Ist es eigentlich noch etwas besonderes, ein neues Zeitalter auszurufen? So wie in Post-Modernismus oder Post-Industrialismus? Wenn nicht, dann fände ich es ganz cool, wenn ich das „Meta-Kommunikative Zeitalter“ ausrufen könnte. Denn irgendwie befinden wir uns momentan in einer Zeit, in der wir Menschen mehr darüber reden wie wir miteinander kommunizieren als dass wir tatsächlich miteinander kommunizieren. Und jetzt komme mir bitte keiner mit dem ollen Luhmann-Zitat darüber, dass ja „alles Kommunikation“ sei und mensch „nicht nicht-kommunizieren“ könne. Klar, wenn mensch der Meinung ist, dass allein der Austausch von Sprache (Körper, Laute, was auch immer) bereits Kommunikation sei, dann sei dem obigen Einwand stattgegeben. Aber für mich gehört zu Kommunikation noch eine andere Dimension, nämlich das etwas übermittelt werden muss. Ein Inhalt, sozusagen. Ohne Inhalt, keine Kommunikation. Und da sieht mensch es ganz deutlich: Statt mit einem dispersen Publikum Massenkommunikation zu veranstalten, deliberiere ich hier über die Art und Weise von Kommunikation. Meta-Kommunikation. Inhalt? Eher dürftig bis Fehlanzeige.

empty wallet_MandieSo leer wie mein Portemonnaie. By -Mandie-, Via Flickr.com

Ganz besonders deutlich wird dieser fehlende Inhalt, wenn man über längere Zeit eine Liveberichterstattung von einem aktuellen Ereignis verfolgt, am besten im Fernsehen. Zuletzt wurde dies natürlich bei der Papstwahl deutlich. Da stehen mehrere Leute (meist bis zu vier, mehr geht vom Bildformat her selten) um einen Tisch herum und versuchen alle ihre dürftige Botschaft („Der Papst hat’s schon schwer“, „Da warten ganz große Aufgaben auf den neuen Papst“, „Wir sind alle gespannt“, „Es heißt immernoch der Konklave, sie Idiot!“) auf möglichst unterschiedliche Weise zu wiederholen, damit niemanden auffällt, dass für die fünf verschiedenen Einstellungen vom fucking Petersplatz sowie einem Kamerabild von einem Balkon die VERDAMMTE TAGESSCHAU GERADE ABGEBROCHEN WURDE! GEHT’S NOCH!?

Im Ernst, es bereitet mir Schmerzen das anzuschauen. Die Leute reden immer wieder dasselbe, und wenn es mal was neues gibt, sind dies nicht wirklich handfeste Inhalte, sondern lediglich Mutmaßungen; es werden ständig irgendwelche Einspieler gezeigt, die letztlich nur Nuancen an neuen Informationen beinhalten (wie viele Papstrückschauen gab es mittlerweile?). Die dienen schließlich auch nur zur Überbrückung der peinlichen Stille, wenn die armen Menschen vor den Kameras hilfesuchend auf die Regieassistenz blicken, in der Hoffnung, dass vielleicht gerade irgendwo etwas interessanteres passiert, als alten Männern zuzuschauen, die beim Spekulieren über den neuen Papst wild mit ihren Händen rotieren. Stellenweise schien mir die Berichterstattung auf ein soziales Experiment hinauszulaufen: Wie oft kann man „Das zweite vatikanische Konzil“ sinnvoll in einen Satz einbauen, bis das Publikum kollektiv anfängt vor Verzweiflung zu schreien? Für einen Studierenden der Medienwissenschaft (oder der Kommunikationswissenschaft oder überhaupt), wurde hier schön vorexerziert, wie eine Livesendung gestaltet wird, bei der mensch auf irgendetwas wartet und nicht weiß, wann dies eintritt. Wir haben den armen Menschen live vor Ort, wahlweise schön vor einem netten Hintergrund drapiert oder in der Volksmenge (letzteres ist immer ein bisschen kritisch wegen der dümmlichen grinsenden Winkerinnen und Winker). Dieser schaut dann meistens ein bisschen so in die Kamera, als hätte er oder sie Verstopfung und wiederholt sein oder ihr Mantra: „Bisher noch nichts neues, alle sind gespannt, Stimmung gut.“

Und dann haben wir den Moderator, quasi der Knotenpunkt für die Sendung, dort sind die Studiogäste, von dort werden die Liveschaltungen vorgenommen. Hier geschehen meist auch die größten Unfälle, seien es die inhaltlichen Wiederholungen oder schlechte Vorbereitung: So lautete der Vorname des neuen Papster laut dem Moderator in der ARD nicht „Jorge“ (gesprochen „Choche“), sondern „Schorsche“. Autsch. Schließlich hat dann auch eine*r der aufstrebenden Jungjournalist*inn*en ein kurzes Streichholz gezogen und musste rein die die Menschenmasse und „Vox Populi“ einfangen, also Stimmen der – am besten deutschsprechenden – Besucher des jeweiligen Spektakels (zur Erinnerung: hier Papstwahl). „Vox Pop“ (wie wir Medienheinis gerne sagen) sollte generell aus allen Formaten verbannt werden, da der Informationsgehalt meist gegen Null geht. Die Leute erzählen zwar gerne, wie sie dahin (hier: nach Rom) gekommen sind und was sie sonst so machen, aber was trägt das zur „Storyentwicklung“ bei? Was bringt das dem Publikum? Ich zumindest weiß jetzt, dass es da draußen einen Religionspädagogen gab, der für die Papstwahl nach Rom fuhr, nur um bei der Wahl des Kandidaten enttäuscht zu werden (er hatte auf einen anderen Kardinal gesetzt, der „etwas jünger“, also noch unter siebzig, war; seine Enttäuschung wurde natürlich nicht mehr gezeigt). Ändert diese Information etwas an meiner Skepsis gegenüber der katholischen Kirche und dem ganzen Zirkus drumherum? Nö. Aber immerhin: Religionspädagogen sind wohl anscheinend auch Menschen. Hab ich gehört.

zombie-jesus_semolinaZumindest, bis sie vom Zombie-Jesus gebissen werden. By Semolina, Via Flickr.com

Und warum zum Teufel muss man dafür die Tagesschau unterbrechen? Millionen von deutschen Bürgerinnen und Bürgern informieren sich täglich dank der Tagesschau über das Geschehen in der Bundesrepublik und darüber hinaus. Gibt es, Aktualität hin oder her, keine weiteren Themen? Muss man für eine, zugegeben große, Religionsgemeinschaft (in Deutschland aber nach Zahlen von 2008 „nur“ rund dreißig Prozent) eine der wichtigsten Nachrichtensendungen des Landes unterbrechen? Und dann vor allem länger als zehn Minuten, nur um Dinge zu hören, die mensch bereits Tage zuvor immer wieder gehört hat?

Ich denke nein. Man hätte die Zeit besser nutzen können. Zum Beispiel mit einem kurzen Bericht über den Beginn eines neuen Zeitalters namens Meta-Kommunikation. Klingt zumindest besser als wieder so ein Post-irgendwas Blödsinn.