Jawoll! Keine Scheiße! Kinder, schreibt euch den 06.07.2012 auf. Völlig egal, dass der schon vorbei ist. Kalender schnappen, Datum ausschneiden und als einen der besseren Freitage des Jahres für die Musikindustrie in Erinnerung behalten. Übrigens an dieser Stelle auch gleich die Erinnerung, dass nächsten Freitag der berüchtigte 13te ist. Wer von euch also sowieso schon nicht ganz frisch mit aufgestellten Leitern, schwarzen Katzen, der hofft gar nicht erst auf nächsten Freitag und badet sich weiter in der qualitativen Glorie der Vorwoche.

P.S. Falls es euch beruhigt: Die Ziffer/Zahl 13 ist in der jüdischen und japanischen Kultur eine Glückszahl. Also wenn ihr nicht blindlings behaupten wollt, dass die Erfinder von so fantastischen Dingen wie der fortgeschrittenen Münzprägung (erfunden ist das falsche Wort, aber jetzt seid nicht kleinkariert!) und der wunderbarsten, landesweiten Internetverbindung des Planeten alle an Gehirngefrierbrand leiden, dann reißt euch verdammt noch mal zusammen!

Der gute Ton

Letzte Woche ist es mir selbst schwer gefallen jemanden zu promoten, dessen Musikrichtung ich selber nicht genau höre. Außerdem habe ich mich aufklären lassen, dass man Dying Fetus viel weniger Death Metal als Grind Core nennen sollte, aber auch ich bin am Ende nur ein Mensch, der versucht irgendwie alle Geschmäcker unter einen Hut zu bekommen. Die wenigsten werde ich dabei mit der Band Imaginary War ins Boot holen können. Aber Herrschaften! Wer Post-Rock mit viel Erinnerungswert in Richtung der 80er interessant finden sollte, der hat einen starken Vertreter mit dem neuen Album der Band „Replacing The Ghosts“ in der Hinterhand.

Also Synthie ja, aber am Ende doch mehr wie Depeche Mode mit Geschlechtsteilen aus Massivgestein. Industrial und Post-Rock ballern hier gemütlich ihre Akkorde durch den Raum und kümmern sich viel weniger um Ohrwuhrm-Melodien als um kraftvolle Klangteppiche, die eure Gehörgänge auf immer neue Art bombardieren. Das klingt alles schon recht aggressiv und machen wir uns nichts vor: Für schwache Nerven ist der Spaß auch nicht.

Vinyl Heaven

By Matthias Rhomberg via flickr

 

Die Ton-Landschaft

Ok, ok, ok. Ich weiß, dass ihr alle nach was ganz Anderem lechzt. Der letzte Freitag hat uns schließlich ein Album gegeben auf das ganz Deutschland seit geraumer Zeit wartete!

Serj Tankian, die (Haupt-)Stimme von System of A Down hat wieder ein Soloalbum auf den Markt gehauen. Im Gegensatz zum sehr avantgardistisch gehaltenen “Imperfect Harmonies“ kommt das neue Album „Harakiri“ mit einer viel fokussierteren Ladung Rock daher. Mit ordentlich Punk unter der experimentellen Sound-Zuckerwatte gibt es wieder gut auf die Ohren.

Da vergisst man beinahe, dass es Frank Zappa – möge er ihn Frieden ruhen – uns seit so langer Zeit nicht mehr mit neuer Musik beglücken kann. Wenn ein Punkt ganz hell unter der Tonlandschaft vom 06.07.2012 strahlt und leuchtet, dann ist es Tankians Rückkehr zur nötigen Härte.

Cro? Ach so! Ja… Also das Album ist halt so anspruchsvoll wie der Titel geworden. Entschuldigung, aber „Raop“? Was für eine kunstvolle Verbindung aus den Wörtern Rap und Pop… Geht’s noch? Das ist doch kein Fußballplatz hier! (Werner-Anspielung, Kinnärs!) Hip-Pop, Pop-Hop, Rap-Pop, Post-Urban-Pop… Mann! Genau diese Larifari-Einstellung geht bei genauem Hinhören auch ganz schnell auf den Sack und für Frauen auf vergleichbare Körperteile!

Cro hat mit seinen Mixtapes bewiesen, dass er die modern-musikalische Interpretation der Gefühlslage „Easy“ sein kann. Das Album hingegen hat einfach nur bewiesen, dass der Stuttgarter leider dieses Potenzial in keiner Weise auszubauen versucht. Viel eher schleichen sich ganz offenkundige Lückenfüller ein, die darauf hinweisen, dass der Mann mit der Panda-Maske bei der Idee vom großen Geld schwach geworden ist. Bei allem – irgendwo auch verdienten – kommerziellen Erfolg, wäre es schön, wenn Cro versucht seine auditive gute Laune für die Zukunft noch schöner zu gestalten.

Als dritten und letzten Tipp gibt es noch die Dirty Projectors. Die beglücken die verspielteren unter euch mit Art-Pop der besonderen Art. Viele Hip-Hop-Beats, eine Prise Rock und ein saftiger Schuss Electronica ergeben eine angenehme Tour de Sound. Für Bandverhältnisse reißen sich die Dirty Projectors auf „Swing Lo Magellan“ auch gehörig am Riemen und überlagern nicht wieder dutzende Vocals, sondern suchen ihr Heil in der Reduktion. Da der neue Output nicht weniger interessant klingt, ist die leichtere Hörbarkeit des neuen Albums großteils als willkommene Neurung zu betrachten.

 

Ton-Kompost

Hallelujah! Kritik fällt diese Woche flach! Bis auf das nervige Möchtergern-Tiefgrund-Album „Stille“ von Brothers Keepers-Mitglied Chima gibt es kein Album, das man gleich ungespitzt in den Boden stampfen müsste.

Record Matrix Room, Berliner Gramophone Company, Montreal, QC, 1910

By Musée McCord Museum via flickr

 

Ton-Salat

Anstatt dessen könnt ihr euch als Rock-Fans aller Art an außerdem sehr gut gewordenen Outputs von Frequency Drift, Everclear, Saga und Triggerfinger erfreuen. Und für die sanften Seelen unter euch ist Eleni Mandells „I Can See The Future“ ein angenehm heißer Tipp für die Singer/Songwriter-Fraktion. Lasst euch nicht sinnlos vom Cro-Hype mitreißen. Ein paar Titel des Schwaben sind auf jeden erlösend, sobald die Sonne sich endlich gegen das Wechselwetter hier durchsetzt. Bis dahin gibt es aber viel zu viel wirklich überlegte, abwechslungsreiche und tolle Musik, die nicht schon beim Debüt am zu melkenden Euter völlig ausgelaugt von Profitgier ist.