Ich will nicht die hässliche Fresse seh’n, die mir mein Essen zubereitet.

Ich will nicht die hässliche Fresse seh’n, die das kocht, was ich wieder ausscheiße.

“Vapiano” von Grundhass

Der Notenblätterwald rauscht gewaltig seit der Nachwuchskünstler Grundhass Akustik-Punkrock mit der kommerziellen Strahlkraft einer Madonna zurückbrachte. Seine sozialkritischen Beobachtungen dringen in ungewohnte Tiefen der menschlichen Psyche und erlauben Hörern aller Bildungsschichten Zugang zu komplett fremden Lebenswelten. Kaum ein Song bringt die nachdenkliche Dichterader des Neuzeitbarden derartig präzise aud den Punkt wie „Vapiano“.

Was Grundhass in wenigen Sekunden und Worten erzählt, pressen gestandene Liedermacher im besten Fall auf einen gesamten Longplayer. Scheinbar mühelos legt Grundhass unsere Oberflächlichkeit gegenüber fremden Kulturen die eigene Vergänglichkeit als Entschuldigung für fehlende Moralität offen. Die „hässliche Fresse“ ist eine Darlegung der Reduktion auf die äußere Erscheinung. Das lyrische Ich verfällt dem Instinkt der sofortigen Kategorisierung des Anderen allein aufgrund der Äußerlichkeiten. Weitere, mögliche Qualitäten und Vorzüge des Gegenüber bleiben allein aufgrund des fehlenden Aussehens außen vor, eine Problematik, die uns auch in modernen Gesellschaften begegnet.

Die Erklärung für dieses amoralische Verhalten begründet Grundhass in der schließenden Zeile „die das kocht, was ich wieder ausscheiße“. Das Kochen ist Synonym für interpersonale Interaktionen, die heutzutage wie Dienstleistungen aufgefasst werden. Wir erwarten uns ein für uns produktives Ergebnis von einer Interaktion mit anderen, wobei die harte Wortwahl „ausscheißen“ die fehlende Wertschätzung der Interaktionen ausdrückt. Gleichzeitig steht das Ausscheißen für die Vergänglichkeit der interpersonalen Interaktionen. Grundhass prangert hiermit die Wegwerfattitüde der Gesellschaft an, die Menschen nach einem Blick abtut und vor lauter Auswahl an Informationen und Mehrwehrt letztlich alles vergisst und nichts wertschätzt.

Die nihilistische Ansicht und der geistlose Konsum materieller und geistiger Güter trifft Hörer des Stücks „Vapiano“ ins Mark und stimmt zum Nachdenken an. Beim nächsten Aufeinandertreffen mit Fremdem und Neuem bleibt zu hoffen, dass Grundhass’ Worte uns mit voller Wucht treffen und uns daran erinnern: hinter jedem Gesicht steckt ein Mensch, der uns unabhängig von Beruf, Hautfarbe, Geschlecht und Idealen im Grunde gänzlich gleich ist.

Featured Image mit Genehmigung von Grundhass via ihm sein Facebook