Kaffee, Tee, Guarana – egal, hauptsache es macht wach und ist warm. Und wenn euer Hirn sich dann auf Betriebstemperatur erwärmt hat, bekommt es auch gleich neuen Input. Von uns, mit den Links aus dieser Woche.

Johannes:

  • In seinem 1941 verfassten Stück “Der unaufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui” schrieb Berthold Brecht: “Es ist der Schoß fruchtbar noch, aus dem das kroch” und meinte damit Nazi-Deutschland. Schaue ich heute (mit Grauen) nach Deutschland, so muss ich feststellen: Dieser Schoß ist nie ausgetrocknet! Die Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte häufen sich derzeit wieder und ein AfD-Politiker beschwört Goebbels-Rhetorik herauf, indem er von tausendjähriger Geschichte schwafelt – er könnte genauso gut vom tausendjährigen Reich palavern, die Leute merkten’s nicht und applaudierten trotzdem. Wen wundert es bei einem offensichtlich rechtslastigen Geheimdienst, dass Neonazis seit Beginn der Bundesrepublik im Geheimen, aber auch Öffentlichen, ihre sogenannte Politik betreiben konnten. Und dass sie sich mehr oder weniger ungehindert seit der Wende in Ostdeutschland ausbreiten und die Provinzen infiltrieren konnten. Und nun haben wir eine braune Generation, die in Lagern mit militärischen und rassitischen Drill herangezogen wurde.
    Die Zeit hat in einer ausführlichen Reportage mit einer Aussteigerin aus der modernen Neonazi-Szene gesprochen. Für viele ist es wahrscheinlich erschreckend, wie gut vernetzt der braune Mob in Deutschland und Europa ist. Und welche wahnwitzigen Ideen diese kranken Geister verfolgen (“Wir besiedeln Ostpreußen neu!”). Ein sehr langer, aber sehr aufschlussreicher Text.
  • In die ähnliche Kerbe schlägt Dunya Hayalis Ausflug zur AfD-Demo in Erfurt. Nach dem unvermeidlichen Vorwurf der Manipulation hat das ZDF das gesamte Interviewmaterial veröffentlicht. Wenig überraschend: Die Leute faseln alle von Überfremdung, drogendealenden Balkan-Migranten und – natürlich – einem Herz für Kriegsflüchtlinge. Angesichts dieses Materials und zudem noch vieler weiterer, offen zugänglichen Zeugnisse über die Fremdenfeindlichkeit und den unverhohlenen Rassismus weiter Teile der deutschen Gesellschaft, stellt sich die Frage: Wann lernen die Menschen in diesem Land endlich, was Rassismus wirklich bedeutet? Wann wird niemand mehr sagen: “Ich hab nichts gegen Ausländer, aber…”, sondern lieber schweigen?
  • Das Team von Superlevel glänzt wieder mit einem hervorragenden Essay über die zunehmende Diversität auch in Sportspielen, dem althergebrachten Metier des Gamebro-Archetypen. Denn die werden plötzlich mit ethnischer Vielfalt und – oh Schreck! – Frauenfußball konfrontiert, auch wenn solche Kleinigkeiten eher ein nettes Gimmick als Spielinhalt sind. Trotzdem: Ein Schritt nach vorn geht in die richtige Richtung und es wird interessant werden, wie sich diese Entwicklung in Zukunft vollzieht.
  • Und dann noch etwas Netzpolitik: Kaum hat das Europäische Parlament in einem bemerkenswerten Akt unbeabsichtigter Dialektik gleichzeitig FÜR und GEGEN Netzneutralität gestimmt, da haut der Telekom-Chef gleich mal ein Statement raus, wie er die neue Regelung zu Nutzen gedenkt: Für mehr als “Normalgeschwindigkeit” sollen die Kunden doch bitte auch mehr zahlen. Vor allem Start-Ups seien auf seine “Spezialdienste” angewiesen und könnten ja eine Umsatzbeteiligung locker machen. Was ein Scheißverein! Vodafone ist übrigens wenig besser. Die sagen sinngemäß: Wir planen momentan nichts dergleichen, finden den Vorstoß der Telekom klasse! Selten zuvor wurden alle Befürchtungen, die im Vorfeld in den Raum geworfen wurden, so schnell bestätigt. Herzallerliebst!

Max

  • Fußball. Ja, wirklich: Fußball. Am Anfang war der “Kaffeeklatsch mit Eierschegge und en Schälschen Heesn” nur der Off-Topic-Bereich des Unterforums für Dynamo Dresden Anhänger auf Transfermarkt.de. Wer sich allerdings tatsächlich mit Dresden beschäftigt und vielleicht auch noch im “Elbflorenz” wohnt, an dem geht auch die Außendarstellung der Stadt und des Vereins sowie die politische Situation nicht vorbei. Inzwischen gibt es sehr erbauliche, interessante und auch spannende Einträge, wie die Fans ihre Situation neben dem Platz einschätzen. Und manchmal hat es zur Erleichterung von Menschen wie Johannes auch gar nichts mit Fußball zu tun. Findet ihr auch ein paar Idioten, wenn ihr lange genug sucht? Das ist wohl eher eine rhetorische Frage, wenn man sich im Internet nach Meinungen umschaut. Mich hat der Thread die letzten Tage und Wochen immer wieder in verschiedener Hinsicht unterhalten. Ein freundliches “DY! NA! MO!” an den Tabellenführer der 3.Liga und eine Erinnerung daran, dass nicht gleich jeder Fußballfreund auch ein gewaltbereiter Depp ist. An alle Fans, die an der Rekord-Choreo mitgearbeitet haben: “RESCHBÄGGT!”
  • Full Disclosure: Aus Respekt und Höflichkeit verlinke ich meine Arbeit außerhalb des Blogs normalerweise nicht, aber es lohnt sich nun mal wirklich. Ja, den Artikel habe ich geschrieben. Nein, ich habe von niemandem Geld dafür bekommen. Es ist schlichtweg leichter und fairer gegenüber den Seitenbetreibern die es mir ermöglichen über all diese Musik zu schreiben, dass ich einen Artikel hier verlinke. Will Varley ist ein sehr spannender Liedermacher (wir coolen Menschen sagen heutzutage aus irgendeinem Grund “Singer/Songwriter”), der sehr nachdenklich und sehr politisch mit “Postcards From Ursa Minor” ein wirklich fantastisches Album veröffentlicht hat. Wer es genauer wissen will, der liest meine Kritik. Es liegt mir einfach nur am Herzen, dass mehr Menschen von Will Varley wissen, weil ich nicht einfach nur aus Spaß an der Freude Höchstbewertungen vergebe. Aber wenn wir schon beim Thema sind: Bitte, bitte, bitte lest Kritiken, anstatt euch nur auf irgendwelche Zahlen/Noten/Bewertungen zu verlassen. Vielen Dank, ein Schreiberling.

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