Das Internet hat großes, demokratisches Potential. In einer Zeit, in welcher Information und der Zugang zu ihr gleichzeitig auch eine Form von Macht darstellt, ist das Internet potentiell der Gleichmacher unter den Machtmitteln, da das Netz prinzipiell für jede*n zugänglich ist und deren Informationen jede*r abrufen kann. So ermöglicht das Internet, vor allem mit modernen Streaming-Diensten und anderen technischen Möglichkeiten, dass viele Menschen an einer Sache teilhaben und gleichzeitig dieses Teilhaben auch teilen können. Es ist spannend zu sehen, wie Dinge, zum Beispiel kreative Werke, entstehen. Mittlerweile ist für viele daraus ein Lebensunterhalt geworden. Und dann sind da noch Videospiele.

Letzte Woche hat der Onlinevertrieb von (alten) Videospielen, gog.com, bekannt gegeben, bestimmte Spiele, die sich noch in der Entwicklungsphase befinden, zum Kauf anzubieten. Damit machen sie im Grunde das selbe wie Valve auf ihrer Vertriebsplattform Steam. Nur nennt man es dort Early Access und nicht, wie bei gog.com, Games in Development beziehungsweise “Spiele in Entwicklung”.
(Und nebenbei, liebe Kolleginnen und Kollegen bei gog.com: Habt ihr mal darüber nachgedacht, ein dediziertes PR-Team zu bilden? Eines, das euch bei der Namensgebung behilflich ist und solche eher peinlichen Gebilde wie Games in Development im besten Fall verhindert? Ich stehe euch da übrigens gerne zur Verfügung…)
Während Steam aber zurecht für seine fehlende Qualitätskontrolle gerügt wird, bietet gog.com zunächst unverdächtige Titel an, welche über die allermeisten Zweifel erhaben sind. Trotzdem halte ich mich von Early Access und dergleichen zumeist fern.

Via Flickr, by Mr.TinDC

cat floor_MrTinDCIch halte eine Katzenlänge Abstand zu fremden Spielen in Entwicklung

Das hängt nicht mit den äußeren Umständen zusammen, oder damit, dass ich Spiele in ihrer Entwicklungsphase generell nicht unterstütze. Im Gegenteil, zwischen Max und mir bin ich ja noch derjenige, der Crowdfunding für Videospiele in Ordnung findet und selbst (hin und wieder) Geld für tolle Ideen dazuschießt. Es ist auch nicht so, dass ich Angst habe, die Katze im Sack zu kaufen, schon gar nicht mit dem sehr durchdachten Rückgaberecht von gog.com (14 Tage, keine Angabe von Gründen sowie viele weitere sinnvolle Regelungen). Nein, vielmehr laufen Early-Access-Spiele (können wir uns auf dieses Wort für diese Vertriebsart einigen?) auf zwei große Gefahren zu: Erstens könnte ihre Fertigstellung durch Early Access verzögert werden, zweitens kann ein früher Zugang den Spaß am Spiel verderben.

Ein Beispiel: Project Zomboid ist eines der bekanntesten Early-Access-Spiele, da es bereits vor der Existenz von Early Access dieses Modell verfolgte. Seit 2011 befindet sich Project Zomboid in Entwicklung und wurde immer wieder von Problemen geplagt. Mittlerweile verkauft sich das Spiel ganz gut, was auch an dessen unbestreitbarer Qualität liegt. Nur: Ich frage mich, ob der Titel irgendwann fertig wird. Das Spiel verkauft sich ja und die Programmierer*innen verdienen sich damit ihren Lebensunterhalt. Warum sollten sie also durch die heißersehnte 1.0-Version den Ast absägen, auf dem sie sitzen? Zugegeben, das ist ein bisschen sehr vereinfacht gesehen, verdeutlich aber das Problem: Wenn ich die Entwicklung eines Spiel, und nicht das Spiel als Endprodukt, zu meinem Geschäftsmodell mache, dann muss ich mir mit Ende der Entwicklung ein neues Geschäftsmodell suchen. Und das ist bekanntermaßen recht schwierig. Die Entwickler*innen von Early-Access-Titeln schaffen sich also keinen klaren Anreiz, ihr Spiel auch zu Ende zu führen.

via Flickr, by Patty

cat arm_PattyWenn natürlich eine Katze im Weg ist, wäre so eine Verzögerung mehr als verständlich

Und dann kann es auch noch passieren, das Änderungen an Spielprinzip und -Mechanik plötzlich den Spielspaß zerstören. So geschehen bei Darkest Dungeon, einem Early-Access-Spiel, das es in einen “fertigen” Zustand geschafft hat. Dort wurde vor ein paar Monaten, noch in der Beta-Phase, eine neue Mechanik eingeführt, die zu viel Unverständnis unter den Spieler*innen geführt hat. Viele sahen dies als Reaktion auf die laute Minderheit, welche das Spiel zu leicht fanden und warfen den Entwickler*innen vor, Darkest Dungeon damit noch schwerer zu machen, als es ohnehin schon sei. Natürlich dürfen die Schöpfer*innen eines Spiels auch dessen Regeln ändern, oder zumindest anpassen, das gehört zu einer ordentlichen Testphase dazu. Nur könnte durch ständige Änderungen oder Erweiterungen die oder der einzelne Spieler*in verwirrt werden und daher die Lust verlieren. Ein gutes Spiel hat klare und einfache Regeln. Wenn sich die allerdings dauernd ändern, muss man* sich immer wieder neu einarbeiten. Das kostet Zeit und Kraft, die nicht alle aufbringen wollen.

Ich bin meist anfällig für letztere Problematik. Zwar spiele ich solche Titel gerne eine zeitlang und verfolge die neuesten Versionen, aber meist gibt es ein oder zwei Änderungen, die meine jeweilige Spieltaktik ändern. Und dann habe ich wenig Lust, mir etwas anderes zurechtzulegen. Daher braucht ein gutes Early-Access-Spiel sowohl eine gute Kern-Mechanik, die fesselt und unterhält, als auch wenig Fokus auf narrative Elemente. Denn warum sollte jemand dieselbe Geschichte trotz gutem Designs zweimal spielen?

Insofern mag es schön und gut sein, dass Menschen die Möglichkeit haben, Spiele in ihrer Entwicklung zu begleiten, aktiv wie passiv. Aber auch wenn der Weg das Ziel ist: Am Ende sollte immer ein fertiges Spiel stehen, allein schon aus Rücksicht auf die Kund*innen.