Deutsche Sprache, holdes Wesen, willst du nicht erlöst werden von den unfert’gen Begierden jener, die dich Muttersprache schimpfen und dich tagein, tagaus verunglimpfen? Deutschlehrer der Nation, Sprachliebhaber und hoffentlich auch der überwiegende Rest der Gesellschaft packen sich an den Kopf. Die AfD wittert Landnahme, weil die Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in Erfurt eine Moschee bauen möchte. Und hier fängt das Deutschproblem bereits mit der Vokabel „Landnahme“ an.

Es kann nur vermutet werden, woher Björn Höcke von der AfD den Ausdruck „Landnahmeprojekt“ nimmt und was er damit auszusagen gedenkt. Im Artikel der SZ wird sachlich beschrieben, wie die Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft als Eroberer fremden Landes bezeichnet werden soll. Dass besagte Glaubensgemeinschaft seit drei Jahren Körper des öffentlichen Rechts ist und ganz gewöhnlich um Bauerlaubnis fragt, kann schlichtweg nicht mit dem Begriff „Landnahme“ beschrieben werden. Eine Moschee, die in Thüringen gebaut wird, ist ein deutsches Gebäude auf deutschem Boden, welches im Gegensatz zu den meisten Gotteshäusern nach modernem Recht gestattet würde. Der Ausdruck „Landnahme“ ist im Kontext der kompletten Situation nicht nur irreführend, sondern schlichtweg falsch. In einer Deutscharbeit ist so etwas auch ein Ausdrucksfehler (das dicke, fette, rote A am Heftrand).

Was nicht stimmt, wird stimmend gemacht!

Damit aber auch nur irgendeiner der Vorwürfe seitens der AfD in diesem Kontext Sinn ergibt, muss ein Wort wie „Landnahme“ her. Denn nur, wenn mit der Rhetorik einer unrechten, ungewollten Übernahme gesprochen wird, macht es Sinn, den Bau der Moschee als Teil einer schrittweisen Islamisierung des Abendlandes zu verkaufen. Diese Art von Sinnänderung ist der AfD nichts Neues. Ähnlich wie beim Kampf „gegen Organisationen, Medien und Politik, [die] Alleinerziehende als normalen, fortschrittlichen oder gar erstrebenswerten Lebensentwurf propagieren“ muss eine nicht-existente Angst herhalten. Weder die Propaganda, noch die Islamisierung sind eingetreten. Das müssen sie auch nicht, weil diese Szenarien nur als gewisse Zukunft herhalten müssen, die es zu unterbinden gilt.

Das klingt im ersten Moment natürlich überzeugend. Man frage jemanden, ob er möchte, dass man bald selbst im eigenen Land fremd sei. Niemand wird dazu äußern, dass er sich dies wünsche. Genau genommen könnte man in Deutschland eine Menge Deutscher fragen, ob sie sich in Deutschland fremd fühlen, nur werden diese Menschen in der Regel als Feindbild gebraucht. Wer sich in Deutschland nicht wohlfühlt, weil er für seinen Glauben oder eine zweite Muttersprache kritisiert wird, ist undankbar. Wer schlichtweg aus Deutschland kommt und nicht allzu anders aussieht oder einen (ausländischen) Akzent hat, der hat berechtigte Sorgen und Ängste.

Ein praktisches Beispiel finden wir in Dresden vor. Laut Stefan Möller, dem Mitglied des Landesvorstands der AfD in Thüringen, ist ein „derart fremdartiges Gebäude“, wie die Süddeutsche Möller zitiert, „kaum zu rechtfertigen“. Ein gewisser Herr Hugo Zietz hatte vor über hundert Jahren keine dieser Bedenken, als er die Zigarettenfabrik Yenidze bauen ließ, die heute noch zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt gehört. Damals steckte geschäftsmännischer Sinn dahinter, die Yendize als Orientalische und Tabak- und Zigarettenfabrik zu bauen. Eine größere und eindrucksvollere Werbung findet sich so leicht nicht vor. Über Zietz hätte Möller wohl kaum behauptet, dass er sagt: „Wir sind da und wir passen uns nicht an. Akzeptiert das gefälligst“. Das wirft Möller laut Süddeutsche Muslimen vor, die eine Moschee haben möchten. Und hiermit rutschen wir in den Bereich der Inhaltsanalyse.

YenidzeWie Sie sehen, sehen Sie Dresden (via Flickr by Nils)

Belegen Sie am Text

In der 12. Klasse hat meine damalige Deutschlehrerin immer wieder gemahnt: Belegen Sie am Text. Wenn mit einem von uns im Leistungskurs die Fantasie durchging, wurde vehement auf den vorliegenden Text getippt. Und so simpel diese Aussage ist, so wichtig ist sie in der Schule, im Studium und sollte es auch später im Leben sein. Wir sehen oben, dass der scheinbar trotzige Ausländer und kulturell anders geprägte Mensch in keinerlei Zusammenhang mit dem Argument über die Bauart des Gebäudes steht. Herr Möller darf sich diesen gerne einreden, aber an seinen Worten ist es nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Mit der Bezeichnung einer Moschee als „derart fremdartiges“ Bauobjekt verbaut er sich Ausreden, Geschäftsmännern wie Zietz ihre Extravaganzen durchgehen zu lassen. Und wer glaubt, dass so etwas in der jüngeren Vergangenheit nicht passieren könnte, der sollte sich informieren, was Donald Trump einst hat bauen lassen: den Trump Taj Mahal.

Ich bitte Herrn Möller geradezu einen Zusammenhang zwischen der Vorliebe für orientalische Architektur und den Islam herzustellen. Ebenso unterhalten werde ich auf Herr Trumps Antwort warten, wenn ihm jemand solcherlei Vorwürfe macht. Denn Minarett und Kuppeln sind keine Eigenheit des nahen Ostens. In Spanien sind die im nahen Osten geläufigen Baustile aufgrund muslimischer Herrschaft im Mittelalter inzwischen Normalität. Selbst als die Christen Spanien zurückeroberten, ließen sie die meisten Moscheen, auch aufgrund ihrer Pracht, stehen und vereinnahmten sie für die christliche Kirche. Ganz recht, in Spanien gibt es, streng genommen, christliche Moscheen. Wir nennen die „Mezquita-Catedral de Córdoba“ zwar auch eine Kathedrale, aber letztlich ließ Ferdinand III. von Kastillien lediglich ein Kreuz an einer Moschee anbringen. Der Mezquita-, also Moscheeanteil des Bauwerks ist ungleich größer.

MezquitaDie Mezquita-Catedral in Córdoba von innen (via Flickr by Antonio Guerra)

Trotz des weiteren Bestehens solcher Gebäude ist der Anteil der muslimischen Bevölkerung in Spanien heutzutage geschätzt sogar niedriger als in Deutschland. Und auch wenn Deutschland nicht wie Ferdinand III. von Kastillien ein Kreuz an die Moschee nagelt, was sie wieder zu einer Kirche machen würde, gelten klar nachvollziehbare Regeln. Deutschland erlaubt nach dem Gesetz Religionsfreiheit. So wie die christliche Kirche als Institution auf die Wichtigkeit der dazugehörigen Gebäude besteht, tun es auch ihre muslimischen Glaubenskollegen. Das ist ihr gutes (deutsches) Recht. Und nach heutigem Stand ist es der Wunsch eines anerkannten Körpers der Öffentlichkeit ein für den Körper wichtiges Gebäude zu errichten. Und diesem Wunsch wird lediglich im Rahmen des deutschen Rechts statt gegeben. Ein deutsches Gebäude nach der Idee des deutschen Rechts, welches deutsche Werte wie Gleichberechtigung und Würde für Anhänger einer bestimmten Gruppe garantieren soll.

Und die Angst geht weiter um

Wahrscheinlich hören nur die wenigsten darauf, dass Organisationen und Gruppen wie die AfD mit leeren Phrasen um sich werfen. Irgendwas bleibt hängen und aus diesen Fragmentfakten ergibt sich Angst. Die nicht annehmbaren Zustände in einigen, vorrangig islamischen Ländern werden genannt. Dass dies mit der Instrumentalisierung des Glaubens zu tun hat und nicht mit dem Glauben selbst, ist den Kritikern dann wieder egal. Gleichzeitig wird ausgeblendet, dass Christen nach dieser Logik brandschatzende Massenmörder sind, die kaum einen Flecken Erde ausgelassen haben, um für ihren Gott gewaltsam zu missionieren. Diesen Vergleich wird man damit abtun, dass die Christen in Deutschland nicht so sind. Dann sind aber auch Menschen wie ich an der Reihe zu fragen, warum das dann mit Muslimen in Deutschland anders sein sollte.

Die Entschuldigungen und Ausreden werden trotzdem nicht aufhören, weil es leicht ist, sich die Welt so einfach wie möglich zu erklären. Der Himmel ist blau (nicht wirklich), Wasser ist nass (eine sehr oberflächliche Erklärung) und es gibt Gutes und Schlechtes auf der Welt. Niemand ist gerne das Schlechte und deswegen lassen sich Sündenböcke so leicht erstellen. Natürlich ist es nicht gut, dass in einigen Ländern der Islam missbraucht wird, um u.a. Frauenrechte zu unterdrücken und Gewaltherrschaften zu gründen. Nur lässt sich der christliche Glaube ebenso problemlos für solche Zwecke missbrauchen. Es ist in der Geschichte bereits passiert und es passiert immer wieder. Hier wird ein Wort weggelassen, da wird undeutlich interpretiert und fertig ist eine Hasspredigt. Heraus kommen Botschaften voller inhaltlicher und ausdrücklicher Fehler, ziemlich genau wie auch dieses Mal wieder bei den haltlosen Behauptungen der AfD.

Featured Image via Flickr by Enrique Fernández