Ganz prinzipiell bin ich der Meinung: Mehr Demos! Für alle Spiele! Damit jede*r mal ausprobieren kann, wofür sie oder er einen ganzen Batzen Geld hinblättern soll. Max findet Demos übrigens auch sehr gut. Aber die Zeiten haben sich genauso geändert wie die Spieleindustrie und heute stelle zumindest ich mir die Frage: Brauchen wir noch Demos?
Bitte nicht falsch verstehen: Ich finde Spieledemos noch immer die beste Möglichkeit für Spieler*innen, ein Spiel kennenzulernen. Ein schönes Beispiel: “Mount & Blade” erlaubt es seinem Publikum, das gesamte Spiel kostenlos zu spielen – zumindest bis der eigene Charakter Stufe 7 erreicht hat. Danach kann mensch zwar weiterspielen, ab nicht mehr aufsteigen.
Aber es ist verständlich, dass Entwickler*innen kaum noch Demos veröffentlichen. Denn deren Erstellung kostet Zeit, sie müssen getestet werden und angeblich wirken sich Demos negativ auf die Verkaufszahlen aus. Marketing ist da viel effektiver und ersetzt zunehmend die Erstellung von Demos.
Es gibt aber auch für uns Spieler*innen Gründe, auf die Installation von Demos zu verzichten. Und die liegen nicht nur in Festplattenplatz, Downloadgrößen oder nerviger Installation und Deinstallation.
1. Spiele sind Marken
Es gibt so viele Remakes und Sequels, weil viele Spiele zur Marke geworden sind. Beispiele: Doom, Quake, die Total-War-Reihe, War/StarCraft, Dragon Age. Alles Spiele aus unterschiedlichen Genres, aber gleichzeitig deren bekannteste Vertreter. Jede*r kann sich unter Doom 4 etwas vorstellen, weil ein bestimmtes Spieldesign mit der Marke verbunden wird. Kaum jemand erwartet vom nächsten Assassin’s Creed einen Strategietitel, genau wie beim Namen Wolfenstein die wenigstens an ein Puzzle-Spiel denken (obwohl die Reihe tatsächlich als solches anfing). Kurz: Die meisten Spiele sind Teil einer Serie und als solches ist eine Demo kaum nötig, da die Menschen meist wissen, was sie bekommen.
2. Vorberichterstattung mit Gameplay-Videos
Die allermeisten Entwickler sind sich heute der großen Bedeutung von Werbung und PR für Videospiele bewusst. Deswegen gibt es auch vom kleinsten Indie-Spiel heutzutage Trailer. Einer der wichtigstens Lektionen aus den Kickstarter-Erfolgen und Misserfolgen ist: Habt Gameplay parat, das ihr als Beweis herzeigen könnt. Speziell AAA-Titel treten vor ihrem Erscheinen eine Flut an Trailern los, die auf die verschiedenen Spielaspekte heißmachen sollen. Der Hype verdrängt die handfeste Demo. Die Kund*inn*en sollen sich so gut informiert wie möglich fühlen, dann können sich Entwickler*innen und Publisher die Demo sparen.
Seltsame Relikte aus vergangenen Zeiten
3. Beta-Zugänge und Early Access
Steam hat mit seinem Earl-Access-Programm fraglos einen Trend losgetreten: Die Spieler*innen werden viel früher in die Finanzierung eines Titels miteinbezogen, im besten Fall sogar in dessen Entwicklung. Der Deal ist: Entwickler*innen nehmen das Feedback der Community auf und entwickeln so ein besseres Spiel, wohingegen die Käufer*innen Geld für ein unfertiges Produkt ausgeben. Eine Demo wäre deshalb kaum repräsentativ für das endgültige Gameplay und steckt obendrein wahrscheinlich noch voller Bugs. Mit Beta-Zugängen und dergleichen wurde das System sogar in gewisser Weise umgedreht: Jetzt zahlen Spieler*innen sogar für eine (quasi) Demo-Version.
4. Let’s Play-Videos
Es ist schwer, ein gutes Let’s-Play-Video zu finden. Entweder nerven die Sprecher*innen (naja, meistens noch eher Sprecher) oder sie haben ein schlechtes Equipment, im schlimmsten Fall sind es irgendwelche hypermaskulinen DudeBros, die sich durch ein Level ballern. Zur Not kann mensch aber noch den Ton ausmachen. Ungeachtet ihrer Qualität gibt es eine erhebliche Menge an Let’s Plays zu fast allen Spielen, was es wiederum erleichtert, sich ein Bild vom fraglichen Titel zu machen. Das eigene Spielerlebnis allerdings können auch Let’s Plays nicht ersetzen.
Wenn Demos die Funktion gehabt haben, Menschen für ein Produkt zu interessieren, so wird dies nun vom Marketing erfüllt. Es geht für die Konsument*inn*en darum, sich subjektiv über ein Spiel gut informiert zu fühlen. Die Entwickler*innen und Publisher setzen in dieser Hinsicht vermehrt auf Werbung statt handfeste Erfahrung. Das ist im Prinzip Schade, denn Werbung versucht immer zu manipulieren. Das eigene Spielgefühl beim Antesten durch eine Demo ist da wesentlich ehrlicher. Aber wie angedeutet: Es gibt für Entwickler*innen viele Gründe, auf Demos zu verzichten. Nicht alle sind nachvollziehbar, nicht alle sind ehrlich. Die Tatsache aber bleibt, dass kaum noch Testprogramme von Spielen veröffentlicht werden. Dabei würden wahrscheinlich gerade Indie-Spiele, die zum Teil noch ein paar Demos veröffentlichen, davon profitieren.
Brauchen wir also überhaupt noch Demos? Zugegeben, nicht wirklich. Aber sie würden der Videospieleindustrie ein bisschen mehr Ehrlichkeit im Umgang mit den eigenen Kund*inn*en zurückgeben. Und das ist allemal ein Grund, nicht auf Demos zu verzichten.
Featured Image by Kevin
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