Die Oscars sind vorbei und ich muss sagen: Hut ab. Nach vielen Jahren der Enttäuschungen, hat es sich endlich mal wieder gelohnt sonntags die Nacht durchzumachen. Nicht etwa, weil alle meine Favoriten gewonnen haben, sondern weil es die politischsten Oscars waren, die ich je gesehen habe.

Es ist nicht unbedingt neu, dass die Presiverleihung mit politischen Themen auffällt. Besonders bei Filmen wie Philadelphia oder Milk gehört es (zwingend) dazu, dass die Gewinner*inn*en den Moment nutzen, um die in den Filmen kritisierten Diskriminierungsstrukturen  zu kommentieren und damit zur Besserung aufrufen. Ein klassisches Beispiel dafür wäre z.B. die Rede der Produzenten von Spotlight dieses Jahr, die berechtigter Weise darauf hingewiesen haben, dass auch heute noch Kinder von Mitgliedern der katholischen Kirche missbraucht werden.

Das besondere dieser Verleihung war ohne Zweifel Chris Rock, der nicht nur in seinem Eröffnungsmonolog auf die #OscarsSoWhite-Debatte verwies, sondern das Thema über die gesamte Preisverleihung streckte. Unterstützt von präsentierenden Schauspieler*inn*en wie Kevin Hart, kann man ohne Widerspruch festhalten: NIEMANDEN konnte entgehen, dass die größten Filmpreisverleihung der Welt ein immenses Problem hat, wenn es um die Repräsentation von Diversity im Allgemeinen (dazu gehören z.B. auch Frauen* hinter der Kamera, genauso wie transsexuelle Kunstschaffende) und um People of Color im Speziellen geht. Fast jede Minute, in der nicht Filme vorgestellt oder Nominierte ausgerufen wurden, lebte von #BlackLivesMatter und #OscarsSoWhite.

Ich hatte dieses Jahr das Privileg die Verleihung in einem der schönsten Kinos Hamburgs zu sehen und es war eine tolle Erfahrung. Nicht nur weil das Team im Savoy (Vorsicht Werbung: wenn ihr jemals in Hamburg seid, geht ins Savoy!) unglaublich bemüht war und Kaffee aufs Haus angeboten hat, sondern auch weil ich das erste Mal in den Genuss kam die Oscars mit einer Gruppe von Menschen zu sehen, die nicht meine Freund*inn*en waren. Da es sich bestimmt um fünfzig oder mehr Personen handelte (ich bin unglaublich schlecht im Schätzen von diesen Dingen), kann ich davon ausgehen, dass nicht alle meine politische Überzeugung teilten. Es war interessant zu beobachten, wie die beiden amerikanischen (weißen) Männer vor mir immer weniger lachten, je mehr Witze Chris Rock über den Rassismus Hollywoods riss. Oder wie still sie wurden, als Lady Gaga sich für die Opfer von Vergewaltigungen stark machte. Auch als Sharmeen Obaid-Chinoy ihren Oscar gewann und Sisterhood zelebrierte wie kaum eine andere Frau in den letzten Jahren, schien nicht das komplette Publikum im Kinosaal diesen Moment genauso zu feiern wie ich.

Und hier zeigt sich das Problem, wenn Normen angegriffen werden. Viel zu oft, wenn die Kamera auf die vielen weißen Schauspielenden schwenkte, schien man den Eindruck zu haben, dass mehr für die Kameras gelächelt wurde. Insbesondere Silvester Stallones fast schon entnervtes Kopfschütteln bei Rocks Witz über die unrealistische Darstellung der Welt des Boxen im Rocky-Franchise zeigte, was der Host meinte als er sagte: Die Oscars sind sorority racist. Denn letztendlich musste sich das weiße, liberale Amerika die ganze Zeit gedanklich mit dem afro-amerikanischen Teil seiner Gesellschaft auseinander setzen und kam damit doch am aller Besten den Spiegel vorgehalten. Nur so kann Außenstehenden auch nur ansatzweise vermittelt werden, wie es sich anfühlen muss, ein*e nicht Weiße*r in den USA zu sein.

An dieser Stelle sei aber auch gesagt, dass es nicht nur der Inhalt war, der überzeugte, sondern genauso die Inszenierung der Veranstaltung. Die Kameraführung und das Setting haben viel dazu beigetragen, diesem Jahr ein besonderes Gefühl zu vermitteln. Hier und da blieb es dennoch etwas holprig: Die Musikauswahl war manchmal etwas fragwürdig, wenn die Präsentierenden in die Bühne betraten und auch das Einblenden von vorher eingereichten Dankeslisten der Gewinner funktionierte nicht wirklich. Dennoch gelang es den Menschen hinter der Kamera die Oscars klassisch aber nicht zu verstaubt zu präsentieren.

Sei es die starke und wichtige Laudation des Vize-Präsidenten der Vereinigten Staaten auf Lady Gagas Performance, in der er sich explizit gegen #slutshaming und #victimblaming ausgesprochen hat oder Leonardo DiCaprios Dankesrede, in der er auf die globale Erwärmung aufmerksam machte: Die Oscars 2016 haben gezeigt, dass selbst kommerzielle Veranstaltungen dazu genutzt werden können wichtige, gesellschaftliche Missstände ins Rampenlicht zu rücken. Natürlich war nicht alles perfekt. Rocks Witze über asiatische Kinderarbeit waren nicht wirklich zielsicher und es wäre schön gewesen, wenn er ab und zu versucht hätte deutlich zu machen, dass nicht nur Afroamerikaner*inn*en, sondern auch andere Minderheiten unterrepräsentiert sind. Auch was Sexismus betrifft, hat sich der Host nicht wirklich mit Ruhm bekleckert. Aber alles in Allem waren dies für mich die besten Oscars seit langer, langer Zeit (die einzige Show. die ich live gesehen habe und mir ähnlich im Gedächtnis blieb war das Jahr mit Hugh Jackmann). Dementsprechend sind die Erwartungshaltungen groß für das nächste Jahr, für die Nominierungen genauso wie für die Show selbst.

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