Das wir – das ‘Film-Team’ von Daran geht die Welt zugrunde – nicht unbedingt glücklich mit diesem Jahr sind, habt ihr vielleicht hier und da mitbekommen. In solchen Momenten bleiben dem*der eifrigen (selbst ernannten) Kinokritiker*in nur zwei Möglichkeiten:

1. Meckern

2. Beispiele aufzählen, die es besser machen

Nachdem ersteres von uns schon ausgiebig zelebriert wurde, gehen wir also zur anderen Option über. Zurück zu den Wurzeln ist unser Motto, wenn es um die Comicverfilmung geht. In diesem Sinne abermals ein Blick von uns für euch auf einen Film, der uns beide bewegt hat.

MAX:

Gut 13 Jahre sind vergangen seit Bryan Singers X-Men den Anbeginn der erfolgreichen Comic-Verfilmungsära eingeläutet hat. Nicht wenige lassen diese Rolle lieber Sam Raimis ein Jahr später erschienem Spider-Man zukommen. Dass X-Men jedoch auf qualitativer wie auch thematischer Ebene eine mehr als würdige Geburtsstunde des inzwischen herrschenden Blockbuster-Kinos darstellt, soll in den folgenden Absätzen deutlich gemacht werden.

Die Thematik um Mutanten ist eine Geschichte um Coming of Age, Gleichstellung von Menschen unabhängig von Hautfarbe, Herkunft und Religion und ob man friedliche Koexistenz oder das Überleben einer einzigen Spezies als brauchbares Zukunftsmodell ansieht. All das erzählt der Film in aus heutiger Sicht geradezu lächerlichen 104 Minuten. Gelitten haben dabei in den letzten 13 Jahren allein die Action-Szenen, welche ein wenig hakelig wirken. Erzählerisch suchen die X-Men mit ihrem Debüt weiterhin ihres gleichen, wenn es um Comicverfilmungen geht.

Die Charaktere und deren Dynamik sind es, die diesen Film in erster Linie tragen. Die Feindfreunde Magneto (Sir Ian McKellen) und Professor X (Sir Patrick Stewart) haben jeweils ihre eigene (nachvollziehbare) Philosophie, wie Mutanten und Menschen zusammenleben sollten – oder eben nicht. Die Tragik, dass Magneto dabei selbst den Weg der Nationalsozialisten eingeschlagen hat und die Evolution als Ausrede für das Vorherrschen der Mutanten nutzt, macht die Figur umso anziehender und interessanter.

Ebenfalls eine Stärke des Films sind die Charaktere Rogue/Marie (Anna Paquin) und Wolverine/Logan (Hugh Jackman). Beide sind nicht unbedingt glücklich mit ihrer Rolle als Mutant und fühlen sich auch deswegen zueinander hingezogen. Das Ergebnis ist eine glaubhafte Vater/Tochter-Beziehung, die Logan anerkennen lässt, dass er sich doch um das Wohl seiner Mitmenschen kümmert, auch wenn er bis zum Ende des Films nur widerwillig Mitglied der X-Men ist.

Der Film rauscht problemlos von einem guten Dialog in den nächsten, wichtigen Storybaustein (z.B. Logans Albtraum und die folgende Verletzung, die er Rogue zufügt, woraufhin diese seine Kraft bezieht, um sich zu retten). Das Tempo ist nicht hoch, doch die Story dermaßen konzentriert und frei von unnötigen Action-Szenen oder redundanten Erklärungen, dass man als Zuschauer das Gebotene angenehm aufnehmen kann.

Der erweiterte Cast um Storm (Halle Berry), Jean Grey (Famke Janssen) vorerst nur als love interest und Streitpunkt zwischen Wolverine und Cyclops (James Marsden) hat in diesem ersten Teil in erster Linie die Rolle der Streitkraft des Professors inne. Cyclops’ als verlässlicher, aber limitierter Stellvertreter des Professors wird wie die versteckten Fähigkeiten Jeans nur angedeutet, sodass Fährten für den zweiten (und dritten!) Teil gelegt sind. Storm bleibt charakterlich zwar blass, ist aber zumindest für die visuellen Höhepunkte des Films (neben Wolverine) zuständig.

Obwohl der Film schlüssig endet und ganz nebenbei eine herrlich emotionale Szene zwischen der leblosen Rogue und Wolverine bietet, bringt der Film eine Fülle an neuen Fäden ins Spiel, die Teil 2 der Reihe kaum erwarten lassen. Ein sehr heroischer Dialog zwischen Magneto und X macht den anhaltenden Kampf der Ideologien deutlich und im Hinterkopf bleibt auch Jean Greys Potential, das sich weiter entfalten sollte. Und was wird Wolverine am Ort aus seinen Träumen finden?

 X-Men ist eine Comic-Verfilmung der besten Sorte. Eine geradlinige Story mit Botschaft und Herz wird mit glaubwürdigen Charakteren bestückt. Dümmliche oder einfach nur peinliche Zeilen, die man aus Comics gewohnt ist, bleiben aus ohne dass sich der Film von seinen Wurzeln entfernt. X-Men ist schlichtweg erwachsen genug, um seinen Thematiken gerecht zu werden und macht dabei aufgrund seiner Charaktere trotzdem genug Freude, um als Blockbuster durchzugehen. Superhelden-Kino – so darfst du sein!

ANNI:

Was erwartest du von einem guten Film? Das ist eine Frage, die sich jede*r vor dem Anschauen eines solchen stellen sollte. Die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und so bevorzugt der Eine gewaltige Bilder und die Andere gute Dialoge. Um transparent zu machen, wie meine Kritiken begründet sind sei gesagt: Mir geht es um gutes Storytelling! Wenn mensch dann auch noch eine Schwäche für gute Action hat, ist er oder sie bei der X-Men-Trilogie genau richtig.

Denn X-Men zeigt deutlich wie ein guter Superhelden-(aber auch Action-)film sein muss. Vor allem wird eine*m bewusst, was ein Film leisten kann, wenn seine Macher*innen die Charaktere lieben. Somit nimmt der Film eine Hürde, die erst The Avengers wieder nehmen wird, wenn auch mit einer deutlich tieferen Story, die durch eine klare Botschaft unterfüttert ist. Dabei gelingt es ihm genau wie dem bombastischen Marvel-Film einen großen Cast überzeugend zu inszenieren.

Bei allem visuellen Entertainment und schillernden Charakteren, die X-Men einführt, sind es aber letztendlich die verschiedenen Figuren, die uns emotional an den Film binden und die Dichte der Story ausmachen. Das beginnt bei den beiden Hauptfiguren Roque/Marie und Wolverine/Logan und endet bei Magneto, der einen Bösewicht darstellt, dessen Motivation wir nicht nur verstehen, sondern bei dem sich nicht wenige beim zustimmend Nicken ertappen.

Neben diesen zentralen Akteur*innen, sind es aber auch die interessanten Nebencharaktere, die diese solide Grundlage mit Spannung und Tiefe anreichern, so durchlaufen nicht nur die genannten Hauptfiguren eine deutliche Entwicklung, sondern wir bekommen auch Gelegenheit andere X-Men näher kennenzulernen und erleben auch bei Jean eine – wenn auch kleine – Weiterentwicklung der Figur.

Gerade das Zusammenführen dieser verscheidenen Storystränge gelingt mit Bravour, in dem gerade zu Beginn zwischen den verschiedenen Handlungssträngen und Figurenexpositionen hin und her gesprungen wird. Interessant ist dabei, dass wir als erstes Magneto kennenlernen und so von vornherein eine Bindung zu ihm aufgebaut werden kann. Wir kennen nicht nur seine Motivation, wir fühlen von Beginn an mit ihm. Zusammengehalten werden diese Aspekte durch gute Einstellungen und solide Schnitte, denen es gelingt bei vielen Handlungssträngen ein harmonisches Ganzes zu formen. Besonders angenehm ist, dass wir einen Film sehen, der nicht versucht die Comicvorlagen visuell nachzuarmen. Im Gegensatz zu Adaptionen wie 300 oder V wie Vendetta, handelt es sich um ein eigenständiges Gebilde, was vor allem dadurch auffällt, dass wir kaum eine Einstellung haben, die an klassische Zeichnungen erinnern.

By  hawken king via flickr

v vendetta

V wie Vendetta hat seine Stärken und Schwächen, aber die Maske war cool!

Auch wenn sich in Bezug auf die Effekte seit dem ersten X-Men so einiges getan hat, ist es doch erstaunlich wie visuell überzeugend der Film nach wie vor ist. Das kann sich auch darauf zurückführen lassen, dass es dem Film eben nicht nur um die Action, sondern um die Geschichte selbst geht. Daher sehen wir eine ausgewogene Mischung zwischen Kämpfen und Story relevanten Bildern oder Dialogen.

X-Men hat nicht ohne Grund mit Sam Raimis Spider-Man der Comicverfilmung neues Leben eingehaucht und zeigt, dass eine Genre nicht die Tiefe eines Filmes bestimmt. Unterhaltung und gutes Storytelling sind unvereinbar? Singers X-Men beweist das Gegenteil! Der Film macht auch heute noch Hoffnung, dass auch andere Genres von den richtigen Leuten wieder neu entdeckt werden können.

By  Rob Young via flickr

wolverin

Eigentlich sind wir nur ganz arg in Hugh Jackman im Allgemeinen und als Wolverine im Besonderen verliebt!

MAX meint: Nach modernen Ansprüchen könnte die Action selbstverständlich eine Politur vertragen. Dass die Dialoge und im Fokus stehenden Charaktere auch aus heutiger Sicht weiterhin mit an der Spitze der Comicverfilmungen stehen und alle Marvel-Filme (bei allem Unterhaltungswert) zusammen keinen so gehaltvollen Hintergrund haben, ist ein echtes Qualitätssiegel. Zusatzsternchen: Der Film ist die Geburtsstunde von Hugh Jackmans Kinokarriere!

ANNI meint: In Jahren wie 2013, in der die Kinobesucher*innen in schlechten (Comic-)Filmen zu ersticken scheinen, lohnt es sich einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. X-Men ist ein Film, der mehrere Hürden nimmt und dem es gelingt viele Charaktere mit Tiefe und einer klaren Story zu verbinden ohne bei der Action zu sparen. Dabei gelingt es der Adaption etwas Neues zu schaffen ohne bloß Altes zu rezipieren und ist deswegen auch heute immer noch ein Genuss.