Ich hätte es wissen müssen.

Die Entscheidung sich von der Prokrastination loszulösen, kommt je nach Tagesform, einer Unheilsverkündung gleich. Denn jetzt wo ich die wenigen Schmöker, welche die Unibib zu meinem Thema hat, wälze, hab ich Hunger bekommen. Das Perfide daran ist, dass sich der Verfasser des Textes, den ich für meine Hausarbeit sezieren muss, mit dem äußerst schmackhaften Thema “Kannibalismus” auseinander setzt. Und weil manche Dinge nun mal so sind wie sie sind, zolle ich meiner Anfälligkeit für Ablenkung jeglicher Art natürlich wieder ihren Tribut und gebe mich absurden Gedankensprüngen hin, in denen Vollkornteutonen alle Schauspieler von das “Das große Fressen” verschlingen.

Da Murphy dementsprechend mal wieder bewiesen hat, dass er ein Wichser ist, hab ich mir nun eine Pause gegönnt, das Cinematic Orchestra zum Komponisten meines Arbeitsprozess-Soundtracks ernannt und nun kann´s weiter gehen mit dem werten Lu Xun. Wäre Letzterer nicht schon ein bisschen sehr lange tot, würde ich mich eigentlich gerne mal mit ihm auf ein alkoholisches Kaltgetränk treffen. Dieser Typ muss nämlich ein sympathischer und vor allem talentierter Undercover-Zyniker gewesen sein. In seiner Kurzgeschichte “Tagebuch eines Verrückten”, wirft der Protagonist seinen Mitmenschen das Einverleiben anderer Lebewesen um des eigenen Vorteils willen vor und entlarvt somit die konfuzianische Feudalethik. Interessanterweise wiesen mehrere Sprachwissenschaftler Parallelen zwischen Lu Xuns Werk und Nietzsches “Also sprach Zarathustra” nach. In eben diesem Kontext stieß ich auf eine Aussage, die mich an die derzeitige Diskussion zum Thema Mädchenflohmarkt denken ließ.

Der Satz lautete schlicht und ergreifend: “Die Ähnlichkeit zwischen beiden bildet die Grundlage für Differenzen”.

Meiner persönlichen Auffassung nach, prallen bei Themen wie Gleichberechtigung, Heteronormativität und allem was die Begrifflichkeitskiste in dem Rahmen noch so zu bieten hat, manchmal (vor allem Frauen-)Welten aufeinander, die´s zwar nicht böse miteinander (oder mit sonst jemandem) meinen, aber die sich trotzdem gegenseitig nicht so ganz koscher sind. Das Resultat sind nicht selten thematische Massencaramboulagen.

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(Copyright: Cory K.)

Wer Annis Post zum Thema Mädchenflohmarkt aufmerksam liest, merkt, dass sie weder die Veranstaltung an sich, noch die Organisatorin, geschweige denn das Exhaus in ein schlechtes Licht rücken möchte. Sie beschreibt den Kontext in den solche Themenfelder eingebettet sind. Und das sind sie nun einmal, ob man da Bock drauf hat oder nicht. Uns erreichte jetzt schon einiges an Feedback und der ein oder andere merkte an, dass der Kontext zu breit gefasst sei, aber eben gerade hier wird der eigentliche Knackpunkt ersichtlich:  Die Dimension des Kontextes legen weder wir, noch Veranstalter jeglicher Art fest, sondern das ist nun mal das Terrain auf dem man sich bewegt, wenn man diese Rhetorik benutzt. Die Kritik galt also dementsprechend dem Sprachgebrauch und implizierte keineswegs die Unterstellung, die Veranstalterin vertrete die Haltung, die hinter einer derartigen Wortwahl stehen kann.

Nachdem es gestern Abend auf der Facebook-Seite der Veranstaltung zur Löschung jeglicher Posts kam, die diesen Sprachgebrauch kritisierten, fragte ich nach, warum die Anmerkungen nicht mehr vorhanden sind. Die Veranstalterin befand die Diskussion für unnötig, dementierte eine heteronormativ Haltung zu vertreten, betonte, dass der Markt für Besucher jeglichen Geschlechts offen sei und erklärte, dass ein Titel wie “Frauenflohmarkt” eine ältere Zielgruppe angesprochen hätte und somit eventuell verhindert hätte, dass auch jüngere Besucherinnen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren gekommen wären.

Soweit, so gut.

Was mich an dem Thema fast schon amüsiert ist die Tatsache, dass ich beide Seiten nachvollziehbare Motive für Argumentationen haben, aber der oder die Hunde eigentlich anderswo begraben liegen. Es geht hier weder drum, sich Tage lang über diese eine Veranstaltung in Trier zu unterhalten (denn wie Anni bereits berichtete, gibt´s gleichnamige Formate in etlichen anderen Städten und diese schmücken sich teilweise mit wahrhaftig grenzwertigeren oder fast schon unfreiwillig komischen Aussagen –> siehe zweitletzter Abschnitt in diesem Artikel), noch beabsichtigt hier irgendwer nen (um mal dem einzigen Ismus zu frönen, den ich wirklich mag, nämlich dem Neologismus) gediegenen Bitchfight.

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(by amphalon via flickr.com)

Es geht viel eher darum, dass man sich eigentlich nicht permanent gegenseitig Steilvorlagen bieten muss. Einer der gelöschten Posts vom gestrigen Abend enthielt die Aussage der Veranstalterin, man setzte bei Konzepten für Veranstaltungen nun mal auch Stereotype ein. Ich für meinen Teil bestreite das keineswegs, aber ich frag mich trotzdem manchmal, warum man so tief in die Mottenkiste greifen muss. Eine halbwegs erwachsene Zielgruppe in “Jungs” und “Mädchen” zu unterteilen, halte ich persönlich nicht für einen Skandal, sondern schlichtweg einfach nur für nicht sonderlich kreativ.  Und JA, mit Stereotypen kann man spielen, aber ab wann einem das auch wirklich gelingt, das ist Geschmacks-/Auffassungssache. Für mich kommt die ganze Geschichte hier eher dem sicherlich nicht schlecht gemeinten Scherz des Otto Versandes nahe, den scheinbar nicht nur angeblich tollwütige Feministinnen lame fanden.

Die Organisatorin hat in diesem Falle eine Sprache gesprochen, die viele Menschen verstehen und das soll in erster Linie auch nicht als negativ dargestellt werden. Es stellt sich nur die Frage, ob die praktikabelste Variante auch immer die sinnvollste ist.

Ironischweise scheint es so, als ob die jungen Frauen, sowie die jungen Männer, die bei diesem Blog mitwirken, das Interesse hegen, auf dem Flohmarkt aufzutauchen. Zum einen weil sie Flohmärkte mögen und zum anderen weil es sehr löblich ist, den vielen, ohne Zweifel talentierten Designern aus Trier eine Plattform zu geben.

Vielleicht trifft man sich dann ja dann auf ein Bier in der sogenannten “Jungsecke”.

(Das Zitat im Titel stammt von Samual Johnson)