Musikalische Genres sind schwierig. Sie sind in gewisser Weise, manchmal und auch nur vielleicht nötig, müssen zwangsweise aber sehr grob bleiben. Man nehme beispielsweise die Unterscheidung zwischen Jazz, Pop und Klassik, die drei gängigen Meta-Genres in der Musik. Dass es einen Unterschied zwischen klassischer und populärer Musik gibt, ist irgendwo noch einleuchtend – aber Jazz? Der wird zum Teil mit den gleichen Instrumenten gemacht wie Popmusik und, im engeren Sinne, auch manche klassischen Stücke (Blasinstrumente, Klavier etc.). Sobald wir aber in die Popmusik abtauchen, wird es gänzlich blöde: Da haben wir Rock, Pop im engeren Sinne, Hip-Hop (der ja mittlerweile auch viel Pop ist), wir haben Techno, vielleicht noch Indie oder Singer/Songwriter und schließlich Metal, mit seinen Myriaden an Untergenres. Kann mir jemand den signifikanten, musikalischen Unterschied zwischen Doom-, Death-, Thrash- oder Vampire- und Gothic-Metal erklären?

Das vorweg also zu Genregrenzen, bevor ich anfange über eine bestimmte Musikrichtung zu schreiben. Es geht um Post-Rock, diese mysteriöse Spielart der Instrumental-Musik. Wenn ich versuche, Leuten das Genre zu beschreiben, dann sage ich so etwas wie „Klassisches Rock-Ensemble, die lange Stücke spielen, ohne Gesang, mit Elektronik-Einflüssen“. Das beschreibt aber nur einen Teil des Spektrums der verschiedensten Bands. Gemeinsam haben aber alle Vertreter*innen von Post-Rock, dass sie eine Abwechslung vom so oft gehörten und klinisch durchproduziertem Mainstream-Pop bieten – und ich daher mehr und mehr Musik aus dieser Richtung höre, manche Alben sogar genieße. Und das schöne daran, so ein Genre entdecken zu dürfen, ist, immer wieder etwas Neues zu finden. Neue Variationen, neue Interpretationen von Bekanntem, abgefahrene Experimente, nervige Wiederholungen, ans Unhörbare grenzende Dissonanzen – all das findet sich in dieser riesigen Fundgrube des Genres. Es ist so, wie wenn man eine*n neue*n Autor*in entdeckt und vielleicht auch so, wie eine neue Beziehung zu beginnen: Am Anfang ist alles extrem aufregend und es stürzen die neuen Erfahrungen auf einen ein. Da freut man* sich, wenn es einzelne Orientierungspunkte in einem Meer aus Neuem gibt.

Deswegen finde ich es großartig, dass es YouTube-Kanäle wie den von Ahmet aus der Türkei gibt. Unter Worldhaspostrock veröffentlicht Ahmet regelmäßig Uploads von Bands aus dem Bereich Post-Rock. Meistens sind eine kleine, unbekannte Bands, die er auf Bandcamp oder per Reddit entdeckt hat. Jedes Video enthält Hinweise auf die Musiker*innen und den Aufruf, die Macher*innen zu unterstützen. Worldhaspostrock ist aber nicht der einzige Kanal, der Musik aus dem Bereich Post-Rock teilt. Da gibt es noch Wherepostrockdwells, In the woods, 9eCn3 und weitere, die sich zum Teil gegenseitig unterstützen und hochvoten. Es ist in diesen Zeiten einfach rührend und auch ganz wichtig zu sehen, wie Menschen zusammenfinden, sei es über das Internet, Musik oder beides. Ahmet bekommt in seinem Video, in der er auf Feedback seiner Hörer*innen hofft, ganz viel positive Rückmeldung und Unterstützung – eine Seltenheit in den bekanntermaßen toxischen Kommentaren bei YouTube. Ich selbst habe durch die verschiedenen Kanäle schon ein paar Bands und Musiker*innen entdeckt, die mein Leben seitdem mit viel schöner Musik angereichert haben.

Ich bin mir sicher, dass es für viele andere Genres ebenfalls entsprechende Kanäle gibt. Reddit und Bandcamp sind ebenfalls zwei wunderbare Anlaufpunkte für Leute, die sich nach neuem Ohr-Input sehnen. Und was gibt es schöneres, als eine neue Beziehung mit neuer Musik einzugehen?

Featured Image by Mikey G Ottawa