Das Internet ist ein toller Ort. Das ist wahrlich keine neue Behauptung, aber bei all den beunruhigenden Dingen, die in letzter Zeit in Zusammenhang mit Netzneutralität usw. passieren, kann man* das nicht oft genug betonen. Das Internet ist vor allem deshalb so einzigartig, weil es Menschen zusammenbringt. Natürlich ist es in vielerlei Hinsicht vor allem ein Wissensspeicher, aber noch nie war es so einfach, seine ‚Leute‘ zu finden. Egal wofür du dich interessierst, ob du gegen Diskriminierung kämpfst, die etablierten Medien infrage stellst oder dein Hobby teilen willst. Gleichgesinnte sind da draußen und hier kannst du sie finden.

Viel zu oft aber macht eine*n das Internet traurig. Am traurigsten wird es meistens im Zusammenhang mit diesem ‚Finden von Gleichgesinnten‘. Denn nichts zieht eine*n mehr runter, als unreflektierte und oberflächliche Äußerungen zu einem Thema, für das du brennst.

Das Gefühl kennt jede*r! Aber ich stelle an dieser Stelle einfach mal die Behauptung in den Raum, dass Feminist*inn*en besonders vertraut damit sind. Denn es scheint kaum eine Woche zu vergehen, in der nicht eine Person der Meinung ist, dass der Feminismus überflüssig/ bescheuert/ antiquiert/ (sucht euch ein Vorurteil aus) ist.

Via flickr by Southbank Center

13010956634_0fc4fedb08_zUnd dennoch sitzt man* da und denkt, das kann nicht so im Raum stehen bleiben!

Auch die letzte Woche hielt diese ‚freudige Überraschung’ bereit. Das Szenario ist vertraut. Eine Frau schreibt einen Artikel und hält die Fahnen hoch für die moderne emanzipierte Frau, die den männerhassenden Feminismus ablehnt. Den ‘Gutmensch-Feminismus’, der alle (weißen und heterosexuellen) Männer unterdrückt. Es fallen Argumente wie: ich Schminke mich gern und ich mag meinen Papa, ich gucke gern Sex in the City und Alice Schwarzer ist blöd. Und am Ende geht es ja auch um Menschen und nicht nur um Frauen.

Nein, ich verlinke diesen Artikel nicht, denn jeder Klick ist ein Klick zu viel. Wer sich dafür interessiert, kann hier eine Zusammenfassung lesen und dann googlen.

Es sind bereits gute Artikel dazu geschrieben worden und dennoch scheint das Ankämpfen gegen solche Aussagen einer Sysiphosarbeit gleich. Denn die Vorurteile des Männerhasses, des Verbietens von ‚weiblichem‘ Verhalten, des Alice-Schwarzer-Syndroms sind so alt und so wiederkehrend, das jede*r, der*die sich ein bisschen länger mit Feminismus auseinandersetzt, keinen Nerv mehr hat dagegen zu argumentieren. Nicht weil ihnen die Argumente fehlen, wie die Kritiker*inn*en gerne schreien, sondern weil schon unzählige Hände über die Tastaturen geflogen sind. Es gibt viele Artikel da draußen, die sich mit Antifeminismus auseinandersetzen – warum also sollten man* sich wieder die Mühe machen, wo die Argumente doch eigentlich klar sein sollten.

Was mich hier nachhaltig beschäftigt, ist der Fakt, dass viele (eigentlich) intelligente Menschen – Männer und Frauen – immer wieder diese sexistischen (und in anderen Fällen auch rassistischen) Positionen vertreten. Menschen, von denen man eigentlich denken würde, dass sie der Reflexion und des kritischen Denkens fähig sind, die eigentlich diskriminierende Strukturen erkennen sollten, aber sich stattdessen hinter vermeintlich rationalen Argumenten verstecken. Oder der andere Fall, wenn sie feministische Positionen vertreten (denn am Ende des Tages bedeutet gegen Sexismus und für Gleichberechtigung zu sein, Feminismus) und dennoch den Begriff dämonisieren. Natürlich bin ich über jede*n froh, der für Gleichberechtigung kämpft, egal wie er*sie sich nennt, aber so vehement gegen diesen Begriff und alle zu sein, die ihn verwenden, schadet dem Ziel, das die entsprechende Person vermeintlich verfolgt.

Unverständlich bleibt auch: Wie kann man* gegen eine Bewegung sein, die ihnen die Wahlberechtigung, die (‚legale‘) Abtreibung und berufliche (Wahl-)freiheit gebracht hat? Eine Bewegung, die noch heute gegen Vergewaltigung, für gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie kämpft oder auch so existenzielle Dinge, wie Verhütung und das Recht auf den eigenen Körper?

Via Wikimedia Commons by Ch. Chusseau-Flaviens

British_suffragette_clippedEs ist schon schön, das Frauen mittlerweile aus müdige und vollwertige Bürger*inn*en gesehen werden, war nicht immer so.

Woher kommt diese Ablehnung? Ist es vielleicht nur die Hipstermentalität, die aus Prinzip dagegen ist? Sind unsere Zeiten wirklich mittlerweile so traurig, dass es zu uncool ist, sich politisch für Gleichberechtigung einzusetzen und stattdessen alle gesellschaftskritischen Äußerungen zu verteufeln? Ich will ehrlich gesagt nicht in einer Welt leben, in der es einfacher ist, gegen alles zu sein, anstatt sich für eine bessere, gerechtere Welt einzusetzen.

Aus dieser Ecke scheinen aber die Argumente zu kommen, wenn es um die Kritik am Feminismus geht. Dann kann man* nämlich auch schreien „ihr setzt euch gar nicht mit unseren Argumenten auseinander“. Für eine Auseinandersetzung muss aber erstmal eine Kritik mit Inhalt erfolgen. „Ich find euch scheiße“ – egal wie toll formuliert – zählt da leider nicht. Am traurigsten ist aber, dass Episoden wie diese uns aufs Neue vor Augen führen, dass es eben nicht um ein ehrliches Interesse am Feminismus oder konstruktiver Kritik am Aktivismus für Gleichberechtigung geht. Es geht mehr um die Konstruktion der eigenen Realität und die Etablierung des eigenen Namens anhand der Abweisung von politischen Ideen, als um eine Debatte oder das propagandierte Ziel Menschen- statt Frauenrechte.

Unabhängig davon, dass es vor allem traurig ist, wenn Frauen solche Positionen vertreten, ist es nahezu beeindruckend, wie Menschen voller Inbrunst behaupten ‚DEN Feminismus‘ durchschaut zu haben. Doch die entsprechenden Artikel zeigen vor allem eins: dass sie gar nichts verstanden haben. Hier wird lediglich auf dem Niveau vom Boulevardjournalismus Feminismus diskutiert und damit (Halb)‘Wissen‘ verwertet, das man* irgendwann mal gehört hat. Auf diesem Niveau möchte ich nicht diskutieren, denn dafür habe ich keine Zeit, wenn ich ernsthaft versuche, eine ungerechte Gesellschaft ein bisschen besser zu machen. Vor allem entstehen so Feindbilder und die haben – das hat leider die Geschichte gezeigt – noch nie jemandem etwas gebracht.