Und da haben wir sie wieder, die gleiche Diskussion, die alle zwei bis drei Jahre Trier ‚aufrüttelt’. Da kommt der Gregor Gysi nach Trier und denkt sich nichts Böses, wenn er darauf hinweist, dass die Moselmetropole stolz auf den guten Rauschebart Marx sein soll und schon sterben die Liberalen und die Konservativen fast an einem Herzinfarkt, nur weil das Gespenst des neuen Uni Namens in den geschichtsträchtigen Gassen umgeht.

Die Diskussion ist so alt wie die Uni selbst und wird wohl auch in zwanzig Jahren noch die Gemüter erhitzen. Jede*r, der*die mal ein oder zwei Wochen in den Büros der Verfassten Studierendenschaft verbracht hat, schüttelte in den letzten Tagen wahrscheinlich nur ermüdet den Kopf, weil so manch ein Volldepp meint, er*sie müsste seinen*ihren politisch nur halb verdauten Mist von sich geben. Wenn nicht hier und da doch noch ein Wuttränchen kullern würde, dann hätte sich auch schon längst eine gelangweilte Müdigkeit auf den Sofas und an den Bibliotheksschreibtischen ausgebreitet. Denn seien wir ehrlich, wie oft mussten wir uns das Gebrüll jetzt schon anhören?

Was zu den lächerlichen Äußerungen der üblichen verdächtigten, konservativen Möchtegern-Politiker*innen gesagt werden musste, wurde hier schon ausreichend besprochen. Aber mal ernsthaft. So unabhängig von Kalle und seinen ‘gefährlichen’ Theorien. Das mit der Namensänderung wäre wirklich was. Max hat das ja auch gestern schon in seinem als CD-Kritik getarnten Kommentar gesagt. Daher mal die mich brennend interessierende Frage:

Warum nicht Jenny-Marx-Universität?

Sie ist hier zwar nicht geboren, aber immerhin hat sie hier ein bisschen Zeit verbracht und war sowas wie eine Ballkönigin, wenn das nicht reicht! Viel wichtiger aber ist, dass sie eine ziemlich beeindruckende Persönlichkeit war, die wahrlich kein einfaches Leben hatte. Außerdem wäre ihr Karl wohl ohne sie nicht annähernd so weit gekommen und hätte nicht die Bedeutung erreicht, die er jetzt hat. Damit steht sie exemplarisch für ganze Generationen von Frauen, denen die Gesellschaft eine eigenständige politische und/oder kreative Stellung verwehrte. Sie war hochgebildet und hat Karls Texte nicht nur kopiert, sondern auch mit ihm diskutiert und jede*r, der*die schon mal einen schwierigen Text geschrieben hat (habt ihr mal nen Blick in Das Kapital geworfen? Das ist scheiße schwer zu lesen), weiß, dass mensch ohne seine*ihre Lektor*innen und andere Vertraute der Text nie das geworden wäre, was er am Ende ist. Außerdem sind die großen Frauen der Geschichte bei Würdigungen aller Art noch immer unterrepräsentiert. Jenny-Marx-Universität: Das wäre doch mal ein Statement!

by Stefan Kühn via Wikimedia Commons

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Ich find’ sie toll!

Zusätzlich hätten wir immerhin Marx im Namen und wer Jenny die Schuld an der Sowjetunion gibt, der*die hat wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank, wobei sie es ja regelmäßig gewagt hat, den guten Karl in seiner Philosophiererei zu unterstützen und auch noch selbst produktiv dazu beizutragen. Vielleicht also nicht die Schuld an der UdSSR, aber Cuba oder die DDR sind bestimmt drin. Karl ist da sicherlich großzügig.

Und wo wir schon dabei sind neue Wege einzuschlagen: Finden nicht noch mehr Leute die blöden Buchstabenbezeichnungen der verschieden Unigebäude doof? Die Hauptgebäude sind irgendwie nach dem Alphabet und die anderen dann doch nach der Funktion (z.B. V für Verwaltung) benannt. Ich finde das alles viel zu inkonsequent. Trier – mensch mag es kaum glauben – hat so viele wichtige Menschen auf die Welt gebracht, da können wir denen doch auch noch einmal ein bisschen Würdigung zukommen lassen. Und weil ich großherzig bin, dürfen die Konservativen auch ihr Otto-von-Bismarck-Gebäude haben (der ist zwar keine Trierer, aber wurde immerhin Ehrenbürger). Dann haben sie einen Ort, wo sie ihre Wunden lecken können, wenn wieder mal alle ihre ‚innovativen’ Onlinekampagne nicht so überzeugend fanden. Von mir aus kann Jennys Ehemann ein Gebäude bekommen, was etwas abseits liegt (immerhin ist seine Familie ja schon repräsentiert), dann ist das auch nicht so anstrengend im ehemaligen A- und B-Gebäude, wenn die Touristen aus Holland und China einfallen um Fotos zu machen. Die Germanist*innen kriegen dann Clara Viebig und für die anderen Fachbereiche oder Fächer finden wir auch noch was. Selbst der Guildo kriegt seinen Ehrenplatz, was haltet ihr von Guildo-Horn-Mensa? Wenn das nicht Zukunftsmusik ist.

By Nicola Perscheid via Wikimedia Commons

Clara_Viebig_by_Nicola_Perscheid_1890

Wobei ich immer noch der Meinung bin, dass Viebig auch deshalb berühmt ist, weil sie als eine der Wenigen über die Eifel geschrieben hat… Aber der Spannungsbogen in Das Weiberdorf ist einfach nicht  wirklich existent.

Ich meine, rein ökonomisch wäre das doch der Hammer! Alle finanziellen Probleme wären gelöst, wir erheben einfach eine Besucher*innenpauschale. Dann kann sich der*die gemeine Studierende auch wieder für Zertifikate einschreiben und diese Zusatzqualifikation auch nach dem Studium noch nachholen. Eine 24-Stunden-Bibliothek wäre auch noch locker drin und dann können wir auch all die nervigen und fächerbedrohenden Stellenkürzungen wieder zurücknehmen. Welch‘ ungeahnte Möglichkeiten sich da auftun würden! Der Guildo gibt auch bestimmt ein Spendenkonzert, dann muss auch unser Präsi keine Kritik mehr wegen seinem Weinberg hören.

Ja, stimmt, die Gänge wären noch verstopfter, aber dann stellen wir einfach ein paar arbeitslose Geisteswissenschaftler*innen ein, um den Verkehr zu regeln. Die können dann ihren Familien wenigstens noch sagen: „Ich arbeite an der Uni“. Klar, wir könnten auch einfach mal anerkennen, dass unsere gesellschaftliche Ausrichtung und das Wirtschaftssystem langsam und stetig kulturelle und bildungstechnische Einrichtungen zerstören und deshalb vor allem die ‚wirtschaftlich nicht profitablen‘ Berufe leiden… aber: Psst, das wäre ja kommunistisch, das geht ja nicht (fragt mal den Karl!).

Und überhaupt: Ich finde Gregors Vorschlag mit dem Lehrstuhl ja richtig toll. Ich meine, die Philosoph*innen dieser Universität müssen Kant doch eh schon über haben, das wäre doch mal was Neues. Das Ganze könnte mensch dann auch interdisziplinär angehen, dann kriegen auch die Soziolog*innen und Ökonom*innen was ab. Das Einzige, was besagter Mensch vielleicht ertragen muss, sind die Touristenströme zu seinem Büro. Aber hey, das ist doch ein geringer Preis für eine der heißumkämpften Professuren in Deutschland.

Aber ja, ja, ich weiß, das sind alles nur Utopien. Wahrscheinlich müssen noch ein paar deutsche Generationen zu Staub zerfallen, bis das alles so klappt. Daher machen wir hier bei DgWzG einfach einen Kompromiss. Wir rufen die Marx-Woche aus; über ihn und die Diskussion darum haben wir ja sowieso schon viel gepostet. Und feierlich begehen können wir das Ganze ja, indem Johannes und ich seinen heiß ersehnten Karl-Marx-Fanclub gründen. Vielleicht wird ja Gregor Gysi erstes Mitglied.

In diesem Sinne: Prost und mögen die Festtage beginnen!