Wenn man ein wenig Galgenhumor an den Tag legt, dann ist es tatsächlich zum Totlachen, dass zu ihren letzten herausgegebenen Spielen “Darksiders 2” zählt. Passender könnte der Rahmen um den vierten Reiter der Apocalypse, Tod, gar nicht ausfallen. Doch ohne uns zu lange an der traurigen Zerhackstückelung THQs aufzuhalten, will ich der Welt ein paar Gedanken zum episch gemeinten, aber erzählerisch schlichtweg zu kurz gekommenen Abenteuer aus dem Hause Vigil Games mitteilen.

Es versteht sich hoffentlich von selbst, dass ich neun Monate nach Veröffentlichung des Spiels nicht allzu viel darauf gebe, die Story zu verschleiern. Es gilt deswegen im Folgenden zu beachten, DASS DER TEXT VOLL VON SPOILERN zu “Darksiders 2”, sowie auch dem Vorgänger ist und sein kann.

 
Man hat sich schon Mühe gegeben “Darksiders 2” zu promoten. Geholfen hat es nicht genug!

Storyzusammenfassung

Im Himmel ist die Hölle los… oder so ähnlich. Die Ereignisse von “Darksiders” drehten sich um Krieg, den ersten Reiter der Apokalypse, welcher scheinbar ohne Grund auf die Erde hernieder fährt und den Weltuntergang einläutet. Die Dämonen danken es ihm und übernehmen, wogegen Krieg vom uralten Konzil für 1000 Jahre eingesperrt wird.

Krieg darf nach 1000 Jahren sein Bestes gegen die Horden von Dämonen geben, die inzwischen die kahle Erde bevölkern und die Balance allen Seins ordentlich aus dem Ruder gerissen haben. Wider Erwarten tritt Kreig in verdammt viele und verdammt eklige Ärsche und findet einen Verräter in den eigenen Reihen. Dank eines guten alten Catch 22 kann Krieg in einem letzten Kampf dafür sorgen, dass die Apokalypse tatsächlich eingeläutet wird, was bedeutet, dass Krieg erstens im Vollbesitz seiner Kräfte sein wird und zweitens auch die drei anderen Reiter Backpfeifen verteilen dürfen.

Es hat ziemlich viele lange Gesichter gegeben, als sich herausstellte, dass Tods Geschichte in “Darksiders 2” keine Anschlussgeschichte wird, sondern parallel zum ersten Teil spielen soll. Abgesehen davon, dass das heißt, dass Tod ein Millennium Däumchen gedreht hat oder die circa 20 Spielstunden wirklich nicht deutlich machen wie viel Zeit vergeht, wollte man sehen, wie die vier Reiter gemeinsam interagieren und die letzte Schlacht eingeleitet wird.

So begleiten wir Tod, wir er versucht zum Baum des Lebens zu gelangen und auf dem Weg dorthin von irgendwie niemandem richtig aufgehalten wird. Nur eine sich verbreitende Plage namens “Verderben” bringt das Finstere in Engeln und Dämonen gleichermaßen zum Vorschein und stellt eines der vielen Hindernisse Tods auf seiner Reise zum Baum dar.


Die Trailer sind stimmungsvoll geraten und machen die Story interessanter, als sie letzten Endes erzählt wird

Komm’ ich erzähl’ dir (k)eine Geschichte

Biblischer Stoff ist episch. Punkt. Ich habe es selbst nicht so mit Kirche und Religion aber wer sich etwas genauer mit dem christlichen Glauben auseinandersetzt, der findet ein Werk vor, dass selbst Silmarillion-Propheten vor einen Brocken von einer Aufgabe stellt. Gerade in Sachen Dämonen waren die Menschen des Mittelalters sehr einfallsreich, sodass man schon davon ausgehen konnte, dass es mindestens ein Dutzend böser Geister gibt, wenn man auch nur den falschen Schuh zuerst zubindet.

Im ersten Darksiders-Teil wurde man auf dieser Linie komplett enttäuscht. Außer ein paar Engeln (Uriel und Abaddon) und Auftraggeber Samael (der als zweitgefährlichster Dämon des Kosmos vorgestellt wird und dessen Aufgaben Krieg trotzdem ohne zu murren ausführt) sind keine Charaktere im Spiel, die hohen Erinnerungswert haben. Und selbst besagte Charaktere wechseln nur wenige Worte mit euch und sind so unterrepräsentiert, dass man sich eine Bindung zu diesen Charakteren schon inbrünstig wünschen muss.

Gerade weil mich die Geschichte Darksiders trotz schöner Grundvoraussetzungen nicht packen konnte, war ich lange kritisch gegenüber dem zweiten Teil. Ich war zwar von vornherein der Ansicht, dass das Spiel abermals sehr schön designt wurde, doch die Narben der schlechten Narration schmerzten noch immer. Durch den Zerfall THQs ist “Darksiders 2” allerdings inzwischen als Download für schlappe 9,99€ zu haben und so konnte ich nicht widerstehen und wagte einen Blick.

Tod reitet um Leben zu retten

Jetzt nochmal “Darksiders 2” Story im Zeitraffer. Gleich vorneweg: Im Zeitraffer klingt die Story verdammt unterhaltsam und macht Lust auf mehr. Warum das am Ende leider nur im Ansatz klappen möchte, wird auch noch besprochen. Die Story ist der gravierende Punkt, wenn man ausmachen möchte, warum “Darksiders 2” aus allen Poren “gut” schreit und Wertungen wie “exzellent” durch offensichtlich nicht genutztes Potenzial verhindert.

Tod reitet zum Krähenvater, der die Seelen der Nephilim (halb Engel, halb Dämon) für Tod aufbewahrt (warum erfährt man nicht, obwohl der Krähenvater im Lauf des Spiels auch weiterhin die Rolle des Wegweisers einnimmt). Tod verlangt vom Krähenvater, dass ihm dieser ein Portal zum Baum des Lebens öffnet, damit Tod die Menschheit retten und den Namen seines Bruders somit reinwaschen kann. Der Krähenvater ist inzwischen durch die ewigen Klagelieder der Nephilim-Seelen nicht mehr freundlich gesonnen und fordert Tod zu einem toll inszenierten Kampf als Schattenversion Kriegs heraus.

Tod gewinnt den Kampf, doch der Krähenvater integriert die Seelen in Tods Brustkorb (wenn das nicht Faust’sche Ausmaße annimmt. Da schlagen sogar mehr als nur zwei Seelen in einer Brust!) und es wird der tragische Hintergrund der Seelen erläutert. Denn auch Tod und seine drei “Geschwister” (Krieg, Hader und Wut… ja, ich hab es auf englisch gespielt und War, Strife und Fury klingen um Welten besser) sind im Darksiders-Universum Nephilim, die sich der Balance alles Seins gewidmet haben und die aufrührerischen Nephilim niederstrecken mussten.


Eine der vielen “guten” Ideen. Eine Arena mit Langzeitmotivation, die durch Macken gegen zu viele Gegner Nerven raubt, statt Spaß zu bringen

Langer Inhalt kurzer Sinn

Im Anschluss passiert eine ganze Menge. Tod bereist das Reich der Schöpfer und fällt riesige Steinriesen, sucht Audienz beim König der Untoten auf dessen fliegender Feste, die von riesigen Drachen gezogen wird (ein dezentes “FICK JA” an dieser Stelle!) und findet heraus, dass Absalom, der erste Nephilim (so ähnlich wie Adam für die Menschheit) im Verderben weiterlebt.

Das ist eine tolle Exposition, die sich allerdings über sehr viele Spielstunden zieht und viele Freiräume lässt. Nach zwei wortlosen Stunden in einem Dungeon verliert man schon mal den Bezug zur Story und dass der König der Untoten euch auf eine ewig lange Suche nach drei seiner Lords schickt, nur um sie dann auf der Stelle zu verbrennen und Tod zum nächsten Ort zu schicken, packt einen nicht.

Nicht nur dass, der Umgang des Königs mit seinen drei Lords ist sinnbildlich für ALLE Nebencharaktere in Darksiders 2. Sie werden in großer Fülle vorgestellt, sodass ich mich diesmal nicht über das Ausblieben “potenziell” interessanter Charaktere beschweren durfte. Aber keiner bekommt eine übergreifende Rolle, sondern nimmt nur einen kurzen Teil der Story ein. Somit verkommen die Charaktere zu bloßen Questmastern, welche die Story voranbringen, aber mit ihr selbst und dem gesteuerten Charakter nicht viel zu tun haben.

Man bekommt schnell das Gefühl, dass gerade aufgrund der vielen Ortschaften und Welten, die die Macher zeigen wollten, kein Teil so richtig ausgearbeitet wurde. Vom Gameplay, das knackige, aber bei hoher Gegneranzahl schlichtweg unübersichtliche Kämpfe liefert über die Jump’n’Run-Passagen, die teils gut konstruiert sind, aber beim Wettlauf gegen die Zeit Ungenauigkeiten offenbaren. Über das mäßige Balancing der ansonsten ganz gut überlegten Skilltrees will ich mich auch nicht unnötig auslassen.

5503383128_eab512a163
Er ist ein Guter! Wenn er nicht gerade seinen Bruder rettet, posiert Tod für Touristen. By wuestenigel

Was wäre wenn…

“Darksiders 2” hat mir am Ende Spaß gemacht, aber das – besonders in der Story – nicht genutzte Potenzial lässt mich weiterhin die Wände hochrennen. Eine epische Geschichte besteht nun mal auch aus mehr als einem Charakter und vielen Ortschaften, die es zu bereisen gilt. Nur weil die Welt gerettet wird, ist nicht gleich alles episch. “Darksiders 2” lässt alles in einem großen “Such und Bring”-Quest verebben, was hätte ein richtig großes Abenteuer werden können.

Was hätte sich nicht für eine Story um den “Kinslayer” Tod und die Dynamik der vier Reiter spinnen können (warum Tod seine beiden verbleibenden Geschwister nicht um Hilfe bittet, wird NATÜRLICH nicht erwähnt). Tods Schuldgefühle sind jedoch ungefähr so präsent wie Blut in modernen Kinder-Filmen.  Am Ende bleibt die große leere und man sucht oft vergebens nach der Geschichte, die Darksiders eigentlich erzählen wollte.