Nostalgie ist ein zweischneidiges Schwert. Sie erlaubt es uns, Erlebnisse mit unseren Freunden zu erinnern und mit Fremden über gleichartige Erfahrungen Bekanntschaft zu schließen. Aber sie verklärt auch die Vergangenheit und lässt uns nicht mehr kritisch betrachten, was früher war. Ein Beispiel: Leih-Videotheken. Heute gibt es sie nicht mehr so zahlreich wie in den 90ern, weil die digitale Distribution vieles einfacher gemacht hat. Filme leiht man sich heute nicht mehr, man streamt sie (natürlich legal). Will mensch wissen, ob ein Videospiel gut ist, dann leiht mensch es sich nicht aus, sondern schaut Let’s Plays (Demos gibt’s ja nicht mehr). Deswegen hat auch “meine” Stammvideothek von damals zugemacht, an ihrer Stelle steht dort nun eine Spielhalle – leider keine von der guten Sorte.

Leih-Videotheken waren damals ein Segen für Filmfreund*innen und Spielefans. Aber irgendwie auch immer etwas zwielichtig. Es trieben sich alle möglichen Arten von Menschen in diesen Videotheken rum, es wurde geraucht (das ging damals noch) und dort wanderten alle Arten von Filmen über die Theke. Es gab den Begriff “Internet-Porno” ja noch gar nicht – in meiner Kleinstadt gab es vor 1996 wahrscheinlich noch nicht einmal den Begriff “Internet”. Die Damen und Herren hinter der Theke schienen mir als Kind eine eingeschworene Gemeinschaft, die jeden Tag und jede Nacht in den filmgeschmacklichen Abgrund der menschlichen Existenz schauen mussten. Aber, und hier ist meine Nostalgie absolut angebracht, durch sie durfte ich in zahlreiche Videospielwelten schauen. Vor allen Dingen in eine, die mir danach nie wieder aus dem Kopf ging: Chrono Trigger. In diesem Sinne ein kleines Dankeschön an dich, Leih-Videothek von damals.

Via Flickr, by Daniel

Crono_Lucca_cosplay_DanielCrono und Lucca als Cosplayer auf der PAX East 2010

Das Spiel erschien am 11. März 1995 in Japan und ist damit nun 20 Jahre alt. Ich könnte Zeile über Zeile darüber füllen, warum Chrono Trigger so großartig ist. Genau das aber wäre ein rein nostalgischer Rückblick, eine egozentrische Nabelschau ohne Mehrwert für die geneigten Leserinnen und Leser.
Deswegen möchte ich mich in meinem kurzen Ruckblick auf einen Aspekt von Chrono Trigger konzentrieren, der auf mich bis heute nachwirkt: die Musik.

Für Yasunori Mitsuda (westliche Schreibweise) war Chrono Trigger sowohl der erste große Auftrag als Komponist, als auch sein Durchbruch. Fairerweise muss aber erwähnt werden, dass sein Mentor Nobuo Uematsu (Komponist der Final-Fantasy-Musik) ihm bei einigen Stücken geholfen hat, da sich Mitsuda während der Arbeit an Chrono Trigger Magengeschwüre zuzog. Mitsudas Ziel war es angeblich, die Spieler*innen mit seinen Melodien in eine fremde, fantastische Welt zu führen. Und das ist ihm auch gelungen.

Die Musik in Chrono Trigger ist ungemein vielfältig. Sie enthält eine große Menge an Einflüßen: Während Cronos Thema hervorragend für ein Orchester geeignet ist, sind manche Stücke kleine Jazzkompositionen. Was die piepsigen Emulationen aus den Soundschips des SNES da herausgeholt haben, waren keine synthetischen Klänge. Es waren teilweise einzigartige Kompositionen, aus denen mensch die einzelnen Instrumente heraushören konnte. Für mich damals war die Musik von Chrono Trigger, anders als viele anderen Videospielmusiken, nicht eine Trip durch Synthesizer-Dschungel, sondern ein Spaziergang durch fröhliche Klangwelten.

Via Flickr, by Fabio Santana

Chrono miniature_Fabio SantanaEine kleine Miniatur von Chrono Triggers stummen Helden

Chrono Triggers Welten werden erst durch ihre Musik fassbar und lebendig. So wirkt das schwebende Königreich Zeal mit seinen ätherischen Klängen zwar magisch, die Bongo-Trommeln im Hintergrund erinnern aber daran, dass wir uns noch in grauer Vorzeit befinden. Nicht zuletzt die Themen der einzelnen Charaktere geben ihnen den letzten Schliff. Magus’ Thema unterstreicht seine dunkle Aura, Frogs flötenlastige Musik ist angemessen mittelalterlich und heldenhaft. Robos Thema schließlich ist ein kurzer Ausflug in den industriellen Elektro-Pop (wenn man so will) und dabei so verdammt eingägig, dass ich diese Melodie rauf und runter hören könnte.

Es gibt fraglos viel gute Musik, die auf Videospiele geschrieben wurde. Sehr zu empfehlen ist beispielsweise die Musik von Terranigma. Aber auch neuere Spiele, wie Endless Legend oder Transistor, haben einen wirklich hervorragenden Soundtrack. Jedoch ist mir noch kein Spiel begegnet, dessen Musik mich derart berührt hat wie die von Chrono Trigger. Natürlich ist da viel Nostalgie im Spiel. Andere Musiken aus dieser Zeit, zum Beispiel von Shining Force, Secret of Mana oder Mega Man, sind mir ähnlich vertraut wie Chrono Trigger. Keiner dieser Titel hat sich allerdings so in mein Hirn gebrannt wie der Erstling von Yasunori Mitsuda.

Zum Glück bin ich da anscheinend nicht allein. Denn immerhin werden Medleys vom Chrono Trigger Soundtrack immer wieder bei diversen Spielemusikkonzerten gespielt und es gibt einen Haufen orchestraler Interpretationen von Cronos Thema. Es gibt sogar eine ziemlich abgefahrene Acid-Jazz-Version von Chrono-Trigger-Stücken.

Tröstlich ist, dass durch die Beliebtheit des Chrono Trigger Soundtracks diese Musik auch weiter in die Welt und durch die Zeit getragen wird. Ziemlich passend für ein Spiel, in dem es um Zeitreisen geht. Nostalgie hin oder her.