(Featured image via flickr.com, by Sterneck)

Wie Geistesblitze nun mal so sind, treffen sie einen unvorbereitet: Ich brachte neulich meine Wäsche in den Keller, um diese dort in die Waschmaschine zu stecken. Auf dem Weg dorthin durchfuhr mich ein Gedanke: „Scheiße, ey, ich bin Magister Artium. In Politikwissenschaft!“

Da ich von meinem gesammelten Wissen momentan nur selten Gebrauch machen kann, freute ich mich umso mehr, dass vor kurzem das Spiel “Democracy 3” auf Steam im Angebot war. Da es genug Tests gibt, die sich mit “Democracy 3” als Spiel auseinandersetzen, möchte ich mit euch meine eigene Perspektive darauf teilen: die Perspektive eines Magister Artium in Politikwissenschaft.

Natürlich werde ich trotzdem bei ganz Spiel-spezifischen Dingen anfangen müssen. Zum Beispiel beim Interface. Das erschlägt einen zunächst mit lauter Symbolen in vier Farben. Ich kann mir vorstellen, dass viele Spieler*innen bereits hier den Drang verspüren auszusteigen um lieber etwas Zugänglicheres zu spielen. Wie Skyrim. Oder Civilization 5. Ich stelle aber fest: “Democracy 3” ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Grafik bei Spielen extrem wichtig ist. Nicht in dem Sinn, dass sie gut aussehen, sondern dass sie Informationen genau und gezielt vermitteln muss.

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Meine Damen und Herren: Die USA, geplagt von wilden Mobs auf den Straßen, Alkoholabhängigkeit, schlechter Luft und asozialem Verhalten (unter anderem)

Seht ihr diesen Wust an Icons? Was zunächst ziemlich einschüchternd daherkommt, entpuppt sich sehr schnell als unheimlich geniales Ordnungssystem. Denn jede „Blase“ zeigt ihre Einflüsse an, wenn mensch mit dem Mauszeiger darüber schwebt . Rot steht dabei für negativen Einfluss (in Fällen von Kriminalität ist das gut, beim Gesundheitssystem eher schlecht), grün für positiven. Klickt mensch auf eine solche Blase, werden Hintergrundinformationen, Statistiken oder, im Falle einer weißen Blase, Änderungsmöglichkeiten angezeigt.

2014-02-16_00004Dieses Bild sagt uns: Liberale (im anglo-amerikanischen Verständnis) mögen Abtreibung und Lebensmittelstandards, aber keine bewaffneten Polizisten und Obdachlosigkeit.

So wird mit einer einfachen, aber genialen Funktion Ordnung in das Chaos gebracht. Die Icons sind durchweg schlüssig gestaltet und mensch hat schnell den Überblick, welches Icon wofür steht. Ein akademisches Lob kann ich für den Umstand aussprechen, dass “Democracy 3” deutlich macht, dass in der Politik letztlich alles mit allem zusammenhängt. Denn wenn ich beispielsweise eine Luftfahrtsteuer einführe, ist das zwar gut für die Umwelt, weil weniger CO₂ ausgestoßen wird, gleichzeitig sinkt dadurch aber der Tourismus. Der wiederum unterstützt die Wirtschaft und je besser es meiner Wirtschaft geht, desto mehr Geld hat der Staat zur Verfügung. Und wenn der Staat mehr Geld hat, kann ich als sein Oberhaupt auch mehr Geld für Schulen, Krankenhäuser oder Landwirtschaftssubventionen ausgeben. Alles hängt mit allem zusammen.

2014-02-16_00006 Trotz NSA und BND: In “Democracy 3” hilft ein gut ausgerüsteter Geheimdienst unheimlich gegen Verbrechen

Die weißen Blasen stellen die eigentlichen politischen Gesetze oder Verordnungen dar, zum Beispiel die Regelungen zum Alkoholgenuss oder einzelne Steuern und ihre Höhe. Um die Reich- bzw. Tragweite eines solchen Gesetzes zu ändern, lässt sich lediglich ein Schieberegler aktivieren, wobei es meistens um die finanzielle Unterstützung geht. Bei manchen Verordnungen, beispielsweise Arbeitslosenunterstützung oder staatliche Mietkontrollen kann ich lediglich deren Höhe festlegen, weitere Optionen zu deren Ausgestaltung gibt es nicht. Linear zur Finanzierung steigen dann auch die Auswirkungen auf die verschiedenen Wählergruppen, welche in der Mitte des Hauptbildschirms angezeigt werden. Spezielle Regeln innerhalb der Gesetze, welche die Wirkung auf bestimmte Wählergruppen verstärken oder mindern können, gibt es nicht. Aus akademischer Sicht greift “Democracy 3” da etwas zu kurz. Denn natürlich ist ein Gesetz nicht allein dank seiner Finanzierung wirksam.

2014-02-16_00009Wunderbar detailliert erfährt mensch im Fokusgruppen-Bildschirm, warum einen die Bürgerinnen und Bürger scheiße finden

Ebenfalls positiv fällt mir auf, wie viel Wert auf die Darstellung der verschiedenen Wählergruppen gelegt wird. Keiner der simulierten Wähler gehört nur einer Wählergruppe an, sondern vielen verschiedenen. Der Komplexität des Wahlverhaltens einer Bevölkerung versucht “Democracy 3” somit ansatzweise gerecht zu werden. Der Haken dabei: Egal welches Land mensch spielt, ob Deutschland, die USA oder Kanada, es gibt stets nur eine gegnerische Partei, die es zu besiegen gilt. Im Grunde ist dies aber nicht schlimm, da es ja stets nur darum geht, die Wahlen zu gewinnen. Aber Elemente wie Koalitionsverhandlungen, die letztlich darüber entscheiden würden, welche Gesetze umsetzbar sind und welche nicht, wären da eine nette Dreingabe gewesen.

2014-02-16_00008Das Kabinett. Es gibt übrigens ein Achievement für eine paritätisch mit Frauen und Männern besetzte Regierung.

Um Gesetze zu erlassen oder zu ändern benötigt ein*e Politiker*in politisches Kapital. Dieses präsentiert den Einfluss, den das Kabinett (dessen Vorsitzende*r der*die Spieler*in ist) auf die Politik nehmen kann. Oder eher will. Denn sind die Minister nicht einverstanden mit dem Verlauf der Dinge, arbeiten sie weniger effizient und gewähren somit weniger politisches Kapital. Deshalb es immer wieder nötig, das eigene Kabinett umzubilden. Oder eben Gesetze zu erlassen, die vielleicht nicht dem eigenen Wunsch entsprechen, aber eine bestimmte Wählergruppe zufriedener macht (und damit auch den Minister oder die Ministerin, der/die dieser Gruppe zugeneigt ist).

So nötigt einen das Spiel immer wieder dazu Dinge zu tun, die einem widerstreben: „Schaffe ich die Todesstrafe ab? Aber dann steigt in gewissem Maße die Kriminalität, mit der ich ohnehin Probleme habe. Dann lass ich das lieber erstmal so. Kostet mich ja auch nicht viel. Und was ist mit Abtreibungen? Ich verärgere lieber die Konservativen nicht noch mehr, indem ich vielleicht die Bestimmungen dazu lockere. Am Ende wollen die mir noch ans Leder.“ Letzteres ist übrigens eine reale Gefahr. Das Spiel endet entweder mit dem Ablauf der Amtszeit (so kann der U.S.-amerikanische Präsident ja nur zwei Amtszeiten an der Macht sein), durch den Verlust einer Wahl (und damit eurer Macht) oder eben durch Tod per Attentat. Möchte man das verhindern, muss die Spielerin oder der Spieler versuchen, sich eben mit allen Wählergruppen gut zu stellen. Oder zumindest nicht allzu schlecht.

Das Fazit

Wer bisher nicht viel von Politik gewusst hat oder wissen wollte, der oder dem zeigt das Spiel, wie komplex Sachzusammenhänge in einem Staat sind. Fast alles wirkt auf fast alles andere ein, was das Lösen von Probleme zu einer schwierigen Sache werden lässt. Obwohl bestimmte Aspekte, wie das „politische Kapital“, die einzelnen Verordnungen und Gesetze oder die Detailfreude bei den Wählergruppen, nach der Wirklichkeit modelliert ist, bleibt “Democracy 3” doch ein Spiel. Viele Dinge, wie die Ausgestaltung der Gesetze, das Zwei-Parteien-System oder Konzentration auf die Regierungstätigkeit (mit Partei-Interna muss sich die Spielerin oder der Spieler nicht herumschlagen), bleiben zu einfach gestrickt, um wirklich einer Politik-Simulation gerecht zu werden.

Aber kann Politik überhaupt simuliert werden? Dies würde letztlich bedeuten, menschliches Verhalten in bestimmte Schemen zu zwängen und es somit in zu simple Ursache und Wirkungs-Gleichungen aufzulösen. Da Politik aber immer von Menschen gemacht wird, die ihre ganz eigenen Interessen und Ideale haben, bliebe eine solche Dualität wesentlich zu einfach. Eine Simulation kann sich „richtiger“ Politik immer nur annähern, jedoch wohl nie gerecht werden. Zu groß ist dafür der irrationale Faktor Mensch.

Trotzdem: “Democracy 3” macht Spaß. Und gibt Einblicke in die Politik, die auch mir als Magister Artium in Politikwissenschaft so noch nicht gekommen sind.