Gäbe es einen Fanklub von Karl Marx, ich würde ihm beitreten. Tatsächlich gibt es aber keinen, was mich etwas schockiert hat, als ich diesen Fakt gerade im Internet nachschlug. Wie dem auch sei, ich finde Karl Marx ist eine faszinierende Figur, nicht nur durch seine sozioökonomischen Theorien und sein politisches Engagement, sondern auch in Form der Geschichte, die sein Menschenleben erzählt. Bis auf zwei starben alle Kinder vor Marx’ eigenem Tod, die überlebenden Damen brachten sich selbst um. Die Familie lebte im Londoner Exil in bitterster Armut. Obwohl er Jenny von Westphalen/Marx wahrscheinlich wirklich geliebt hat, zeugte er mit der langjährigen Haushälterin (einer Saarländerin…) ein Kind. Bereits mit sechzehn Jahren begann Marx das Jurastudium und schloss sechs Jahre und drei Universitäten später mit dem Doktor der Philosophie an. Ein wortgewaltiger Theoretiker des Kapitalismus, musste er sein ganzes Leben von Friedrich Engels Unterhalt beziehen. Und so weiter. Marx hatte ein unglaublich bewegtes und deshalb faszinierendes Leben. Natürlich ist Marx eine polarisierende Ikone geworden. Gerade mit der Geschichte von Marx’ Bildern, also wie mit dem Bild Karl Marx’ speziell nach seinem Tod umgegangen wurde, setzt sich die durchaus empfehlenswerte Ausstellung im Stadtmuseum Trier auseinander, die dort derzeit gezeigt wird und welche ich vor kurzem besuchen konnte. Und als ich nach dem Besuch der Ausstellung wieder in einen sonnigen Spätnachmittag im frühlingshaft warmen Trier trat, da fiel mir eine der verhassten Maschinen auf, gleich vor der Touristeninformation.

karl marx wohnhaus_bernhard wernerGegenüber der Touristeninformation steht übrigens auch das Wohnhaus der Familie Marx. Ja, dort ist jetzt ein Ein-Euro-Shop drin. Manchmal ist die Welt so unheimlich zynisch, dass ich weinen möchte. By Bernhard Werner, via Wikimedia Commons

Segways… Oh, Segways… (ihr müsst euch übrigens vorstellen, dass, wann immer ihr Segways lest, ich das in der selben Betonung und Stimmungslage mache wie dereinst Lord Helmchen in Spaceballs den Namen seines Erzfeindes Lonestar intoniert)
Ich verstehe Segways nicht. Ich verstehe ihren Nutzen nicht, ich verstehe nicht, wie jemand glauben kann, dass so ein Segways ein ernsthaftes Geschäftskonzept sein kann und ich verstehe nicht, warum sich irgendjemand überhaupt einen Segway zulegen kann. Oder überhaupt sollte. Meine Abneigung rührt nicht nur aus prinzipiellen Sachüberlegungen her, nein, ich finde Segways sind auch eine ästhetische Zumutung. Mensch sieht einfach saudämlich aus, auf diesem motorisierten Einrad mit zwei Rädern und einer Lenkstange. Dazu noch der Fahrradhelm, der bei keinem Menschen auf dieser Welt jemals irgendwie ästhetisch auch nur befriedigend aussehen kann. Nein, jede*r sieht auf einem Segway affig und scheiße aus, egal wie gut gebaut oder hübsch anzusehen die Person sonst ist. Und trotzdem: Segways finden sich sogar hier in Trier. Regelmäßig. Wahrscheinlich sind diese Segway-Touren auch noch ständig ausgebucht.

Geht einfach mal auf die Webseite der Touristeninformation Trier und schaut euch die Bilder an, die dort von diesen fröhlich lächelnden Segway-Fahrer*inne*n zu sehen sind. Wollt ihr so bescheuert aussehen? Wollt ihr auf diesen Dingern stehen und den Eindruck machen, als müsstet ihr euch gerade einen fiesen Diarrhö-Anfall verkneifen? Dann lasst eure Patschehändchen von Segways! Aber mein Unverständnis geht noch weiter, hat handfeste Gründe. Der Segway füllt für mich keine Marktnische aus, die nicht schon anderweitig besetzt wäre. Entweder von unseren Füßen oder von einem alten, aber immernoch coolen Fortbewegungsmittel: Dem Fahrrad.

bikes and trees_sven cipidoHa! Versucht das mal mit einem Segway! Die Dinger wiegen knapp fünfzig Kilo! By Sven Cipido, via Flickr.com

Gut, mensch kann mir hier Befangenheit vorwerfen. Ich habe ja bereits einmal meine Zuneigung zum Fahrrad bekundet. Aber ernsthaft: Ein Fahrrad bringt viel mehr als ein Segway. Die Reichweite ist beispielsweise höher. Eine Akkuladung bringt einen durchschnittlichen Segway knapp 38 Kilometer weit. Ein Fahrrad fährt den ganzen Tag über, ohne dass es aufgeladen werden muss. Ein Segway fährt maximal 20 km/h, das macht selbst ein*e ungeübte*r Fahrradfahrer*in ohne Probleme im dritten Gang mit links ohne ins Schwitzen zu geraten. Mehr noch, 20 km/h ist eigentlich gemütliches dahinradeln, während ein Segway da schon abriegelt. Und schließlich hält Fahrradfahren fit und ist gesund, während mensch auf einem Segway steht, keine Kalorien verbrennt und nebenbei scheiße aussieht. Wer will das denn? Ausserdem kann ich auf einem Fahrrad Sachen mitnehmen oder meine Einkäufe im Rucksack transportieren, während das bei einem Segway diese Gleichgewichtssteuerung stört und man wahrscheinlich bei unglaublichen 20 km/h Spitzengeschwindigkeit einen tödlichen Unfall hat, wie 2010 der damals frischgebackene Besitzer von Segway Inc.

Natürlich kann ich mir vorstellen, warum Leute so ein Gerät interessant finden. Es ist neu, ungewöhnlich und es macht wahrscheinlich auch Spaß, damit zu fahren. Es ist sogar so neu und ungewöhnlich, dass eine neue Fahrzeugklasse in die us-amerikanische Straßenverkehrsordnung eingeführt werden musste: das Electric Personal Assistive Mobility Device (EPAMD). Der Fahrspaß rührt aus der ungewöhnlichen, aber gleichzeitig intuitiven Gleichgewichtssteuerung her, obwohl ich das nicht wirklich beurteilen kann, da ich noch nie auf so einem Teil stand. Aber wie alle Spielzeuge, zum Beispiel iPads, verliert es nach einiger Zeit seinen Reiz. Vor allem wenn es so verdammt unpraktisch ist wie ein Segway, zumindest im Vergleich zum Fahrrad. Und deshalb will es mir partout nicht in den Kopf, wieso teilweise ganze Polizeistreifen mit Segways durchgeführt werden. Die Polizist*inn*en sehen doch total lächerlich aus auf ihren fahrenden Besenstielen! Wer nimmt die denn Ernst? Wie überkompetent wirkten denn bitteschön im Gegensatz dazu die fahrradfahrenden kalifornischen Cops aus der Fernsehserie „Pacific Blue“ (1996 – 2000 und nicht besonders gut, aber hey, immerhin besser als Segway-Polizisten)! Aber wahrscheinlich passen Segways besser zur eher behäbigen und humorlosen deutschen Polizei als wilde Fahrräder.

west german police 1952_thardy1Motorradpolizisten sind dabei ja bis heute berüchtigt. Seht ihr, wie keiner von denen lacht? Unglaublich! By thardy1, via Flickr.com

Ich bin mir sicher: Würde Karl Marx heute noch leben, er würde Fahrrad fahren und Segways für einen weiteren Fetisch des Kapitalismus halten. Aber eines ist genauso sicher: Egal ob Segways oder Fahrräder, einen Helm muss mensch eigentlich bei beiden Gefährten aufziehen. Und in einem Fahrradhelm sähe auch Karl Marx eher doof aus.