Manchmal bleiben Alben auf der Strecke. Entweder weil man zum Zeitpunkt des Releases noch nicht wusste, was man für einen Schatz vor sich hat oder einfach weil man es vergessen hat. Es könnte auch gut sein, dass man in der Woche nach dem Release Geburtstag hatte und deswegen mit dem Kopf schon wieder ganz woanders war. Ich gebe einfach mal der Asian Kung-Fu Generation, Mika und Aimee Mann die Schuld, dass mein Hirn Mitte September musikalisch überladen schien.

Via flickr by Käthe deKoe
Sizarr
Sind sie nicht süß?

Die Leidtragenden sind Sizarr aus Landau. Ich kann mir selbst nicht erklären, warum ich DIE deutsche Popsensation des letzten Jahres nicht im neuen Ton verwurstet habe. Endlich versucht sich eine Band mal wieder an all den Experimenten und Tugenden, die ich seit den ersten beiden Polarkreis 18-Alben regelmäßig auch aus dem deutschsprachigen Raum fordere. Überfordert war mein Hirn von dem Overload, den ich erst eine Woche vorher seitens Anna Aaron erfahren durfte, die recht konventionellen Pop auf ihrer Scheibe “Dogs In Spirit” sehr schön mit experimenteller Frische angereichert hat.

Sizarr gehen auf ihrem Debüt noch einen Schritt weiter und dürfen sich in Sachen Einfallsreichtum ruhig mit Bands wie Radiohead messen. Mit ähnlich weiten Soundlandschaften wie Alex Clare in seinem Windows-Promo-Song “Too Close”, aber ohne den ausgenudelten DubStep zaubern sich Sizarr durch eine gute Dreiviertelstunde, die von ausladendem Gesang, preschenden Percussions und einer guten Prise Größenwahn lebt. Wenn man als anspruchsvoller Tanzflächenwischer schon auftrumpfen will, dann soll man doch gefälligst zu den wagnerischen Bläsern in “Boarding Time” zappeln und zur fernöstlich angehauchten Kuschelnummer “Tagedieb” schmusen.


Und das passiert, wenn man sich zu sehr zu Björk hingezogen fühlt…

Bei allem Respekt gegenüber den Klangprofessoren von Everything Everything muss man vor Sizarrs Angehensweise einfach den Hut ziehen. Wie der deutsche Dreier den Rhythmus zu den eigenen Gunsten einsetzt und vermeintliche World-Music einbindet, um hypnotische Pop-Musik zu schaffen, ist schlichtweg beeindruckend. Dass die Band dafür nicht vom Hocker reißt, wenn sie einen auf romantisch intim macht (“Icy Martini” und “P.B.E.W.”) ist zu verschmerzen, wenn larger-than-life Hymnen à la “Cat Mountaineer” und “Purple Fried” noch Wochen lang im Hirn herum schwirren.

Mindestens zwei Drittel des Debüts “Psycho Boy Happy” sollten das Potenzial haben in der Heavy Rotation von Pop-Liebhabern zu landen und das ist ein mehr als nur ordentliches Ergebnis für die Landauer. In Anbetracht mangelnder Lebenszeichen seitens Polarkreis 18 (die zusätzlich die Hypothek ihres mäßigen, dritten Albums wettmachen müssen), ist Sizarr zur zeit der Fixpunkt der modernen Popmusik aus Deutschland. Tut mir wirklich leid, Lena Meyer-Landrut.