Ein Mensch, der zwischen 1980 und 1989 geboren wurde (und danach kann man ja keinen mehr ernst nehmen), wurde im Laufe seines*ihres Lebens zahlreichen Generationen zugeordnet. Generation No Future, Generation X, Spaßgeneration, Generation Y, Digitale Bohème usw. Ich würde in diesen ganzen Wust noch eine weitere Generation hinzufügen: Generation Retro. Mein Eindruck ist, dass bisher keine Altersgruppe von Menschen jemals ihre eigene Kindheit so sehr gefeiert hat, wie ebendiese (plusminus 3 Jahre). Internetvideos wie die von James Rolfe, Pat The NES-Punk, That Guy with the Glasses oder 16-Bit Gems sprechen da wohl für sich. Das mag an vielen verschiedenen Gründen liegen: Erstens hatte diese Generation eine Kindheit, auf die sich zurückzuschauen lohnte, im Gegensatz zu den entbehrungsreichen Nachkriegsgenerationen oder die Hippie-Bewegungen der 60er und 70er-Jahre, die viele vielleicht gerne verschweigen würden. Zweitens, und damit wahrscheinlich der gewichtigere Grund, gab es einfach extrem viele Inhalte, welche die Menschen untereinander, insbesondere auch zwischen Nordamerika und Europa, teilen können. Im kulturellen Gedächtnis dieser Generation gibt es extrem viele Gemeinsamkeiten, wie ein auch nur oberflächlicher Blick über die Geek- und Nerd-Kultur offenbart. Angefangen von den Disney-Cartoons (Chip & Chap, Darkwing Duck, Ducktales) über Filme (Die Goonies, Karate Kid) bis hin natürlich zu den Spielen (NES, „Bit-Krieg“ zwischen SEGA und Nintendo) haben zahlreiche kulturelle Güter das gemeinsame Gedächtnis dieser Generation geprägt und schaffen damit eine Grundlage zur kollektiven Rückblende. Drittens, schließlich, ermöglicht das Internet nicht nur den Austausch über ebendiese Inhalte, sondern auch, und vielleicht viel wichtiger, das Erfahren dieses kollektiven Erinnerns und damit dieses wohlige Gefühl, irgendwo dazu zugehören.

als schiene einem die Sonne auf den Bauch! Via Maia C

Aus diesen drei Gründen folgt wahrscheinlich auch das so massive Aufblühen von Retro-Games und Retro-Gaming in den letzten Jahren. Überall sprießen Projekte aus dem Boden, die sich genau diesem visuellen und zum Teil mechanischen Stil der 8- oder 16-Bit-Spiele verschrieben haben (Lone Survivor, Mercenary Kings, Scott Pilgrim: The GameSuper Meat Boy). Und dank des Internets finden Emulatoren und die mittlerweile lächerlich klein anmutenden Roms der damaligen Spiele weite Verbreitung. Ein weiteres Indiz wären die oben genannten Web-Serien.

Natürlich wollen auch wir von Daran geht die Welt zugrunde diesen Trend nicht verschlafen, zumal sich ein Teil von uns ja auch ganz dediziert mit der Dekonstruktion von Popkultur beschäftigen. Und weil es bei Mehr Spieler ja um Videospiele geht, möchte ich mit euch nun ein wenig meine eigenen Retro-Erfahrungen im Bereich Videospiele teilen. Was waren die fünf Spiele, die mich in meiner Daddelzeit am meisten beeindruckt haben?

Zunächst aber zu meinem persönlichen Gaming-Hintergrund: Erste Erfahrung habe ich mit dem Amiga 500 von meinem großen Bruder gesammelt, eines der mir noch immer präsentesten Spiele ist da sicherlich Secret of Monkey Island 2: LeChuck’s Revenge, mit seinem Code-Rad und den zwölf Disketten (herrlich!). Bald schon schwenkte ich aber auf das SEGA Mega Drive (kurz MD, in den USA: Genesis) um und hatte zwischendurch auch mal einen Gameboy in meinem Besitz. Irgendwann überzeugte ich meine Mutter davon, dass ich mir einen Super Nintendo (bzw. Super Nintendo Entertainment System, SNES) kaufen durfte (ich hatte auch gespart!) und hatte dann zwei Spielekonsolen! Wobei ich aber immer mehr Spiele für den Mega Drive besaß, als für das SNES. Dann waren die „guten alten“ 16-Bit Zeiten vorbei und die Zeit der 32-Bit-Systeme brach an, eingeläutet vom vorschnell veröffentlichten und deshalb technisch unausgereiften SEGA Saturn, kurz darauf kam dann die erfolgreichere Sony Playstation. Nintendo ließ etwas auf sich warten und veröffentlichte zwei Jahre nach SEGAs neuer Konsole den N64 im Jahr 1996 (Japan Release). Da der Saturn extrem gegen Sony und Nintendo (eher gegen Sony) abstank und sich meine Mutter weigerte, mir eine Playstation zu kaufen, fristete (und frustete) ich ein wenig mit meinem Konsolendasein. Mein großer Bruder legte sich dann irgendwann einen N64 zu, was die Situation entschärfte, aber noch immer nicht besser machte. Die Playstation hatte einfach die ganzen hochgejubelten Spiele (Metal Gear Solid, Final Fantasy VII, Resident Evil), der Saturn hatte dagegen als einzig nennenswerte Erstveröffentlichung Tomb Raider. Meine Mutter wollte bei diesem ganzen Konsolenkram irgendwann nicht mehr mitmachen und schenkte mir schließlich einen PC. Seitdem bin ich glücklich. Ich liebe meine Mama.

Dies ist nur ein Symbolphoto und hat zum Glück keinen Bezug zu meiner Mama. Meine Mama ist toll. Via Helen K

Aber zurück zu den Spielen. Ich beschränke mich in erster Linie auf die beiden 16-Bit-Konsolen Mega Drive (MD) und Super Nintendo, da ich mit dieser Generation einfach am meisten Erfahrung habe. Ein weiterer Hinweis: Ich bin kein großer Fan von „die Besten X Spiele/Filme/Serien/Bücher/Dildo-Formen“-Listen, deshalb gibt’s von mir einfach fünf Spiele in ungewichteter Reihenfolge.

Ausser Konkurrenz spielt dabei ein Spiel, das meine komplette Sicht auf Spiele, Geschichten und überhaupt allem beeinflusst hat: Chrono Trigger. Dieses Spiel ist einfach ein Meisterwerk an JRPG (Japano-Rollenspiel) für das SNES und mit Sicherheit D A S für mich genialste Spiel seiner Zeit (1995). Leider erschien es nie in Europa. Es läuft ausser Konkurrenz, weil es einfach unfair wäre, es den anderen Spielen vorziehen zu müssen. Aber jetzt fangen wir doch endlich mal an!

  1. SHINING FORCE (1992, MD)

Wow. Shining Force. Wohl kein anderes Spiel habe ich so oft angefangen und bis zur Mitte gespielt. Jede Schlacht dieses Strategic RPG kann ich fast auswendig, kenne die Abfolge der meisten Ausrüstungsgegenstände und weiß in etwa, wann ich meine Helden grinden muss, damit sie stärker werden. Bei diesem Spiel steuert man einzelne Heldenfiguren auf einem in quadratische Felder eingeteilten Schlachtfeld gegen die Gegner, gekämpft wird in spärlich animierten aber trotzdem hübschen eigenen Kampfsequenzen. Es gibt kein Spiel, was bis heute in mir gleichzeitig so freudige wie genervte Erinnerungen wachruft. Freudig, weil ich stundenlang Schlacht auf Schlacht schlagen kann, die Musik mich mitwippen lässt und die Geschichte ein wenig klischeebeladen, aber spannend ist. Genervt, weil ich stundenlang Schlacht auf Schlacht wiederholen muss, um meine Helden aufzuleveln. Trotzdem vereint Shining Force (und seine Nachfolger) eine Prise Taktik mit ungefähr zwei Kellen Rollenspiel und tischt einem somit einen Eintopf auf, der erst nach drei Tagen im Kühlschrank komisch schmeckt.

  1. METAL SLUG (Neo Geo, 1996)

In der Videothek, bei der ich meine Mutter damals immer die Videospiele auslieh, stand ein Arcade-Automat, wie ich ihn bisher nur aus us-amerikanischen Serien kannte. So richtig mit zwei Steuerknüppeln und jeweils sechs Tasten, großem Bildschirm etc. Es liefen immer verschiedene Spiele darauf, erinnern kann ich mich an drei: ein Sidescrolling Shooter dessen Namen ich vergessen habe, Samurai Showdown (aber da bin ich mir nicht sicher) und Metal Slug. Mensch, was hat mich Metal Slug gefesselt. Leider konnte ich meiner Mutter nicht immer die zwei Mark (damals!) aus dem Kreuz leiern, um mit drei Leben in diesem Sidescrolling 2D Shoot ’em Up quasi-Nazis über den Haufen zu schießen und haarige alte Veteranenrentner zu befreien. Dieses Spiel ist für mich bis heute der Inbegriff eines 2D Shoot ’em Up-Plattformer: ziemlich linear, man ballert eigentlich nur und versucht dabei den Fallen und Kugeln der Gegner auszuweichen und hat in späteren Levels eigentlich keine Chance. Noch heute kann ich die ersten beiden Level mit einem bisschen Konzentration durchspielen, ohne zu sterben. Und darauf bin ich ein bisschen Stolz.

  1. FLASHBACK (1992, diverse, in erster Linie MD)

Flashback ist wahrscheinlich das erfolgreichste französische Videospiel. Und warum auch immer, es hat mich über meine Spielerkarriere die ganze Zeit begleitet.Es gehört mit zu diesen Spielen, von denen ich eigentümlicherweise unheimlich fasziniert war, obwohl (oder weil) ich sie nicht verstand. Dabei kombinierte Flashback eigentlich nur geschickt Elemente aus Prince of Persia und Another World, letzteres übrigens ein bahnbrechendes Spiel (findet sich auch auf Steam). Seine Mischung aus Action-Adventure und Jump ‘n Run waren wie angedeutet nichts sonderlich neues, aber das Setting, eine dystopische Science-Fiction mit Cyberpunk-Elementen, war so bisher noch nicht gekannt und nebenbei ziemlich stringent umgesetzt. Ausser vom persischen Prinzen kannte man die durch Rotoskopie so flüssig wirkenden Bewegungen der Figuren nicht, hinzu kamen (vor allem später, als die Speichermodule größer wurden) zahlreiche Sequenzschnipsel, die beispielsweise das Aufheben wichtiger Gegenstände untermalten. Und nicht zuletzt gab Flashback den Spiele-Hipster: Es hatte ein Amnesiethema, bevor es cool wurde. Achja, es wurde auch von einem gewissen (vielleicht gar „der“) Yahtzee ein recht unterhaltsames Let’s Play produziert.

  1. SUPER CASTLEVANIA IV (1991, SNES)

Ich glaube, Super Castlevania IV – in der Anfangszeit des SNES musste fast jeder Titel ein „Super“ im Namen tragen – ist das, was man ein „Instant Classic“ nennt. Der Grund dafür liegt in den ersten Minuten des Spiels. Falls man sich den gut gemachten und für damalige Verhältnisse unglaublich hübschen Vorspann angeschaut hat, steht man schließlich  vor den Toren eines Schlosses. Sobald man im Schlosshof angekommen ist, setzt eine absolut großartige Musik ein, die sofort in das Spiel zieht, zum mitwippen einlädt und die einem das Gefühl gibt „Yeah, ich bin eine verdammt coole Sau mit meiner Kettenpeitsche“. Hinzu kommt noch die ziemlich gute Grafik, die fast perfekte Steuerung und lauter coole Gimmicks wie die Möglichkeit, die Kette frei zu schwingen. Insgesamt ist Super Castlevania IV ein ganz großartiger Platformer. Mehr kann ich dazu tatsächlich nicht sagen.

  1. SONIC 2 (1992, MD)

Als alter SEGA-Jünger fand ich Sonic natürlich schon immer cooler als den übergewichtigen Klempner Mario mit seinem dümmlichen (rassistischen?) Akzent. Sonic hatte, vor allem in seinem zum Vorgänger nochmal rasanteren zweiten Teil, einfach eine abartige Geschwindigkeit und es stellte sich, kannte man die Levels ein wenig, beim spielen einfach ein großartiger Flow ein, der erst mit dem Ende des Levels abriss. Wie gesagt, wenn man die Stages beherrschte. Gleichzeitig blieb Sonic vom Design im Grunde ziemlich fair, denn man hatte immer die Chance, seine durch einen Treffer verlorenen Ringe wieder einzusammeln. Und solange man noch einen Ring hatte, konnten einem zumindest die Gegner beim ersten Treffer nichts schlimmes anhaben. Ich mochte auch Tails, Sonics dreischwänzigen Fuchskollegen, auch wenn er wirklich nur ein relativ sinnloses Anhängsel für den Hochgeschwindigkeitsigel. Für mich verkörpert Sonic noch heute die Essenz von Platforming und Jump ‘n Run.

Das waren die Fünf. Glaub ich. Via Mitikusa

So, das waren nun also die fünf Spiele, die mich wohl am längsten begleitet haben, seitdem ich das erste Mal einen Controller in die Hand nahm. Zwangsweise mussten natürlich viele Titel, die aus anderen Gründen für mich wichtig sind, unter den Tisch fallen. Das wären aber ohnehin ziemlich bekannte Titel wie Zelda – A Link to the Past, Super Metroid, Mega Man X, Secret of Mana usw. Aber vielleicht gibt’s später dazu von mir noch mehr.

Es wird übrigens nächste Woche ganz spannend, denn dann werden euch Max und Walde von ihren Top 5 Spielen berichten. Da die beiden aber erst mit der Nachfolgegeneration der 16-Bit-Konsolen (allen voran der Playstation) so richtig rumgezockt haben, wird es ganz interessant, auch für mich, wie die beiden ihre Spielekarriere so wahrgenommen haben. In diesem Sinne noch einen wunderschönen Tag und Vorfreude auf den nächsten Mehr Spieler-Podcast!