238 Freunde, 230 Likes, 21 Gruppen und 7,4 Megabyte an Nachrichtenlogs und Informationen über gelöschte Freunde, alte Events, meine komplette Spotify-Historie und alle meine Pokes. Erwartbarer aber trotzdem bedauerlicher Zwischenstand nach fünf Jahren und knapp zwei Wochen Facebook-Nutzung.

Es zeugt von kognitiver Dissonanz (um den Psychologie-Fans zuliebe nicht Schizophrenie zu sagen) und gewisser sozialer Abhängigkeit Facebook trotz ständiger Warnungen vor dem gläsernen Menschen, also entgegen besseren Wissens, weiter zu nutzen. Mit einem alten Bekannten fing es an. “Tschüss Facebook” flimmerte da vergangene Woche für zwei Minuten auf meiner Timeline auf. Sie vergingen, die zwei Worte und sein Account mit ihnen. In mir keimte ein bisschen Neid ob dieses Schritts, der implizierten Konsequenz und des Muts.

Das klingt pathetisch. Was soll schon dabei sein diesen blauen Knopf zu drücken auf dem “Mein Konto löschen” steht (nicht zu verwechseln mit “deaktivieren”)? 238 Freunde, 230 Likes, 21 Gruppen. Tatsächlich will das Löschen eine wohlüberlegte Entscheidung sein. Oder eine gut vorbereitete.

Eine Anleitung gibt es nicht. Wer sucht wird entweder alte Artikel über den “Facebook-Killer” Google+ finden oder Schritt-für-Schritt-Beschreibungen, die sich auf den Hinweis beschränken, man solle vorweg manuell seine Daten löschen und seinen Freunden Bescheid geben. Nur, um den Erhalt von Freundschaften oder das Sichern von Kontakten geht es längst nicht mehr. Die jüngere Generation kommt gänzlich ohne Facebook aus (und täte es auch ohne Instagram, um hier dem kleineren Übel keinen Vorschub zu leisten) und hat trotzdem intakte soziale Netzwerke. Spätestens WhatsApp hat das möglich gemacht (bitte ersetzt Facebook nicht durch WhatsApp). Threema erledigt den Job auch. Und ganz ehrlich, wenn wir schon bei simplen Chat-Apps sind tuts auch die olle Mail. Für formelle Kontakte gibt es Xing. Das ist zwar auch ein Datenschlucker, aber pflegt ein Geschäftsmodell, das nicht auf Werbung beruht, und muss sich als deutsches Unternehmen an strengere  Datenschutzbestimmungen halten. Whoops!

By Mike Mozart, via Flickr.
Anti Facebook Stickers, Ello

Es gab auch ein Bild mit Facebook-Latschen, aber das war mir nicht plakativ genug.

 

Nein, um Kontaktlisten und Freunde geht es nicht mehr. Viel mehr ist Facebook in den letzten Jahren zu einem Informations- und Integrations-Medium geworden: Freunde schreiben nicht mehr über ihre letzten Erlebnisse, sondern teilen den letzten kritischen oder witzigen Artikel, gelikete Seiten versorgen einen mit relevanten News (sofern der Algorithmus mitspielt) und in Facebook-Gruppen organisiert man sich in Arbeitsgruppen oder verschenkt Dinge, die man nicht mehr braucht, an Fremde. Viele Dritt-Anbieter von Dienstleistungen bieten für eine bequeme Anmeldung einen Facebook-Login an.

Facebook ist überall und diese Dienste, soweit nötig, zu ersetzen, ist nicht unbedingt einfach. Mit diesem und weiteren Artikeln möchte ich es dennoch ausprobieren und den Versuch dokumentieren. Vielleicht dient es ja Nachahmern als Anleitung.

Schritt 1: Facebook-Seiten ersetzen

Klar, Informationsquellen sind in der Regel schnell ersetzt. Selten jedoch sind die Neuigkeiten über die Dinge, die man mag, so aktuell und zugleich unaufdringlich (im Vergleich zu Twitter, beispielsweise) wie auf Facebook. Wen das nicht stört kann seinen Facebook-Stream natürlich relativ einfach durch einen Twitter-Stream ersetzen. Doch nicht jede Facebook-Seite hat ein Twitter-Äquivalent und Twitters Pläne für die Zukunft sind ohnehin kritisch zu beäugen.

Eine Alternative dazu sind RSS-Reader, die mit den RSS-Feeds der Facebook-Seiten gespeist werden können. Dabei wird auch der Facebook-Algorithmus umgangen, der Neuigkeiten von Seiten, mit denen man länger nicht mehr interagiert hat, ausblendete. RSS-Reader gibt es wie Sand am Meer, sowohl als Desktop- oder Mobile-Apps als auch als browserbasierte Dienste. Eine kleine Übersicht über verschiedene Reader und eine Erklärung darüber, was RSS eigentlich ist, gibt es hier: http://www.rss-readers.org/. Ganz kurz jedoch: ein RSS-Feed ist im Prinzip wie ein News-Stream einer Seite, reduziert auf ihre Inhalte. Ein Beispiel: der RSS-Feed der Tagesschau-Seite.

Ich habe selber ein paar Reader ausprobiert, die ich im Folgenden kurz anschneide. Desktop-Apps konnte ich ausschließlich auf einem Mac ausprobieren, sorry. Entschieden habe ich mich zuletzt aber ohnehin für Sage, das auf allen Plattformen (über Firefox) läuft. Aber auch RSSOwl (Mac/Windows/Linux) und Shrook (Mac) sind sehr zu empfehlen.

  1. Feedly: Website-basiert mit Smartphone-Apps. Hat leider bei Facebook-Seiten Probleme mit der Darstellung von Bildern und dem Finden der RSS-Feeds. Lässt sich auch in Evernote u.ä. integrieren. Übernimmt Favicons der Seiten, was sehr praktisch zur Orientierung ist. Vergleichsweise arm an persönlichen Einstellungen, für den Anfang aber ausreichend. Account-Erstellung leider über Social-Login (Facebook, Twitter, Google,…), heißt auch hier werden wir verfolgt.
  2. Sage: Firefox-Plugin. Grau-in-graues Design, übernimmt Favicons nicht, viele Einstellungsmöglichkeiten, kein Login, keine Cloud, keine Filtermöglichkeit für die verschiedenen Feeds, abgesehen von Ordnern. Macht die Liste leider unnötig unübersichtlich.
  3. NewsFox: Firefox-Plugin. Layout eignet sich nicht für kleine Bildschirme. Noch mehr Einstellungen als Sage, aber auch unübersichtlicher. Facebook-Posts werden innerhalb des Plugins nicht angezeigt werden, erfordern also jedes Mal einen neuen Tab.
  4. RSSOwl: Desktop-App. Viele Darstellungsoptionen, leider sehr kleine Darstellung von Facebook-Bildern (was an Facebook liegt), viele Einstellungen, übersichtlich.
  5. Shrook: Desktop-App. Simpel, verständlich.

Dem Ausprobieren neuer Dienste sind aber kaum Grenzen gesetzt, da kuratierte Feeds zwischen Readern oft einfach als OPML-Datei exportiert und importiert werden können. Schön ist auch, dass ein RSS-Reader natürlich nicht nur an die Feeds von Facebook-Seiten gebunden ist, sondern auch jene beliebter Blogs oder Medienseiten aufnehmen kann. Insofern ist ein RSS-Reader ohnehin eine gute Anschaffung und für viele, die schon länger im Netz unterwegs sind, wahrscheinlich auch schon nichts neues mehr.Wie kommt man allerdings an die RSS-Feeds der verschiedenen Facebook-Seiten? Tatsächlich ist das mit ein wenig Aufwand verbunden. Zunächst müsst ihr die URL der Facebook-Seite kopieren, deren Feed ihr haben möchtet. Die findet ihr z. B. in der Adressleiste eures Browsers, wenn ihr die Seite geöffnet habt.

FB-Seite

Bilder lockern Artikel auf und dienen als Orientierungsanker. Vielen Dank an Popmusikjournalistinnen.

Diese URL wiederum fügt ihr in das Eingabefeld auf dieser Seite ein. Die generiert euch dann automatisch die URL zum RSS-Feed der Seite mit dem der Reader was anfangen kann. Wer viele Seiten geliket hat wird an diesem Schritt eine Weile sitzen. Ich kann nur empfehlen nicht Seite für Seite in den Reader einzupflegen, sondern sich erst alle URLs rauszukopieren, alle nacheinander in RSS-URLs umzuwandeln und sie dann in den Reader einzugeben. Wer das erledigt hat, hat soweit ich das beurteilen kann, das nervigste auch schon hinter sich. Dennoch habt ihr mein Beileid, wenn ihr mehr Seiten auf Facebook folgt als ich. Ein anderer Nachteil des ganzen, den man nicht außer Acht lassen darf: Ihr verzichtet auf die Interaktionsmöglichkeiten und die Darstellungsweise der Facebook-Posts lässt natürlich zu wünschen übrig. Kommentare werden beispielsweise auch nicht dargestellt. Andererseits ist die Darstellung wesentlich klarer und wer einen Post gesehen hat, dessen Kommentarstrang interessant zu sein verspricht, kann auch schnell auf die Original-Seite zugreifen.

So weit, so gut.“Schritt 2: Facebook-Gruppen ersetzen” folgt in einem neuen Artikel. Bis dahin nehme ich natürlich gerne Feedback, Vorschläge, Ideen und Fragen entgegen.

 

Featured image via Flickr by Joelle L.