Es ist soweit. Die scheinbar einzige Satire-Sendung, die die Menschen noch gucken, hat gesprochen. Seit Wochen und Monaten hat sich die in ihrer öffentlichen Wahrnehmung sehr erfolgreiche Sendung “Last Week Tonight (with John Oliver)” (LWT) gegen Berichterstattungen zu Donald Trump gewehrt. Letzten Herbst hat sich John Oliver bewusst zu diesem Thema geäußert. Bei Stephen Colberts damals noch brandfrischer “Late Show” sagte er, dass er sich einen Scheiß darum kümmert, weil es zu früh für solche Gespräche sei.

Das ist ein löbliches Vorhaben, da um die Personalie Trump in erster Linie Sensationsjournalismus herrscht. Aber es scheint nicht ratsam, einen Präsidentschaftskandidaten zu ignorieren. #MakeTrumpDrumpfAgain (Video folgt im Beitrag) ist eine nette Idee und gepaart mit HBOs finanziellem Spielraum und dem großartig arbeitenden Team von LWT ist ihnen ein starker Beitrag gelungen. Allerdings stellt sich so nah vorm oftmals entscheidenden Super Tuesday die Frage, ob “Nichtstun” tatsächlich ein guter Ansatz war. Als Deutscher sollten wir im letzten Jahrhundert Erfahrungen damit gemacht haben. Und wer meint, dass das Ewigkeiten her ist, der darf mich gerne in Dresden besuchen.

John Oliver bei CBS’ “The Late Show (with Stephen Colbert)”

Nun sind ein paar Monate ins Land gezogen und so ziemlich jeder amerikanische Nachrichtensender hat sich täglich das Maul über Donald Trump zerrissen. Dabei sind Trumps Aussagen so verfänglich, dass selbst die in Deutschland nur als “Bekloppten-Nachrichten” bekannten “Fox News” nie vorher wussten, ob sie heute auf Trumps Seite sind oder dieser ihnen eine fette Breitseite verpasst. Stephen Colbert hat in diesen Monaten nicht locker gelassen. Er hat unter anderem Jon Stewart eingeladen, der seine fantastische Trump-Imitation zum Besten gab, und krönte seine Berichterstattungen Ende Januar mit der Offenlegung von Trumps willkürlichen Aussagen (siehe folgendes Video). Und das obwohl Colberts Aufgabe als Late-Show-Host in Amerika traditionell darin liegt, den Leuten einen entspannten  Feierabend zu garantieren. Doch zwischen vielen Soft-Interviews mit Schauspielern und anderen Berühmtheiten hat sich Colbert immer wieder Zeit für Berichterstattung zu Trump genommen.

Donald vs Trump: #DUMP

Stephen Colbert hat sogar Bill Clinton dazu gebracht, nahezu ausschließlich über die größten Herausforderer seiner Frau Hillary zu sprechen, anstatt lediglich die Werbetrommel zu rühren. Den ganz großen Aufschrei wie bei #MakeDonaldDrumpfAgain konnte man aber nicht vernehmen. Und hier kommen wir zum springenden Punkt, der immer wieder weh tut: Es hat einfach nicht genug Leute gekümmert. Ich habe mich auch aus studientechnischen Gründen in den letzten Monaten stark mit satirischen Inhalten auseinandergesetzt und somit bin ich in Sachen Smalltalk geradezu unfähig geworden. Früher oder später komme ich zwanghaft auf solcherlei Themen zurück und nicht selten schüttelten die Leute entschuldigend den Kopf und gaben zu von diesem Stephen Colbert noch nie gehört zu haben (auch sein mexikanischer Korrespondent Esteban Colberto war kein Begriff).

LTW hingegen hat sich einen Platz geschaffen, der auch hier in Deutschland immer präsenter wird. Aber natürlich sind gerade nicht die Deutschen gefragt. “Wir” müssen schließlich nicht wählen und “wir” haben auch viel weniger Gründe, uns für diese Inhalte zu interessieren. 2012 sah ich Klaus Scherer an der Universität Trier, der Werbung für sein Buch “Wahnsinn Amerika” machte und sich einem Gespräch und einigen Fragen im Audimax der Universität stellte. Dabei fragte ein Student unter anderem, warum sich Amerikaner so wenig für Außenpolitik interessieren und auch wenn ich ansonsten nicht viel von Herrn Scherers Besuch mitnehmen konnte, imponierte mir seine sofortige Retour: “Das ist doch ganz normal. Was wissen Sie denn Genaueres über die amerikanische Politik?” Da verstummten selbst die meisten Politikwissenschaftler in spe.

Räumliche Nähe ist wichtig. Den meisten Leuten ist bereits egal, was im nächsten Bundesland, ach, im nächsten Landkreis vor sich geht. Wer derzeit den Wahl-O-Mat ausprobiert, wird garantiert wieder auf Fragen stoßen, die in den Bereich der Regionalpolitik fallen und die meisten werden dann wohl ehrlich “interessiert mich nicht” ankreuzen. Aber für die Leute, die es interessiert und die es interessieren sollte, sind solche Inhalte wichtig. Die Leute müssen aufgeklärt werden und auch wenn das im Bereich der Satire schwierig ist, weil sie in der Regel keinen Wahrheitsgehalt für sich in Anspruch nehmen, scheint Ignoranz der schlimmstmögliche Weg zu sein.

John Oliver ist zumindest mir in jener Hinsicht als Unikat aufgefallen, indem er die Maske des Humors oftmals sichtlich ablegt. “And that is horrible”, “that would be devastating”, “it is a desaster” sind Sound-Bites, die man als Zuschauer seiner Sendung regelmäßig zu hören bekommt. In diesen Momenten und im Verbund mit solcher Ernsthaftigkeit rückt die journalistische Arbeit einer Sendung wie “Last Week Tonight” in den Vordergrund. Ein großes Problem vieler Satire-Sendungen ist es, dass sie oftmals den Spaß über ihre Inhalte stellen. Als wir uns dieser Tage die neueste “Anstalt”-Folge angeguckt haben, habe ich vor dem Schauen einen Kommentar zur Ausgabe gelesen. Dieser Kommentar besagte, dass einem bei “guter” (über diesen Ausdruck kann, darf und soll gerne gestritten werden) Satire oftmals das Lachen im Hals stecken bleiben sollte und ich kann dieser Meinung nicht widersprechen.

Unterhaltsam und informativ? Leider wird uns hierzulande etwas Anderes als Infotainment verkauft.

Satire darf wehtun (und zwar jedem), Satire darf mit Fakten langweilen, Satire darf auch einfach mal bekloppt sein. Aber in meinen Augen darf Satire nicht weggucken. Ein Satiriker, der sich bewusst einem Thema entzieht, ist seiner Berufung in diesem Moment nicht nachgekommen. Menschlich ist es nachvollziehbar, dass ein John Oliver mit seinem Team beschließt, dass jemand wie Donald Trump mit Nichtachtung gestraft werden soll. Stattdessen kümmert man sich um Menschen bewegende Themen wie Abtreibung und Wahlgesetze, doch all diese Bemühungen drohen für die Katz zu sein. Denn sollte tatsächlich jemand wie Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden, dann rücken viele dieser Probleme weit in den Hintergrund.

Wie es nicht anders zu erwarten war, hat Trump die Vorwahlen der Republikaner am Super Tuesday dominiert. Die Gründe dafür sind vielfältig und ich würde ihnen nicht gerecht, wenn dieser Post nicht mehrere Seiten umfassen soll. Tatsache ist jedoch, dass der Präsidentschaftskandidat Trump von einer markanten Sparte nicht attackiert wurde. Das klingt nach einem heftigen Vorwurf, doch auch dieser ist eingeschränkt zu betrachten. Denn die meisten Trump-Befürworter werden in der Regel nicht Fans der als links gerichtet geltenden Satire-Sendungen sein (der “Liberal Media”-Vorwurf lässt grüßen). In Deutschland beobachten wir die gleichen Probleme. Wir können uns noch so sehr über das “Neo Magazin”, “die Anstalt” und Co. freuen, doch in erster Linie scheinen sie als Bestätigung bereits vorhandener Ansichten und nicht als Überzeugungsmittel zu wirken.

Ich möchte damit ausdrücken, dass das Teilen eines solchen Videos schön und gut ist, allerdings kaum jemanden von etwas Neuem überzeugen wird. Im Bestfall findet man wieder heraus, wen es aus der Facebook-Liste zu streichen gilt. Die Kraft eines Beitrags wie #makedonalddrumpfagain liegt darin, dass die Informationen aufgenommen und im Alltag angewendet werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen ihrem Nachbar oder ihrer Gemeinde, also Wesen ihres Alltags, glauben, ist vermutlich um einiges höher als “irgend so einem Medienfuzzi” zu vertrauen. Giovanni Di Lorenzo (Chefredakteur der ZEIT) war erst vor wenigen Tagen in Dresden und äußerte sich über das fehlende Vertrauen der Deutschen gegenüber der Presse. Diese (nicht neue) Entwicklung macht die Ablehnung von Fakten schlichtweg leichter.

Das Heilmittel gegen diese Entwicklung scheint derzeit nicht besserer Journalismus allein zu sein. Natürlich ist es frustrierend, wenn selbst gestandene Teile der Presse sich mit Schwachsinn der Marke “Schweinefleischpflicht” auseinandersetzen, doch die Reaktionen auf solch unwichtige Themen in den sozialen Netzwerken sind meist populärer als zu Themen, die unsere Gesellschaft tatsächlich bewegen sollten. Deswegen stehen wir als Bürger derzeit in der Pflicht dem Blödsinn Einhalt zu gebieten. Wir müssen die Werte, die wir vertreten wissen möchten, tatsächlich wieder leben. Das klingt nach Phrasen und Weltverbesserungsgequatsche, aber gleichzeitig ist es auch eine Wahrheit, die uns als Gewohnheitstiere oftmals kalt lässt. Es stehen Landtagswahlen an und viele Menschen werden weiterhin “ihre” Partei wählen, ohne sich damit auseinanderzusetzen, für welche Ideen die jeweilige Partei als Ganzes steht.

Was nicht getan werden darf, ist Trump nur mal wieder nebenbei zu betrachten, wenn man tatsächlich etwas an gesellschaftlichen Ansichten ändern möchte. Es reicht in meinen Augen nicht, dass sich alle paar Wochen und Monate jemand hinstellt und darauf hinweist, dass da ziemlich viel Käse geschwätzt wird. Es hilft auch nicht, “die Anderen” anzublöken, denn dass dies nicht Erfolg führt, zeigt der “Erfolg” eines Donald Trump. Man wird selbst schließlich auch nicht zum Ausländerfeind, wenn man drei Artikel mit ausländerfeindlichen Thesen liest.

Deswegen möchte ich, dass die geneigten Leser sich das folgende und auch die vorangegangenen Videos angucken und darüber nachdenken, welche Konsequenzen sie für sich daraus ziehen. Einfach etwas zu teilen, ändert in der Regel nicht viel und ist in Augen der Menschen mit anderen Ansichten ähnlich dumpf, wie es andersherum wahrgenommen wird. Entscheidend ist am Ende der gesellschaftliche Konsens und dieser muss gelebt werden, damit er mehr als nur ein “Gespinst” sein kann. In welche Richtung dieser Konsens ausschlägt, können wir zumindest versuchen mit zu entscheiden.

Das viel zitierte und hoffentlich nicht einfach nur geteilte Video

Featured Image via Flickr by Harold Navarro