Batman tut es, Spiderman macht praktisch nichts anderes, Superman kann sich auch nur selten zurückhalten, sogar Iron Man und Thor tun es bisweilen. Nur Flash, der bleibt meisten auf dem Boden der Tatsachen. Alle anderen und noch viele Superheld*innen mehr hocken und fliegen über Hochhausdächer, lümmeln auf denen herum oder schwingen sich von Dach zu Dach. Als Superheld*in muss mensch wohl schwindelfrei sein.
Ich bin definitiv kein Superheld. Nach meinem Abitur habe ich im Zivildienst als Hausmeister in einem Krankenhaus gearbeitet. Dabei musste ich hin und wieder auf das Dach des fünfstöckigen Gebäudes hoch. Und stellte fest: Im Angesicht des steilen und tiefen Weges nach unten bin ich wohl nicht ganz schwindelfrei. Warum aber sind Dächer so anziehend für Superheld*innen und nicht zuletzt für die Bilderwelten von Filmen und Comics?
Natürlich hocken die da oben, weil es einfach ein schönes Bild ergibt. Comics und Filme sind ja auch nichts weiter als visuelle Medien, die von guten Bildern leben. Da wird die Realität schon mal hingebogen, um eine tolle Einstellung zu bekommen: Niemand muss sich ernsthaft fragen, was diese*r Held*in jetzt dort oben zu suchen hat. Trotzdem werden Held*innen immer wieder mit der Realität abgeglichen.
Das Präfix als Wesenskern
Dabei sollte mensch das möglichst vermeiden. Denn Superheld*innen leben von ihrem Präfix der Übertreibung, der völligen Abkopplung von der Realität und nicht zuletzt: vom Hype. Batman, Superman, Flash, Wonderwoman, Aquaman, Thor, Hulk, Spiderman, Black Widow – alle bilden sie Möglichkeiten der Realitätsflucht für Kinder und Erwachsene. Die funktioniert nur, wenn die Welten, in denen sie spielen, Fantastisches beinhalten.
Gänzlich fantastisch dürfen diese Welten allerdings nie sein, denn ein weiterer Reiz jener Figuren besteht in der Grenzüberschreitung. Nicht nur der menschlichen, körperlichen Grenzen, sondern auch der gesellschaftlichen und teilweise gesetzlichen Bestimmungen. Denn letztlich üben unsere Superheld*innen Selbstjustiz aus, bekämpfen ihre Gegner*innen im Alleingang und liefern sie – im besten Fall – höchstens mal bei der Polizei ab. Die Kollateralschäden, die dabei bisweilen entstehen, werden oft genug mehr oder weniger explizit ignoriert und damit der Allgemeinheit überlassen. Superman hat nun mal keine Haftpflicht.
Via Flickr by T K
“Das tut mir ja sehr leid, Herr Superman, aber dieses Hochhaus, dass sie gerade zerstört haben, kostete 800 Millionen Dollar. Wir müssen Sie leider mitnehmen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob wir eine Kaution für sie beantragen können.”
Superheld*innen dürfen tun, was uns Alltäglichen versagt bleibt. Der Grund: Sie sind per Definition Avatare des Guten, setzen ihre Macht für das “Richtige” ein – zumindest sobald sie in ihr Kostüm geschlüpft sind – und sollten sie einmal Fehler machen, dann wird ihnen verziehen. Sie meinten es ja nicht böse. Ist ein*e Held*in mal moralisch fragwürdig, so wird sich darum bemüht, diesen Konflikt (teilweise ziemlich kompliziert und haarsträubend) wieder aufzulösen, damit am Ende einer Storyline wieder der Status quo ante herrscht. Sonst wäre das Publikum um sein Happy End betrogen.
Und genau das macht Superheld*innen für mich eher langweilig. Sie gewinnen immer, können gar nicht anders. All die Auswirkungen ihrer Handlungen sind immer temporär, am Kern des/der Held*in ändert sich nichts. Das entspricht natürlich auch den Wünschen der Rechtinhaber. Denn Superheld*innen sind nicht anderes als Marken ihrer jeweiligen Verlage. Und die haben ein Interesse daran, ihre Marken aufrecht zu erhalten und so möglichst lange möglichst viel Umsatz damit zu machen.
Wolverine ist tot – Es lebe Wolverine!
Max hat mal als Link dieses Interview von Glen Weldon empfohlen, in dem genau der Spagat zwischen erzählerischem Anspruch und wirtschaftlichem Interesse beschrieben wird. Letztlich sind Superheld*innen natürlich nur ein Unterhaltungsprodukt, wenn auch eines, das stark in die Popkultur eingedrungen ist und dank der Kulturindustrie um Film und Comics auf viele Leute einwirkt. Aber gerade diese Breitenwirkung würde Superheld*innen für tolle, gesellschaftlich relevante Diskussionen zu einem wunderbaren Objekt machen. Immerhin versuchen viele Comic- und Filmplots aktuelle Gesellschaftsthemen abzudecken, wie die Debatten um Sexismus oder Homophobie im Comicbereich zeigen.
Aber ausgenommen vom Sexismus müssen diese Diskussionen allerdings ins Leere laufen. Denn kein Rechteinhaber würde seine Hauptsuperheld*innen beispielsweise als homosexuell präsentieren. Zu groß wäre die Gefahr, dass sich Fans plötzlich vor den Kopf gestoßen fühlen würden. Deshalb sind auch nur zwei weniger wichtige X-Men in einer homosexuellen Beziehung, oder eine Grüne Laterne, die in einer anderen Zeitlinie existiert. Da ist der Mut von Marvel, Thor zu einer Frau umzuschreiben, schon wirklich bemerkenswert. Allerdings bleibt bei allen Diversifizierungsbemühungen immer der Verdacht, dass dies nur passiert, um neue Zielgruppen zu erschließen, also aus wirtschaftlichem Interesse.
Via Flickr, by amanda
Denn jede*r CEO ist im Grunde eine geldgeile Katze.
Superheld*innen bleiben langweilig. Der beste Beweis dafür sind Geschichten wie Watchmen oder Kick-Ass, die Superheld*innen aus ihrer Übertreibungswelt herausholen und mit unserer Reallität konfrontieren. Das Resultat ist Kick-Ass’ Plot über die Unvereinbarkeit von übermenschlicher Selbstjustiz mit der gesellschaftlichen Existenz von Individuen. Watchmens “Comedian” ist ein Kommentar zur Machtfülle, welche Superheld*innen im Prinzip genießen und wie diese – im wahren Leben – korrumpieren würde. Und Dr. Manhattan beweist, dass Superkräfte dazu führen können, dass die Held*innen sich irgendwann gar nicht mehr für menschliche Belange interessieren.
Und vielleicht schauen Batman, Wonder Woman, Spiderman und Konsorten noch immer von Hochhausdächern auf die Normalsterblichen hinab. Wegen der Aussicht, der guten Bilder, die daraus entstehen und der Distanz zwischen ihnen und unserer Realität. Ist Schwindelfreiheit eigentlich eine Superkraft?
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