Das Wort “nackt” lässt sich bis in die Zeit des Proto-Indogermanischen zurückverfolgen und ist somit über 5500 Jahre alt. Man braucht keinen Doktortitel, um das unter anderem von der Tatsache herzuleiten, dass Menschen zufällig auch schon früher nackt waren.

Diesen Zustand der Kleiderlosigkeit zu benennen ist jedoch weitaus leichter, als ihn nonverbal zu übersetzen. Fotografen werden in eben diesem Kontext zu Dolmetschern. Doch zuvor müssen sie eine der wohl komplexesten Sprachen die es gibt, nämlich die Bildsprache, erlernen.

(Foto von: DerBelichta)

Im Rahmen des Projektes Unikörper 2013 haben sich  die Fotografen Marco Piecuch, DerBelichta und der Initiator des Projektes, Ulysses Wagner erneut mit eben diesem Lernprozess auseinander gesetzt.

Obwohl es sich bei Nacktheit definitiv um einen der wohl größsten gemeinsamen Nenner zwischen jeglichen nur möglichen Parteien handelt, kann dies eine Konsensfindung bei der künstlerischen Darstellung des Thema ungemein erschweren.

In erster Linie muss eine Übereinkunft mit den Modellen, die in diesem Fall allesamt Laien  waren, getroffen werden. Wie auch im vergangen Jahr war zuvor ein Aufruf gestartet worden, um Menschen für das Projekt zu rekrutieren und allein diese Phase beinhaltete schon ihre Tücken, da nicht etwa die Organisatoren, sondern die potentiellen Modelle selbst, Schranken sahen, wo keine waren. Es kam zu Kritik seitens des Publikums, da beispielsweise keine molligen Frauen auf den Bildern zu sehen waren, obwohl sich die Fotografen niemals verwehrt hätten gegenüber derartigen Motiven.

(Foto von: Marco Piecuch)

Diese Probleme und Missverständnisse konnten anhand der Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr überwunden werden. DerBelichta beschreibt die Vorgespräche mit den Modellen als einen Prozesse hin zur Entdeckung der eigenen Fotogenität. Für ihn stellte die Tatsache, dass es sich nicht um professionelle Modelle handelte eine interessante Herausforderung dar, die er nicht als anstrengend, sondern als umso bereichernder wahrnahm.

Die 24 Modelle sollten allesamt in einer für sie angenehmen Umgebung abgelichtet werden und sie wurden bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Nacktheit von den Fotografen begleitet.

Aktkalender – Anna from Michel Trampolin on Vimeo.

Die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper kann im Rahmen dieses Projektes aber keineswegs nur als Selbstzweck der einzelnen Modelle gesehen werden, sondern soll unterstützend für jene Betrachter wirken, welche in der Auseinandersetzung mit der eigenen Nacktheit Hemmungen verspüren.

Auch Ulysses Wagner durfte seit Beginn des Projektes mehr als einmal die Erfahrung machen, dass es gerade im Kontext der Aktfotografie nicht einfach ist, den Weg zwischen Sender und Empfänger zu ebnen. In der doch recht konservativ geprägten Stadt Trier, bestand ein Teil der Arbeit darin, sowohl potentielle Kooperationspartner, als auch das Publikum für das Thema zu sensibilisieren. Dass die Einnahmen, die der Kalender erbringen wird, alle in Form von Spenden an die Deutsche Aidsstiftung und das Aktionsbündnis gegen Homophobie weitergeleitet werden, spricht für sich und könnte auf den ein oder anderen Kritiker eine beruhigende Wirkung haben.

Aktkalender – Ulysses from Michel Trampolin on Vimeo.

Für den professionellen Fotografen Marco Piecuch stellt dieses Projekt unter anderem eine Möglichkeit dar, im Gegensatz zu der Situation bei Auftragsarbeiten, einen viel größeren Freiraum zu nutzen. Ziel ist es, auf eine künstlerische Art und Weise Barrieren aufzuheben.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei diesem Kalender um das Resultat eines Kunstprojektes handelt, kann man sich fragen, inwiefern und ob die zuvor angesprochene Konsensfindung überhaupt in einem letzten Schritt vollzogen werden muss. Ich denke, dass die Vernissage, die im vergangenen Monat im Brunnenhof stattfand weitaus langweiliger verlaufen wäre, wenn alle Anwesenden sich in absoluter Einigkeit und Zustimmung stillschweigend gefreut hätten.

Ein Werk, dass jedem vollends zusagt, verhindert Fragen und blockiert weitere Gedanken. Bei diesem Projekt haben jedoch einige Leute Mut bewiesen und sich viel Arbeit gemacht, damit eben genau dieser statische Zustand nicht eintritt.

* Zitat von Josephine Backer