Liebe Gamergemeinde. Wir sind schon ein voreingenommenes, rassistisches, homophobes und sowieso alles in allem sehr intolerantes Pack. Natürlich trifft dieser Vorwurf genauso auf Bücher, Comics, Filme und Serien zu, aber dass die Welt ein schlechter Ort ist, wissen wir nicht erst seit heute.
Man komme jetzt bloß nicht mit den üblichen Aussagen. “Ja, wir haben es doch begriffen!” und “Immer dieses Gleichberechtigungsgelaber!” sind für die wenigsten von uns akzeptable Ausrufe. Warum? Weil wir wahrscheinlich nicht in der Situation sind, dass all dieser “Kram” uns wirklich betrifft. Tangieren uns die Entscheidungen über “Proposition 8” in Kalifornien oder ein Filibuster in Texas zum Thema Abtreibung? In Deutschland ist die rechtliche Stellung von gleichgeschlechtlichen Paaren ebenfalls im besten Fall kurz nach der Sintflut einzuordnen, sodass die Alarmglocken nun mal weiter klingen müssen.
Was hat unser geliebtes Medium Videospiele damit zu tun? Nun, komischerweise müssen Politiker nur ohne Anlass niesen und es rutscht ihnen der altbekannte Satz heraus, dass bestimmt Videospiele dazu geführt haben, dass Kinder und Jugendliche Amokläufe durchführen oder zumindest Kaugummis in Supermärkten klauen. Wenn das Internet “#neuland” für unsere Regierung ist, was sind dann Videospiele? Außerirdische, würde ich behaupten. Aber das – liebe Frau Bundeskanzlerin – ist ein Hühnchen, das an anderer Stelle gerupft werden muss. Bis dahin könnten Sie und der Rest der deutschen Politikerlandschaft u.a. mit der Medienwirkungsforschung auseinandersetzen, ja? Bittedankeschön.
Würden sie Kratos kennen, hätte die deutsche Regierung sich den Streit mit Griechenland wohl besser überlegt!
Heute soll sich an die eigene Nase gefasst werden. Es geht um das sehr, sehr, sehr, sehr eindimensionale Bild, dass uns Videospiele geben. Schuld daran sind wahrscheinlich Statistiken und Marketing-Strategien. Die Milchmädchenrechnung scheint zu sein: die meisten unserer Kunden sind weiß und männlich. Also müssen die meisten unserer Protagonisten weiß und männlich sein. Nur dann wollen Spieler unsere Games in Scharen kaufen. Dass es gerade in den USA absoluter Nonsens ist, davon auszugehen, dass die Gamer alle weiß sind, scheint dabei niemanden zu interessieren. Die Variation des üblichen Protagonisten lässt zumindest auch dieses Jahr zu wünschen übrig.
“The Last of Us” = weißer Mann, der weißes Mädchen begleitet.
“Bioshock Infinite” = siehe oben!
“DmC” = weißer Protagonist
“Aliens: Colonial Marines” = weißer Protagonist
“Crysys 3” = egal, da der Typ die ganze Zeit einen Kampfanzug trägt
“Gears of War: Judgement” = sooooooooooo weiß
“God of War: Ascension” = weiß
“Injustice: Gods Among Us” = sein wir ehrlich… Batman!
“Metro = Last Light” = weiß
“Star Trek” = white bromance…
“Splinter Cell” = Weiß
“Watch Dogs” = weiß…
“Assassin’s Creed IV: Black Flag” = Ein schwarzer Pirat… macht euch nicht lächerlich! Natürlich ist er weiß und hat blonde Haare!
Via flickr By Butte-Silver Bow Public Library
Gibt es irgendetwas, dass an dieser Vorstellung eines Geschäftsmenschens nicht absolut perfekt ist?
Wollt ihr noch mehr? Diese Liste beinhaltet nur einen Teil der dieses Jahr erscheinenden Titel und die “weiße Quote” sollte nicht zu übersehen sein. Natürlich ist dies auch ein Problem in anderen Medien. Denken wir an die Mainstream-Bücher der letzten zehn Jahre, so erstrahlen Harry Potter, Die Tribute von Panem und Twilight auch nicht gerade in einem weniger “weißen” Licht.
Der Grund für diese Verteilung sind wohl kaum Statistiken. Dann hätten wir bekanntlich mehr Chinesen. Wie wäre es dann mit Kulturkreisen als Grund der anhaltenden “Verweißlichung”? Hier kommen wir der Sache schon näher. Dass gerade japanische Spiele in kaum einem Fall auf einen schwarzen Protagonisten setzen, ist leicht zu beantworten (und wenn auch nicht leicht zu entschuldigen, so zumindest sehr leicht zu verstehen). Der Protagonist eines Videospiels soll natürlich eine Identifikationsfigur sein und so wird man hinsichtlich der Ermangelung schwarzer, japanischer Einwohner (die Zahl ist wirklich ziemlich gering) kaum jemanden erreichen, sollte man auf Identifikation setzen.
Was ist aber die Entschuldigung für Europa und insbesondere Amerika? Hier gibt es bei weitem nicht so gute Ausreden, warum nicht öfter Charaktere anderer Hautfarben in den Vordergrund gerückt werden. Niemand verlangt gleich auf Anhieb, dass andere Religionen und Bräuche genau dargestellt werden sollen. Man darf auch weiterhin seinen Jedermann als Protagonist einführen, doch es ist nicht bei den Haaren herbeigezogen, dass ein “ganz gewöhnlicher Mensch” auch dunkelhäutig ist oder fernöstliche Züge hat.
Die Ausrede der Perspektive darf nicht gelten, wenn man selbst einer Majorität angehört. Ich musste mich schon selbst als Schreiber mit dieser Falle auseinandersetzen und hatte gerade für die so gut wie nicht vorhandene dunkelhäutige Bevölkerung eine Erklärung (aber Fantasiewelten machen Rassenverteilungen meistens nochmals leichter oder lassen sich als Metaphern und Parabeln verkleiden).
Neue IPs sollten verstärkt darauf achten, uns Abwechslung zu geben. Ich verlange nicht, dass jedes Spiel nur gesichtslose, aber vom Geschlecht her frei wählbare Hüllen wie Mass Effect anbietet. Wie oft der weiße Mann mittleren Alters jedoch unser Held ist, nimmt nahezu lächerliche Züge an. Man muss schon dankbar sein, dass Grand Theft Auto bei zwei Weißen von drei spielbaren Protagonisten zumindest einen als Hillbilly-Fuck-Up darstellen.
Via flickr by Playstation.Blog
Positivbeispiel: Infamous’ neuer Protagonist Delsin ist Indianer… geht doch!
Ein großes Problem besteht natürlich in der Eindimensionalität vieler Videospieler und dem Trend der Remakes und Reboots. Lara Croft hat gefälligst weiß zu sein. Bei Dante rasten die Spieler schon aus, wenn seine Haare nicht weiß sind. Namen wie Bruce Wayne, Nathan Drake und Solid Snake sind nur wenige weitere Beispiele. Diese Spiele sind inzwischen in der Pflicht den Urcharakter zu würdigen. auch deswegen spreche ich gerade neue IPs an.
Als einziges, positives Beispiel der jüngeren Vergangenheit bleibt mir Telltale’s “The Walking Dead” im Kopf. Ein schwarzer Protagonist, gute Verkaufszahlen und sehr gute Kritiken beweisen, dass es in Amerika und auch Europa funktionieren kann, wenn nicht der weiße Alphamann die Hauptrolle einnimmt. Halbgare Werbung mit Michael Kenneth Williams als NPC im nächsten Battlefield 4 zeigt allerdings weiterhin den Trend des “voll total wichtigen Nebencharakters, der ja so unglaublich hammergeil ist, dass man ihn lieber nicht selbst spielt”…
Ich möchte Spiele wie “The Last of Us” für ihre fantastische Erzählstruktur und die lebendigen Charaktere loben, die übrigens auch genug glaubwürdige Abwechslung innehaben, aber wie schön wäre es, wenn Ellies Beschützer mehr Michael Kenneth Williams und weniger Viggo Mortensen gewesen wäre (ihr braucht nicht ehrlich einen Link, um zu wissen wer Viggo Mortensen ist, oder?)… von mir aus auch Jackie Chan, verdammt!
Die Hautfarbe eines Protagonisten sollte nicht so viel Einfluss auf ein Spiel haben, wie es unlängst das Coverdesign von “Bioshock Infinite” hat deutlich werden lassen. Wie traurig ist es außerdem, dass bei einem First Person Shooter, der uns nichts als die Arme des Protagonisten zeigt, die Hautfarbe und/oder das Aussehen entscheidend ist?
Würden wir auch über Nathan Drakes (Uncharted) tollen Humor lachen und mit ihm fühlen, wenn er z.B. schwarz oder asiatisch wäre? Würde es weniger Spaß, wenn John White statt Cole MacGrath der Protagonist in “Infamous 2” wäre? Achtet in der heutigen Zeit genau darauf, wie ihr diese Frage beantwortet. Denn alles was mit “Nein!” oder “Irgendwie ist das halt irritierend…” beginnen, beweisen den weiterhin herrschenden, zumindest latenten Rassismus in unseren Köpfen.
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