansätze einem nicht gefallen, doch dass Regisseure wissen, wie sie ihren Stil mit Material zu vermischen haben, ist eine Gabe, die vielen Filmemachern abhanden kommt. Oder eben auch nur noch unregelmäßig zu Tage gefördert wird (looking at you Darren Aronofsky and Ridley Scott).

“Grand Budapest Hotel” ist nichts Neues. Das ist der bescheuert dämliche Satz, der über Wes Andersons neuesten Film gehangen wird. Dass damit lediglich gemeint ist, dass der Regisseur seinem Stil treu bleibt und mit bekannten Ideen spielt, ist den Nutzern der oben genannten Aussage wohl selbst nicht so richtig klar. Von Schauspielern wird erwartet, dass sie in unterschiedliche Rollen schlüpfen, wobei selbst das ein Klischee ist. Mit einer solchen Aussage wird nämlich der Fakt weggeredet, dass die meisten Schauspieler für gewisse Typen gecastet werden. Da gibt es hier und da die Ausnahmerolle, was gleich zu Ausrufen nach “Method Acting” führt, aber im Grunde spielen die meisten Menschen ähnliche Rollen. Und das ist in Ordnung, da ein Mensch nur eine bedingte Bandbreite haben kann.

Bei Regisseuren erwarte ich gewissermaßen jedoch ein Gegenteil. Ich erwarte eine Fokussierung. Ähnlich einem Dirigenten hat ein Regisseur einen gewissen Führungsstil. Er hat eine Vision davon, wie er gewisse Dinge darstellen möchte und ein richtig guter Regisseur weiß in meinen Augen auch, was er kann. Das nennen wir dann meistens “was er will”, doch die Wahrheit liegt woanders. Spielberg macht spätestens seit “Warhorse” die Filme die er will und zwingt ihnen teils ungelenk seinen Stil auf, wogegen ein Fincher und eben auch und besonders ein Wes Anderson wissen, dass die jeweiligen Projekte zu ihrem Stil passen. Wenn Regisseure wahllos ihren Stil ändern würden, hätten sie überhaupt kein Profil und es gäbe gar keinen Grund zu sagen, dass Regisseur X für diesen Film vielleicht besser geeignet ist als Y.

Die allumfassende Absurdität des Alltags

“Moonrise Kingdom” war mir am Ende zu abgespaced. Spätestens der Sturm, mehr möchte ich nicht verraten, hat dem Film eine für mich nicht nachvollziehbare Note hinterlassen. Zudem waren hier und da ein paar Einstellungen, die an Kultfilme der letzten Jahre erinnerten ohne im Kontext des Films den ganz großen Eindruck zu schinden. “Grand Budapest Hotel” ist zwar nicht minder überdreht, fühlt sich im Rahmen seiner Erzählung jedoch einfach besser auf den Concierge-Anzug zugeschnitten an. Die Geschichte um M. Gustave und seinen “Zögling” Zero ist ein buntes Kabinett zwischen Puppenspiel, Märchen und Samstag-Morgen-Cartoon.

Via Flickr by Tina Monumentalia

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Nicht weniger beeindruckend: die große Synagoge in Budapest

Jede Kulisse gleicht einem Puppenhaus, die Schauspieler wirken wie aufgezogen und die Dialoge kennen weder Punkt noch Komma, sondern sind ein mitreißender Fluss. Teils ist dieser Film so schnell, dass einem die Tränen aufgrund eines traurigen Momentes erst kommen, wenn man schon wieder laut auflachen muss. Und dabei hilft sich der Film darin, dass er um die grundlegendste Eigenschaft des Menschen kreist: die Menschlichkeit. Es geht um Liebe und Freundschaft, die bekanntlich schon Thomas von Aquin, gleich hinter Gott, als mit die wichtigsten Eigenschaften des Menschen nannte. Oh, Pardon. Das passiert, wenn das Semester sich gerade dem Ende zuneigt.

Doch im Ernst. Die Geschichte des Films selbst ist nicht mehr als ein Rahmen für das Schaulaufen lauter kleiner Erzählungen sowie der Vorstellung einer Riege von bunten Charakteren. Dass dieses wilde Theater mit echten Gefühlen auftrumpfen kann, ist die große Stärke dieses Werks. Und das gilt bei “Grand Budapest Hotel” mehr als je zuvor bei Anderson, da die Geschichte schlichtweg mehr Herz hat und den “Mut” hat, konventioneller zu erzählen. Durch den vergleichsweise weniger verrückten Rahmen der Geschichte, fällt Andersons Liebe zum Detail besser und mehr ins Zentrum. Die Absurdität des Alltags war selten so angenehm erfrischend und da der Film mit Wes Andersons einzigartiger Handschrift versehen wurde, braucht er sich auch überhaupt nicht anderen Filmen vergleichen zu lassen.

Monsieur Oscar

Natürlich wollen wir dabei auch der Frage nachgehen, ob ein Film über alles und nichts gleichermaßen denn einen Oscar gewinnen kann. Nun, wahrscheinlich kann er das nicht, auch wenn die BAFTA uns vom Gegenteil überzeugen wollen. Zum Glück geht es für uns auch nicht ums Hellsehen, sondern nur eine Einschätzung. Im Gegensatz zu einem im Sinkflug Regie führenden Scorsese ist Wes Anderson immer noch im Aufwind. Es wäre demnach kein Problem sein Schaffen auch jetzt schon zu würdigen, bevor er für einen vermeintlich schwächeren Film geehrt wird. Allerdings ist es eben eine “Komödie” und noch dazu wie immer “nur” der famos fantastische Stil Andersons. Also alles das Gleiche. Und es wird verdammt nochmal Zeit, dass einige ein ganzes Stück dankbarer für anhaltende Qualität auf dem Regiestuhl werden.

Via Flickr by Joel Meadows

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Ich bin einfach überglücklich, dass Madame Ronan wieder eine gute Rolle inne hatte.

Schauspielerisch sei Lord Voldemort hervorgehoben. Ich bin kein großer Fan der Harry-Potter-Filme, habe jedoch inzwischen meinen Frieden mit ihnen geschlossen. Trotzdem hat Ralph Fiennes gefühlte Jahre seiner Karriere verloren. Dass er Schauspielern kann, hat nie wirklich jemand bezweifelt, doch die Auswahl der Rollen war nicht die Glücklichste. Die Rolle des Gustave nimmt der Brite jedoch derartig überragend an, dass einem die Spucke wegbleibt. Sein Charakter scheint sich als einziger eingestehen zu wollen, dass die Welt dieses Films ein Irrenhaus ist und wandelt wie im Traum durch diesen Etappenfilm, der schlichtweg zu allen Punkten alles richtig macht.

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