Manchmal fragt der kleine Mann (oder die kleine Frau in meinem Fall) sich, warum so oft behauptet wird, die Kulturveranstaltungen in Trier seien zu teuer. Denn heute Abend durfte jeder der wollte, ohne einen Cent dafür zu zahlen, einer Theatervorführung allererster Güte beiwohnen.

Diese Möglichkeit nahmen denn auch zahlreiche Trierer wahr und es stellte sich mir die Frage, ob das Theater Trier nicht sogar ein wenig neidisch geworden wäre. (Aber das ist eine andere Frage…)

Die Tatsache, dass beeindruckend viele  junge, wie ältere Gesichter die Reihen säumten, ist wahrscheinlich unter anderem darauf zurückzuführen, dass das Drehbuch vielen längst bekannt war.

Zu Beginn der Vorführung vermochte der Zuschauer nicht sofort festzustellen, ob man sich bei der Umsetzung des Drehbuchs, an die griechische Tragödie anlehnen wollte. Für ein wenig mehr Klarheit diesbezüglich, sorgte dann aber das Erscheinen des ersten tragischen Helden, nämlich des Tausendfüßlers.

Das Theaterstück wird der schon genannten Gattung in dem Punkt gerecht, als dass die Situation der Hauptfigur sich (zumindest ihrem Empfinden nach,) nach dem Eintritt der Katastrophe verschlimmerte. Der tragische (selbsternannte) Held klagt über jene andere Wesen, welche ihn, seiner Auffassung nach, mit einer Unmasse an Schuhen überhäufen wollen. Er will das ihm angeblich aufgezwungene Schuhwerk nicht tragen, verfällt seiner Verzweiflung und verhindert somit auch den realen Dialog mit den anderen Wesen. Ob und (wenn,) wie es zu der Hybris (der Selbstüberhebung, über die angeblich höchste Gewalt) kommen wird, bleibt jedoch unbeantwortet, da der erste Akt schließt, ohne dieses Mysterium aufzulösen.

Der erste Akt, allem voran das Verhalten des Hauptcharakters, weisen außerdem einige Parallelen zum letzten Werk Molières auf. Die übertriebenen Selbstbeobachtungen des tragischen Helden, legen die Annahme nahe, dass er glaubt, an etwas zu leiden, das er eigentlich nicht hat. Vielleicht fokusiert er sich zu sehr auf die Schuhe, so dass seine Sicht derart eingeschränkt ist, das er den Blick für das Wesentliche verliert. Vielleicht gibt es die Überzahl an Schuhen nicht. Und vielleicht ist er auch überhaupt kein Tausendfüßler.

                                                         (by Zen00zero via flickr.com)

Der zweite Akt fiel ohne Zweifel ausgefallener aus. Dem Publikum bot sich eine doch recht ungewöhnliche Art Theater-Mash-up. Präsentiert wurde eine bunte Mischung aus Amateur-, Kinder- und absurdem Theater. In diesem Kontext darf definitiv von einer Umdeutung des Begriffes “Politisches Theater” die Rede sein. Kenner würden es zu guter Letzt wahrscheinlich doch der Gattung der Tragi-Komödie zuordnen.

Zudem wird ein weiterer Rückgriff auf die griechische Komödie, wenn auch auf eine anachronistische Art und Weise, vollzogen. In zweiten Akt fährt nämlich nicht nur ein, sondern gleich mehrere tragische Helden auf. Sei es nun, die wohlwollend, aber unbeholfen scheinende Gestalt, die vom angeblichen Joch der Fremdsteuerung im Palast berichtet oder jener Schatzmeister unter den Hofnarren, der letzteres eigentlich  gar nicht sein wollte. Außerdem hätten wir dann noch die umweltbewusste Dame, welche dafür plädierte, Trier finanziell mit Untersätzen, wie dornröschen-artigem Schuhwerk, gefährlichen Kutschen, und gleichzeitig auch der Verbesserung der dazugehörigen Unterlagen, zu verschonen. Hinzu kommt jener Halunke, der wahrscheinlich weniger Redezeit bekam, weil er im Gegensatz zu den anderen verdächtig vollständige Sätze bilden konnte. Zu guter Letzt reiht sich dann noch ein tapfrer Knappe ein, der oftmals wirkte, als möge er weinen. Sei es, weil das mit der Mehrheit im Stadtrat wohl für immer ein Traum bleiben wird, oder auch einfach nur, weil bestimmte Anwesende, die hohe Kunst des Pöbelns, jedoch nicht jene des Sich-Manierlich-Zu-Wort-Meldens beherrschten.

Die Moral von der Geschicht ist scheinbar, dass man sich irgendwie einig ist und doch irgendwie auch nicht.

Die eigentlichen, wichtigen Hauptcharaktere des Drehbuchs, nämlich die Kinder und Jugendlichen, wurden selten bis gar nicht erwähnt. Vielleicht hätte die Story dann auch weitaus weniger lächerliche Pointen aufzeigen können.

Mal sehen, ob sich die Truppe, die heute im Mergener Hof das Publikum bespielte, auch von anderen Häusern buchen lässt. Wer weiß, vielleicht beträgt die Gage ja dann genau 168 000 Euro…

(Und wie konnte ich Schelm nur vergessen, zu erwähnen, wer nicht durch Bühnenpräsenz glänzte: Die Beschützer der Nation, welche Deutschland und vor allem Trier vor dem links-extremen Unheil bewahren wollen (womit wir fast wieder bei Molière und seinem eingebildeten Kranken wären), waren weder da, noch haben sie (den Aussagen der Veranstalter zufolge) abgesagt. Na sowas. )