Johannes und ich “streiten” gerne zivilisiert darüber, ob und inwiefern Kickstarter, Patreon und Co. eine gute Sache sind. In der Theorie kann eine großteils freie Veröffentlichungsplattform viel Kreativität hervorbringen. Es gibt jedoch auch kreative Wege, um Menschen Geld aus der Tasche zu ziehen. Kaum ein größeres Gesicht der Gamesbranche setzt sich derartig intensiv mit Kickstarter-Spielen auseinander wie Jim Sterling. Er sieht sich und jeden weiteren Gamer aller Geschlechter mit Gewissen in der Pflicht, abgrundtiefschlechte sowie aber auch positive Spiele zu vermerken.

Zensur und Gatekeeping mögen manche schreien, doch das ist ein idealistisches Argument, das mit der praktischen Relaität nicht vereinbar ist. Es gibt immer Gatekeeper. Natürlich könntet ihr selbst der Gatekeeper für alles sein, doch sehr wahrscheinlich informiert ihr euch auch sonst über Produkte, da ihr weder Zeit noch Geld habt, um alles auszuprobieren. Im Rahmen einiger Exzesse während der #Gamergate-Debatte wurde neben viel Sexismus auch wieder das undurchsichtige Techtelmechtel zwischen Publishern und Kritikern, womit die “professionellen Gatekeeper” als Lügner und Betrüger dastehen.

Via Flickr By Charles

doritos

Wer sich mit Videospielen auskennt, denkt beim Namen Geoff Keighley zwangsweise auch an Mountain Dew und Doritos. Die wecken den Tiger in dir… oder so.

Jim Fucking Sterling, son

Auch Jim Sterling durfte sich erneut Vorwürfe gefallen lassen. Bevor nun einige meinen, dass wir Jim Sterling restlos in Schutz nehmen, muss ich gleich Wind aus diesen Segeln nehmen. Wir wissen nicht mit absoluter Wahrscheinlichkeit, dass er nie etwas dergleichen getan hat, aber ja, wir glauben ihm. Nicht umsonst gab es bei Destructoid immer wieder Querelen, wenn Jim Sterling ansonsten gepriesene Titel wie “Assassin’s Creed II” und auch das zumindest durchgehend als solide betrachtete “Batman: Arkham Origins” für ihre Einfallslosigkeit und ihren Rückschritt als Fortsetzung förmlich in der Luft zerriss.

Es kommen einem bei vielen Reviewern und Review-Seiten der Gedanke, dass da etwas mit dem Bewertungssystem nicht stimmt. Ich würde dafür meistens unreflektiertes Verhalten und amateurhaft besetzte Redaktionen verantwortlich machen, aber die Verschwörungstheorie um das große Geschäft mit den gekauften Kritiken verkauft sich wohl einfach besser. Jim Sterling hatte diese Anschuldigungen satt und hat über Patreon dazu aufgerufen, ähnlich wie zum Beispiel Krautreporter, eine unabhängige Plattform zu betreiben, die dann jedoch per Abo von den Backern bezahlt werden muss.

Nach jetzigem Stand bekommt Jim Sterling von knapp 3.000 Menschen circa 10.000 US Dollar im Monat. Das ist natürlich nicht die Welt , doch das muss sie für einen Menschen auch nicht sein. Und jeder darf daran teilhaben. Bisher hält Sterling Wort und in den vergangenen Tagen gab es 18 Einträge. Dabei gibt es keine Last, welches Spiel Sterling rezensieren soll. Kein Publisher, der auf Werbung und Vorberichte, egal wie neutral gehalten, pocht. Es ist einfach nur Jim Sterling. Es geht einfach nur um Videospiele und was dieser Mann darüber denkt.

Via Flickr By dragaroo

adam sessler

Wenn ihr nicht wisst, dass das hier nicht Jim Sterling ist, dann habt ihr Nachholbedarf

Jeder hat seinen Preis

In einer Zeit von AdBlockern und Rezessionen im professionellen Journalismus sind Abonnements vielleicht nicht die Zukunft, aber scheinen zumindest eine gute Übergangsstufe zu sein. Darüber haben wir uns erst kürzlich in unserem gänzlich kostenfreien (Stand jetzt, hehehe!) Podcast unterhalten. Ich persönlich bin froh, wenn Menschen wie Jim Sterling ihre Plattform bekommen und es hat mich in der jüngeren Vergangenheit traurig gemacht, dass die Querköpfe selbst in einem so jungen Journalismus-Zweig immer wieder das Leben schwer gemacht bekommen.

Sobald jemand Werbung benötigt, gilt er als gekauft und jegliche Wertungen und Aussagen werden mit leerem Gefasel gleichgesetzt. Ich heule immer noch Adam Sessler nach, der jetzt mehr in der Öffentlichkeitsarbeit ist und leider keine journalistischen Impulse mehr setzt. Jim Sterling hat für mich nicht die soziale und diplomatische Kompetenz, um wie Sessler eine tatsächliche Gemeinde zu gründen. Einen echten Zusammenhalt innerhalb der Gamesjournalisten suchen wir nämlich vergebens. Das ist allerdings eine weitreichende Krankheit im Journalismus, der immer erst zu spät Tribut gezollt wird, wenn die großen und kleinen Katastrophen bereits geschehen sind.

Und trotzdem ist es wichtig, dass mit Jim Sterling der wohl bislang größte und vielleicht auch glaubwürdigste Name über Patreon (zumindest zeitweise) selbstständig geworden ist. Sterling setzt kein Zeichen, doch er zeigt besonders uns Lesern auf, dass wir gewillt sind kleinere Beträge über sach- und fachkundige Meinungen zu unseren Hobbies zu zahlen. Auch im Internet ist dies der Fall. Es ist ein transparentes System und das ist dieser Tage sehr viel wert. Und wenn ihr nicht glücklich damit seid, dann bitte immer her mit euren Ideen, denn auch wir suchen nach einheitlicheren Lösungen.

Bis dahin bleibt uns allerdings einfach nur der höchsten Instanz an welche wir glauben zu danken. Und zwar für Menschen wie Jim Fucking Sterling, son.


Die Geschichte hinter Jims neuem Nickname “Jim Fucking Sterling son”