Ich bin eine große Freundin von Ästhetik. Dinge, die mich ästhetisch ansprechen, machen mich glücklich. Das führt leider auch oft dazu, dass ich Dinge besitzen möchte, die nicht unbedingt sinnvoll sind, aber allein durch ihre Anwesenheit meinen Tag verschönern. So wie der Teewagen, den ich letzte Woche gekauft habe. Auch wenn ich keinen Platz in meinem Zimmer habe, meine Mitbewohnerin mich zurecht unermütlich darauf hinweist, dass ich doch bitte nicht immer diesen Flohmarktkram anschleppen soll (weil auch im Rest der Wohnung der Stauraum rar wird) und ich sowieso zu viel Zeugs habe; Das Teewägelchen war von solcher Schönheit, dass ich es besitzen musste, in dem Wissen, dass ich irgendwann Platz haben werde (oder Platz dafür mache… oder so)!

Regale und RaumteilerMit Parasit zeigte Inge Armbruster in der Austellung Shelfmade wie sich einfache Formen zu einem verspielten und ästhetischen Ganzen zusammenfügen. ©Dirk Mentrop

Ich bin eine große Freundin von Funktionalität. Nichts ist befriedigender als ein Möbelstück, das wenig Platz wegnimmt und trotzdem unglaublich viele Dinge in sich aufnehmen kann. Gerade als Studentin (oder eine Person in einer vergleichbaren finanziellen Situation) ist es von Vorteil Aufbewahrungssysteme zu haben, die auch einen Raum von 11 m² optimal ausnutzen können. Egal ob clevere Ideen zum Aufhängen von Tassen, Schränke, die sich perfekt in kleine Nischen schmiegen, oder Tische, die mensch in der Wand verschwinden lassen kann, nichts erleichtert das Aufräumen und ordentlich Halten so sehr wie funktionale Möbel.

Regale und RaumteilerLego mal ganz anderes –  mit W/Mood gibt Natalie Heinz der Einfachheit ein neues Gesicht. Leicht zu transportieren und jedem Raum anpassbar, was will mensch mehr? ©Dirk Mentrop

Aber wenn ich ganz ehrlich bin – und das kommt natürlich total unerwartet (note the irony) – bin ich eine Freundin davon, wenn sich diese beiden Aspekte zusammenfügen. Denn was kann es besseres geben, als ein Gerät oder Möbelstück, das diese beiden Extreme verbindet?

Regale und RaumteilerWer kennt sie nicht, die leidige Suche nach einem schönen Schuhreagl? Falter 3.0 von Anja Knodel hat alles, was zu einem guten Möbelstück dazu gehört: Funktionalität, schlichtes Design und tolle Materialien! ©Dirk Mentrop

Nun erzähle ich hier niemandem etwas Neues und nicht erst seit den Geburtsstunden von IKEA streben Produktdesigner*innen und Innenarchitekt*innen die Verschmelzung dieser beiden Elemente an. Wie andere große Fragen, die die Menschheit bewegt haben, kommt sie aber nie aus der Mode, da die Antwort eben keine einfache, sondern eine komplexe ist.

Regale und RaumteilerEinem ganz anderen Thema widmet sich Timo Knauer mit mOld, indem er es schafft raue Materialien und minimalitische Schlichtheit in ein Möbelstück zu gießen. ©Dirk Mentrop

Es sollte also niemand vor Überraschung aus allen Wolken fallen, dass sich die Studierenden der FH Trier in einem Projektseminar diesem fast schon philosophisch anmutenden Problem angenommen haben. In der Ausstellung Shelfmade, die mensch letzte Woche Mittwoch besuchen konnte, näherten sie sich am Beispiel des Regals der Gretchenfrage: Praktisch oder Schön?

Regale und RaumteilerNach dem Teewagen-Vorfall bin ich ziemlich sicher, dass das Pendel bei mir in Richtung ‘schön’ schwingt, weswegen mir NOduS von Swantje Reinke sofort ans Herz gewachsen ist. Der Mut zum etwas anderen Material hat sich gelohnt! ©Dirk Mentrop

Die Ergebnisse könnten nicht unterschiedlicher sein, genauso wie die Qualität der ausgestellten Stücke. Wandelte mensch durch die Aula am Paulusplatz, dann konnte mensch eine abwechslungsreiche Fahrt durch die unterschiedlichsten Eindrücke erleben. Von ‘Das hab ich doch gestern im Ikea-Katalog gesehen’ über ‘Wow, so einfach und so genial’ bis zu ‘wie wunderherrlichst, ich will es haben’ ist alles dabei gewesen. Besonders interessant waren aber nicht nur die einzelnen Stücke, sondern die individuelle Präsentationen. Denn jedes Möbelstück hatte einen eigenen Flyer, der am Ende mit anderen zu einer Broschüre zusammen geklippt werden konnte. So ist es den Besuchenden möglich gewesen sich einen individuellen Ausstellungskatalog zusammenzustellen. Es blieb also jedem*r selbst überlassen, ob er*sie nur seine Lieblingsstücke in Text und Bildform mit nach Hause genommen hat oder auch die weniger gefälligen für sich dokumentierte.

Neben diesem praktischen Aspekt verdeutlichte diese Werbeentscheidung aber auch, wie wichtig eine gute Präsentation ist. So sehr sich die Möbel selbst unterschieden, so sehr taten sich Lücken in der Qualität der Beschreibungstexte auf. So sind es die Konzeptstücke – die durch den ‘Werbetext’ noch leichter als solche zu identifizieren sind – die mich am meisten beeindruckt haben.

Regale und Raumteiler“Dabei hält sich die vergleichbare Nutzbarkeit in Grenzen, was den parasitären Chakater des Regals unterstreicht.” Bei keinem anderen Regal verbinden sich Text und Ausstellungsstück zu so einem vollkommenen Ganzen wie bei Parasit. ©Dirk Mentrop

Trotz dieser leisen Kritik ist es bemerkenswert, was die Studierenden im mittlerweile 4. Semester hier geleistet haben. In der MItte ihres Studiums zeigen sie, was alles möglich ist. Diese Erfahrung bekam aber eine ganz neue Dimension, wenn mensch sich beim Besuchen der Ausstellung bewusst machte, dass die Möbel zu großen Teilen aus Eigenmitteln der Studierenden finanziert wurden. Auch wenn es in allen Studiengängen, egal ob Kunst, BWL oder den Geisteswissenschaften der unterschiedlichsten Couleur, Voraussetzung ist, dass Studienmittel selbst gekauft werden, wird einem*r deutlich, wie groß die Unterschiede zwischen den Studienrichtungen sind. Während ich als Studentin der Geschichte meine Kosten reduzieren kann, indem ich Bücher nicht kaufe, sondern in die Bibliothek gehe, ist die Studienrealiät hier eine andere. Und auch wenn es bestimmt viele Möglichkeiten gibt mit Sperrmöbeln oder preiswerten Produkten toll neue Dinge zu schaffen, gibt es sicherlich nicht wenige Studierende der Innenarchitektur in Deutschland, die schon manches Projekt fallen lassen mussten, weil sie sich bestimmte Materialien nicht leisten konnte. An der Qualität dieser Projekte hängt aber in diesem Fall der Erfolg des Studiums, während es meinen Lehrenden am vom-Lesen-gekrümmten Rücken vorbei geht, ob ich meine Fachliteratur in der Bib kostensparend klein kopiert oder neu gekauft gelesen habe.

Bin ich die einzige oder finden das noch mehr Menschen ein bisschen schade?

Regale und RaumteilerSo vielfältig wie die deutsche Studienlandschaft ist das Regal standART 827 von Leonie Steinfelder. Von zwei Seiten benutzbar ist es der ideale Raumtrenner, der, egal ob Tasse oder Hausarbeitenordner, allen Dingen individuellen PLatz bietet. ©Dirk Mentrop

Diesen Exkurs in die Poiltik beiseite war das Besuchen der Ausstellung durchaus ein Genuss. Auch wenn nicht alle ausgestellten Stücke das Rad neu erfunden haben, sind genug interessante und mutige Möbel dabei gewesen, die sowohl in Konzeption, als auch Material variiert haben. Mensch ging mit dem Wunsch nach Hause eins der Regale besitzen zu können oder selber ein cooles Regal zu bauen. Da mein Durchhaltevermögen im Heimwerken beim Häkeln und Stricken aufhört, werde ich wohl weiter alte Teewägelchen kaufen, aber jetzt weiß ich immerhin, welches Regal perfekt dazu passen würde.

Regale und RaumteilerEin Regal aus Stoff? Alles ist möglich. RollIt  von Bernadette Wilbs ist nicht nur leicht, sondern auch felxibel und gehört damit zu einem der interessantesten Stücke der Ausstellung. ©Dirk Mentrop