Die letzten Wochen waren wirklich interessant – im Internet und auf unserem Blog. Denn während wir unter meinem letzten Artikel in eine dicke Derailing-Falle getappt sind, war die Welt nicht müde uns zu zeigen, was alles schief läuft. Neben den fast schon täglichen Fällen von rape cultur oder dem neusten Beweis, wie  es um die Repräsentation von Frauen in Film und Fernsehen steht, kam auch der Rassismus leider nicht zu kurz.

Das jüngste Beispiel im englischsprachigen Raum ist sicherlich die Diskussion um Lily Allen. Hier zeigte sich wieder, dass das Engagement für eine politische Bewegung nicht automatisch die Immunität vor dem Reproduzieren anderer Diskriminierungsmuster mit sich bringt. Die Vorwürfe des Rassismus sind hier mehr als angebracht und stimmen mich traurig, denn ich nehme der Künstlerin ihre guten Absichten durchaus ab, aber reflektiert und aufgeklärt sieht leider anders aus.

Via flickr by squeezomatic

lily allen

Ihr Statement hat die Sache leider auch nicht besser gemacht!

Um Lily Allen soll es hier aber nicht gehen, denn erstens wurde dazu in den englischsprachigen Medien schon sehr viel geschrieben und zweitens gab es im Deutschen einen ähnlichen Fall, der mich hinterfragen ließ, ob wir wirklich im 21. Jhrd. angekommen sind. Erst stolperte ich über einen in diesem Herbst angelaufenen Film, indem sich Moritz Bleibtreu als Inder verkleidet und mit einem entsprechenden Akzent spricht und dann machte mich Twitter auf eine Kontroverse um Knorkator aufmerksam, die mit diesem Bild Werbung machen. Zu Recht kamen sehr schnell Vorwürfe wegen Rassismus auf. Daraufhin reagierte der Radiosender Radio Eins als Medienpartner auf die Vorwürfe und formulierte unter anderem diesen Satz.

 „Das neue Album basiert auf dem Kinderbuchklassiker “Der Struwwelpeter” von Heinrich Hoffmann. Das Artwork lehnt sich an die Illustrationen der Original – Ausgabe an. Mit Rassismus hat das aus unserer Sicht nichts zu tun.“

Der Rest der Antwort verweist auf die Ursprünge der Band in der linken Szene, auf das antirassistische Engagement und ähnliches.

Mich macht das wütend, denn diese Art von Reaktion zeigt, dass sich die entsprechenden Menschen erstens nicht wirklich ernsthaft mit der Problematik auseinander gesetzt haben und zweitens handelt es sich dabei um eine widerlich selbstgerechte Haltung.

Mit blackfacing ist nicht zu spaßen! Das ist eine eindeutig rassistische Praktik, die in den westlichen Ländern in Zeiten von noch schlimmerer Diskriminierung Gang und Gebe war. Problematisch ist sie nicht nur wegen des Anmalens selbst, sondern wegen der Stereotypen, die damit reproduziert werden! Nämlich die Reduzierung von People of Color auf zum Beispiel dümmliche, immer frohe oder betrunkene Stereotypen. Außerdem steht das blackfacing symbolisch für eine Zeit, in der es die Norm war, keine PoC als Schauspieler zu casten, sondern Weißen diese Rolle zu geben. Sichtbarer kann die strukturelle Unterrepräsentation kaum sein.

Diese Geschichte einer Praktik so existenziell zu ignorieren ist erstens ein Ausdruck von white privilege und zweitens unglaublich ignorant. Das Aber-es-ist-doch-lustig-Argument zieht nicht, denn wenn mensch zur privilegierten Gruppe gehört, kann er*sie nicht einfach die Erfahrungen und Kritiken der diskriminieren Gruppe von der Hand weisen. Satire kann eben doch nicht alles, denn wir leben nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum! Wendet mensch solche Traditionen an, dann trägt er*sie auch deren Geschichte mit! Ein sensiblerer Umgang mit dieser Thematik ist das mindeste und jede*r mit etwas Hirn in seinem Kopf sollte davon absehen jemals selbst blackfacing zu betreiben – Sei es im Theater, in der Werbung oder auf Partys!

Via flickr by rockandbacon

black

Blackfacing ist niemals ok!

Aber welche Reaktion bekommt der*die Kritiker*in auf Anmerkungen wie diese? „Aber wir sind doch nicht rassistisch, deswegen kann das ja nicht rassistisch sein!“ Die Selbstdefinition und –wahrnehmung schützt nicht vor Rassismus. Antirassistisches Engagement schützt nicht vor Rassismus – NICHTS schützt vor der Reproduktion von Rassismus außer dem ständigen Hinterfragen, Reflektieren, Lernen und Sensibilisieren und selbst dann ist das kein Freischein für sein*ihr Handeln. Dieses fast schon kindisch anmutende ‚Aber ich hab das doch nicht so gemeint‘, macht die Situation nicht besser, denn es zeigt, dass hier jemand nicht über den eigenen Tellerrand schauen konnte. Gleiche Reaktionsmuster finden wir auch bei Themen um Sexismus. Auch hier wird an dieser Stelle oft das Humorargument gebracht, auf weibliche Beteiligung verwiesen (ergo kann es ja gar nicht sexistisch sein) oder auf Vergangenes aufmerksam gemacht, dass hier zitiert werden sollte. Es ist erschreckend zu sehen, wie diskriminierende Strukturen immer gleich funktionieren. So verweist Radio Eins oben auf den Struwwelpeter. Dieses Kinderbuch gehört in eine Zeit, in der blackfacing alltäglich war, und reproduziert durch seine Sprache und seine Wortwahl so intensiv Rassismus, dass der Verweis auf dieses Buch in dieser Diskussion schon fast wie Hohn erscheint. An dieser Stelle noch einmal: Reproduziere ich die Tradition, reproduziere ich auch die Geschichte, dass eine kann ohne das andere nicht geschehen.

Via Wikimedia Commons

struwwel

Die Diskussion um Rassismus in Kinderbüchern ist auch wichtig und ein ganz eigenes Thema.

Natürlich ist es nicht angenehm zu merken, dass mensch an dieser oder jener Stelle (ungewollt) rassistische Strukturen reproduziert hat; Wer will schon als Rassist*in bezeichnet werden? Aber nur, weil mensch das nicht möchte, heißt es nicht, dass es nicht passieren wird. Denn wir leben nun mal in gesellschaftlichen Strukturen, die sehr tief rassistisch geprägt waren/sind. Wird mensch von Anderen auf rassistisches Handeln aufmerksam gemacht, dann sollte er*sie über die eigene Befindlichkeit hinwegsehen und sich fragen, wie es dazu kam, dass ihm*ihr dieser Vorwurf gemacht wurde. An dieser Stelle ist Zuhören angesagt, damit mensch lernen kann, was er*sie falsch gemacht hat oder sich selber zusätzlich informieren kann um ein vergleichbares Verhalten zu vermeiden. Das ist nicht immer ein einfacher Prozess und oft ist es ein schmerzhafter, da er zeigt, dass mensch eben nicht so antirassistisch ist, wie er*sie dachte. Die Reaktion von Radio Eins aber ist traurig und macht es nur schlimmer, denn letztendlich zeigt sie welch langen Weg wir noch zu gehen haben.