„The Wolf Among Us“ stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Nicht nur musste Telltales neue Point&Click-Adventure-IP der überragend aufgenommenen „The Walking Dead“-Season gerecht werden, nein, Telltale veröffentlichte nahezu zeitgleich die zweite Staffel von „The Walking Dead“ und kündigte obendrein noch einen „Borderlands“-, sowie einen „Game of Thrones“-Ableger an. Ich benutze hierbei absichtlich den Begriff Ableger, da die Telltale-Spiele nur andere Geschichten erzählen, aber stets auf den gleichen Mechaniken aufbauen.
„The Wolf Among Us“ kommt wie „The Walking Dead“ bereits ohne Rätsel aus. Ihr geht von A nach B, ihr redet mit Charakteren und habt oftmals verschiedene Antwortmöglichkeiten, die dafür sorgen, dass Charaktere den guten Kerl in euch sehen oder schnell deutlich wird, warum jedermann den großen bösen Wolf hasst. Hat das Ganze Einfluss auf die Story? Die Antwort ist wie schon im Falle von „The Walking Dead“ ein dickes, fettes NEIN. Die Entscheidungsfreiheit ist wie bei anderen Spielen dieser Sparte großes Blendwerk.
Dass man wie bei „Infamous“ tatsächlich einen neuen Strang oder eine neue Mission freischaltet, ist nie der Fall. Ihr betretet vielleicht mal einen anderen Raum oder ein unnützer Nebencharakter wird abgemurkst, aber in Wirklichkeit setzt ihr immer dasselbe Puzzle auf unterschiedliche Weise zusammen. Die „verpassten“ Informationen werden stets auf andere Weise preisgegeben oder sind so spärlich, dass sie sich für einen neuen Durchgang nicht lohnen.
Und hier noch mal der Claim: Im folgenden Text befinden sich kleinere SPOILER.
Twists auf parallelen Bahnen
Aber „The Walking Dead“ hat doch so viel Freude bereitet und wurde von allen Seiten gelobt. Das aber eben nicht aufgrund der Entscheidungsfreiheit, sondern aufgrund der Situationen in die das Spiel uns befördert hat. Außerdem bestach das Zombie-Adventure durch nachvollziehbare Charaktere. „The Wolf Among Us“ zieht in beiden Kategorien leider den Kürzeren. Obwohl ich die Grundidee der auf den „Fables“-Comics basierenden Geschichte viel ansprechender als eine weitere Zombie-Dystopie, muss ich mir eingestehen, dass der Detektiv-Krimi um Bigby Wolf oberflächlicher in allen Belangen bleibt.
So farbenfroh und distinktiv die Charaktere in Fabletown auch gestaltet sind, so verhalten sie sich alle sehr durchschaubar. Das erzeugt in Verbindung mit dem anfänglichen Rätselraten um Morde und Verbrechen natürlich das Gefühl eines Noir-Films und macht sehr viel Spaß, doch spätestens nach dem Ende der dritten Episode hat das Spiel mit so vielen, und leider schnell vorhersehbaren, roten Heringen um sich geworfen, dass man einfach nur noch wissen möchte, wer der eigentliche Böse ist und warum er tat, was er getan hat.
Sherlock Wolf? Eher nicht. Wie clever ihr auch seid: Bigby darf nicht den Detektiv von Welt mimen.
Quo vadis, Telltale?
In „Cry Wolf“ kam es nun endlich zur Auflösung und inhaltlich war sie sehr schön. Dass Fabletown an der eigenen Politik und fehlerhaften Struktur zu scheitern droht thematisierte schließlich die gesamte Staffel und so sorgt der Showdown für den klassischen, bitteren Nachgeschmack. Ist der vermeintliche Antagonist nicht nur ein notwendiges Übel gewesen? Wie gedenken die Protagonisten einer solchen Situation vorzubeugen? Anstatt diesen Fragen nachzugehen endet die Staffel übrigens mit einem ziemlich überflüssigen Cliffhanger und Twist, der die Relevanz des kompletten Finales als nebensächlich erscheinen lässt. Auch der finale Schlagabtausch mit Bloody Mary ist atmosphärisch sehr unglücklich gelöst worden.
Ich bereue trotz dieser eindeutigen Kritik nicht „The Wolf Among Us“ im Sale ersteigert zu haben. Dafür hat es mir die abgesehen von den überbordenden Action-Szenen (Hurra, noch mehr Quick-Time-Events) dicht erzählte Story und die Interpretation der Märchenfiguren zu sehr angetan. Besonders Bigby ist großartig geschrieben und mimt das selbstgerechte Arschloch genauso gut wie den harten Kerl mit eine Herz aus Gold. Man muss den Charakter natürlich auch konsequent spielen, wenn Bigby nicht wie jemand mit einer Persönlichkeitsstörung auftreten soll.
Es ist kein Fehler der Geschichte, sondern dass sich die Telltale-Formel inzwischen zu leicht erkennen lässt. Ihr könnt nur einen Verdächtigen festnehmen? Die Hinweise werden euch trotzdem wieder auf die gleichen Pfade führen. Ihr versagt, wenn ihr versagen sollt und kommt als grobkörniger Haudegen nicht langsamer als ein gewiefter Schnüffler voran. Das Spiel zeigt euch stets die Grenzen auf und lässt uns das zu den besser umgesetzten Gelegenheiten glücklicherweise durch die persönliche Note vergessen. Allerdings muss die Entscheidungsfreiheit sich erzählerisch wieder konsequenter anfühlen, wenn Telltale nicht schnell auf müdes Gähnen seitens der Gamer treffen will.
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