“…und zweitens stehen auf seinem Umschlag in großen, freundlichen Buchstaben die Worte KEINE PANIK”
– Douglas Adams: Per Anhalter durch die Galaxis, Prolog, Übersetzung nach Benjamin Schwarz

Keine Panik! Alles halb so wild! Das Internet und die Medien sind mal wieder drauf und dran den Musikmarkt wie Hühner auf mexikanischen Familienfesten durch die Dörfer zu hetzen. Die Rede ist natürlich von Heinos “Mit freundlichen Grüßen”. Meine Fresse! Was war das für ein Aufschrei. Man konnte förmlich das Heulen der Musikantenstadlhunde hören, als die wohl jetzt schon erfolgreichste PR-Maßnahme des Jahres aus Versehen (und verdammt kurzsichtig) los getreten wurde.

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IMG_5429 - Phoenix Wright
Wir klagen die Exkremente aus euch raus!”

Die Ärzte und Rammstein klagen den Plagiatismus des alten Mannes mit der Sonnenbrille an und dieser reibt sich die Hände. Jeder Mensch will plötzlich seine Coverversionen zu “Junge” und “Sonne” hören, selbst wenn man sich sonst beim deutschen Jagdschutzverband für die ganzjährige Saison auf althergebrachte Volksmusiker der Marke Kastelruther Spatzen einsetzt. Wer Heino kennt, sollte sich schnell gut mit ihm stellen, denn die Bankleitzahl des “Meisters” dürfte sich zur Zeit über regelmäßigen Besuch schwarz gekleideter Zahlen freuen.

War es all dieses Brimborium überhaupt wert? Viel mehr hätte sich mal jemand aufregen sollen, dass Max Herre ein auf textlicher Ebene wirklich peinliches Album herausgebracht hat. Dafür muss man allerdings nicht nur den Mann im schicken Anzug, sondern auch seine Schreiberin einmal aufs Haus teeren und federn lassen. zeitlich passend zur Sexismus Debatte ein paar 50er Jahre Weisheiten über die Frau, das kleine Dummchen. Ach, sind sie nicht süß? Machen sich immer hübsch und schau’n nett aus! Hutständer, die kochen können, nicht wahr? Um Johannes zu zitieren: Es hackt!

Zurück zu Heino. Der liefert genau das, was man von einem Volksmusikanten erwartet. Instrumental sind die Lieder nahezu verstümmelt, doch dank der bekannten Melodien will das Geklimper und Gedudel nicht aus dem Kopf weichen. Im Normalfall sind die schlechten Umsetzungen schon ein No-Go für die meisten Hörer, doch dann kommt Heinos Stimme. Und selbst wenn es nicht beabsichtigt war. Die Ärzte, Peter Fox und Rammstein mit so voller Stimme und gerrrrrrrrolltem R zu hören ist diese Sorte Moment, die einem unweigerlich ein Lachen ins Gesicht zaubert.

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Bayrische Volksmusik
Früh übt sich die Gesangselite Deutschlands

Durch den ganzen Rest-Rechtsstreit um das Album hat Heino zur Zeit genau die Art von Sympathiebonus, die darüber hinwegtäuscht, dass gerade die im Hip-Hop/Rap verwurzelten Lieder nur stolpernd über die Zunge des Mannes mit der Sonnenbrille kommen und die zwei, drei Eigenkreationen die Skiptaste zum regelmäßigen Einsatz kommen lässt. Dass die sehr konventionelle und schlecht umgesetzte Coverparty kommerziell ein Hit ist, zeigt u.a. Platz 1 in der Kategorie Pop bei Amazon.de.

Was da völlig untergeht, ist dass seit letztem Freitag My Chemical Romances Single-Sammlung mit Namen “Conventional Weapons” abgeschlossen wurde. Das Album, dass der Band 2009 zu schlecht war, um es zu veröffentlichen. Jetzt war es also plötzlich gut genug und die Hörer dementsprechend skeptisch. Durchforstet man das Internet nach frischen Gesamteindrücken des “Albums” sind die Bewertungen auch eher verhalten. Der böse Ausdruck des “B-Seiten-Charakters” macht im allgemeinen die Runde.

Und auch hier sollte auf die Adams’sche PANIK-Bremse getreten werden. Nein, “Conventional Weapons” ist ganz bestimmt nicht das größte Werk der Rockband. Die fünffache Doppelsingle hat weder die konzeptionelle Größe der “Black Parade” noch die frische Kraft der “Danger Days”. Anstatt dessen entführen die Waffen unserer Wahl in einzelne Etappen der Band zurück. Besonders schneller, lauter und einfacher Rock darf sich breit machen und so sind “Boy Division”, “Tomorrow’s Money” und “Kiss The Ring” drei Beispiele par excellence, wie so etwas klingen sollte.

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"Sing It For Japan"
Schönes Artwork und schöne Geste. MCR sang noch einmal. Für Japan.

Natürlich hat das recht kurze Album von nicht einmal 40 Minuten auch seine Schattenseiten. “The Light Behind Your Eyes” als Evanescence-Gedächtnis-Hymne und die nicht ganz so großen Stadionrockballaden zum Abschluss haben MCR schon besser hinbekommen. Dafür hat die Band aber auch seit langem mal wieder richtig Spaß, was sich nicht nur im alternativen, fast schon punkigen Bereich zeigt, sondern auch in den sehr gelungenen und Pop orientierten Nummern “Ambulance” und “Gun.”, die sehr viel Freude bei Liveauftritten garantieren sollten.

Ich bin für meinen Teil zufrieden und kann nur sagen, dass mal wieder alles gar nicht so schlimm ist. Also, KEINE PANIK!