Ich hatte am Wochenende das Vergnügen, hinter der Theke eines Benefizkonzertes zu stehen und dort Sekt auszuschenken. Während wir so nach und nach über sechzig Flaschen Sekt (es gab auch noch Bier, Wein und Softdrinks, wohlgemerkt) an privilegierte Mittel- und Oberschichtsrentnerinnen herausgeben durften, fing ich an nachzudenken.:Wie bei solchen Veranstaltungen üblich sind Eintritt und Getränke getrennt, sprich der Veranstalter verdient nur am Eintritt und zahlt die Saalmiete und die jeweilige Location macht ihren Umsatz mit den Getränken. Um bei einer kombinierten (Technik etc.) Saalmiete von ca. 1 200 € für diesen Abend entsprechend Umsatz zu machen, bedarf es dabei eines Kartenpreises von schätzungsweise 30 € oder mehr. Da zahlt man gerne auch mal mehr, ist ja ein Benefizdingsbums. Dann aber sind die Getränke und das Essen, was angeboten wird, auch nicht umsonst. Und bei der Menge, welche die Leute getrunken haben (soviel Sekt…) würde ich fast behaupten, die Menschen dort haben mehr für Sekt, Wein und Bier ausgegeben als für „die gute Sache“. Ein bisschen sinnlos und pervers, oder? Vor allem in Bezug auf Sekt, dieses ekelhafte Gesöff.


Ein Sekt-Symbolbild. Stellt euch bitte dazu noch wild gackernde Oberschichtsfrauen vor. Via Metromoxie

 Ich habe auch nie verstanden, warum Sekt eines der Markenzeichengetränke für Schwule ist. Es gibt so viele andere leckere alkoholische Getränke, warum ausgerechnet diese Plörre? Warum nicht Rum-Cola, zum Beispiel? Die ist, so denn jemand sie richtig gemischt hat, auch nicht so herb. Dabei wird Herbheit ja oft mit Männlichkeit in Verbindung gebracht, wogegen Homosexualität ja noch immer weitgehend mit Verweichlichung konnotiert wird. Und das ist wiederum der Grund dafür, dass „Schwul“ immer noch ein Schimpfwort ist und Homosexualität zwar oberflächlich toleriert, aber nicht wirklich akzeptiert wird. Ein Indiz dafür ist ein aus den USA kommendes Phänomen: „No Homo“. Diese Wendung wird vor allem von jungen männlichen Teilen der Spezies Homo Sapiens Douchbagius verwendet, um ein möglicherweise als homoerotisch auslegbares Statement ins Rechte Licht zurück, was im Zusammenhang mit der Denkweise des typischen Homo Sapiens Douchbagius bedeutet: Bloß nicht schwul erscheinen. Denn in einer Gesellschaft, in der Männlichkeit noch immer mit Muskeln, hartem Sex und Gewalt in Verbindung gebracht wird, wäre Homosexualität (dank der Assoziationen) schließlich der ultimative Sündenfall.

 Das Lächerliche an No Homo ist dabei, dass es in eine Spirale der Abgrenzung führt. Schließlich könnte jede noch so kleine Bemerkung als „schwul“ ausgelegt werden und muss daher sofort entschärft werden durch „No homo“, gleichzeitig müssen sich alle Teilnehmer immer wieder ihrer gegenseitigen Heteronormativität vergewissern, um sich gegenüber ihrer Peergroup den sozialen Status zu versichern. Zum einen bezeugt dieses Verhalten eine große Unsicherheit in zweierlei Hinsicht: Zunächst sind Homosexuelle (genau wie Trans- und Intersexuelle etc.) heutzutage gar nicht mehr so einfach von Heterosexuellen zu unterscheiden, man läuft also ständig Gefahr jemanden zu begegnen, der gerne Popo-Sex mit anderen Männern hat. Und dann wiederum hat mensch sehr leicht den Eindruck, dass diejenigen, welche sich ständig mit „No homo“ auf die Brust trommeln um allen zu beweisen wie männlich sie sind, sich ihrer eigenen Sexualität nicht wirklich sicher sind. Das ständige Beharren auf der eigenen sexuellen Orientierung sowie die Abgrenzung zum anderen Ufer (und den vielen kleinen Inseln dazwischen) hat etwas von einem autosuggestiven Mantra. Wenn die Herren der Schöpfung sich ihrer Sexualität so sicher sind, warum müssen sie es ständig betonen und jedem mehr oder weniger ungefragt mitteilen?


Ein schönes Beispiel für die Abgrenzungsspirale.

Ich finde diese Angst vor Homosexualität lächerlich. Jeder halbwegs erwachsene Mensch sollte gelernt haben, mit seiner eigenen Sexualität umzugehen. Dann kann man auch die Sexualität von Anderen (und deren notgedrungen andere Sexualität) akzeptieren. Allerdings muss gegeben sein, dass die gesellschaftlichen Zustände ein Ausleben der Sexualität und einen allgemein offenen Umgang mit dem Untenrum zulassen. Das ist ja leider in Teilen der USA nicht der Fall. Aber auch in Deutschland sind wir, unter anderem der CDU und homophobem Hip-Hop sei Dank, noch nicht so weit, dass wir von einem vorurteilsfreien Umgang mit nicht-heteronormativen Orientierungen nicht reden können. Bemerkenswert ist aber der Dreh, den die Diskussion um die sogenannte „Homo-Ehe“ erhalten hat. Vor einigen Jahren noch war die Homo-Ehe noch obskur und zweifelhaft, ob es sie jemals geben würde, wogegen heute der Tenor zu sein scheint, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei.

Ich persönlich bin ja der festen Überzeugung, dass jede Männerfreundschaft eine homoerotische Komponente besitzt, und wenn sie gerade darin besteht, diese zu verneinen. Aber diese Homoerotik ist in Ordnung, solange beide Seiten damit umgehen können und nicht gleich glauben, der eine wäre auf des anderen Arsch scharf (und wenn, dann sollte man(n) vielleicht darüber reden). Um dies zu unterstreichen hat ein Kumpel von mir vorgeschlagen, nach jeder vage homosexuellen Bemerkung sich zum Zeichen der Freundschaft einen „Yo homo!“-Fistbump zu geben. Ich für meinen Teil bin voll dafür. Yo Homo!